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    Alfons Zitterbacke - Endlich Klassenfahrt!
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Alfons Zitterbacke - Endlich Klassenfahrt!

    Wer küsst gewinnt (oder ein Teenie-Film wie aus den Achtzigern)

    Von Helena Berg

    Als 10-jähriger hat Alfons Zitterbacke (Luis Vorbach), Titelheld der kultigen DDR-Kinderbuchreihe, noch davon geträumt, Astronaut zu werden. Das war 2019 der Plot seines erstes Kinoabenteuers „Alfons Zitterbacke – Das Chaos ist zurück“. Inzwischen ist er allerdings ein Teenager und träumt in der Fortsetzung deshalb… na klar: von Mädchen. Genauer gesagt von Leonie (Leni Deschner), seiner neuen Klassenkameradin, mit der es nun eine Woche lang auf Klassenfahrt geht. Die perfekte Chance zu beweisen, dass er mehr als nur ein Pechvogel ist! Aber leider ist da auch noch sein ewiger Rivale Nico (Ron Antony Renzenbrink), der es ebenfalls auf Leonie abgesehen hat und Alfons eine Wette vorschlägt: Wer Leonie als Freundin bekommt, der darf einen ganzen Tag lang über den anderen bestimmen.

    Das klingt doch nach den perfekten Zutaten für einen klassischen Jugendfilm – oder eben auch nach Sexismus in Teenagerschuhen. Die Geschichte von „Alfons Zitterbacke - Endlich Klassenfahrt!“ ist kurz gesagt einfach nicht mehr zeitgemäß. Natürlich eignen sich Dreiecksbeziehungen fürs Kino wunderbar, aber es sollte 2022 nicht mehr okay sein, um ein Mädchen zu wetten und es damit zum Objekt zu machen. Vor allem, da Mark Schlichter dies nicht kritisch genug beleuchtet, sondern wie ein weiteres „Pech“ darstellt, in das der sympathische Alfons wie in so vieles hineinrutscht. Das ist auch deshalb schade, weil die Darstellerinnen Leni Deschner und Lisa Moell wirklich toll spielen und sicherlich zu mehr als süßem Lächeln und Waffelbacken in der Lage gewesen wären.

    Alfons Zitterbacke (Luis Vorbach) ist auch in der Kino-Fortsetzung wieder wie vom Pech verfolgt.

    Schwierig ist auch die Formulierung der Wette „mit Küssen, Händchenhalten und allem anderen“, als würde sich menschliche Zuneigung nur im Körperlichen ausdrücken. Als hätte man es als junger Mann geschafft, wenn man ein Mädchen küsst. Diese Fokussierung auf den Körper findet sich auch in der sonstigen Rivalität der beiden Jungen wieder - zum Beispiel in Form eines Kletterwettbewerbs. Alfons Lehrerin Frau Hoffmann (Haley Louise Jones) geht mit seiner Höhenangst zwar toll um, am Ende des Films kann Alfons seine Angst aber besiegen und erntet so (grob gesagt) endlich Nicos Respekt. Wie schön wäre es gewesen, wenn „Alfons Zitterbacke – Endlich Klassenfahrt!“ einen anderen Auslöser als ein Mädchen und eine andere Lösung als eine körperliche Mutprobe für den Konflikt zwischen den Jungs gefunden hätte. Schließlich ist das Sich-Vergleichen ein extrem wichtiges Thema unter Jugendlichen.

    Doch der 90-Minüter bedient sich – auch bei seinen Figuren – lieber der gängigen Klischees. Da wären etwa der coole Neuzugang, der Gitarre spielt und im Sport alle übertrumpft, oder der beste Freund, der zwar liebenswert, aber auch super nerdig ist. Umso interessanter sind Alfons Mutter und ihr Freund Jack, die vom realen Ehepaar Alexandra Maria Lara („Der Untergang“) und Sam Riley („Maleficent“) verkörpert werden und von denen man gern noch mehr sehen will. Generell sind die Elternbeziehungen eigentlich das spannendste am Film: Wie ist es für Teenager, wenn die Eltern neue Partner haben und vielleicht sogar umziehen? Auf dieser Ebene hätten Alfons und Nico einen gemeinsamen Nenner finden und damit sicherlich viele Jugendliche ansprechen und berühren können.

    Ein Highlight des Films: Alexandra Maria Lara und Sam Riley als Alfons Mutter und ihr neuer Freund.

    Im zweiten Kinofilm spielt Alfons Berufswunsch als Astronaut leider keine Rolle mehr. Geblieben ist Alfons ständige Rolle als „Pechvogel“. Aber die Situationen sind längst nicht mehr so liebenswert wie im ersten Teil, als Alfons noch jünger war – denn als Teenager sind die Schlamassel oftmals auch kein „Pech“ mehr, sondern schlicht eigenes Fehlverhalten. Denn nur weil man vom Mitschüler mit Essen beworfen wird, muss man ja nicht automatisch Essen zurückwerfen und sich dann als Opfer der Umstände sehen. So viel Verantwortung sollte man Teenagern schon zutrauen dürfen.

    Apropos Verantwortung: Der Film versucht, Themen wie die Klimakrise, Konsum, Kapitalismus und Missachtung der Kunst anzusprechen und auf Probleme aufmerksam zu machen. Ein guter Anfang, wenngleich die Probleme sehr oberflächlich behandelt werden. „Alfons Zitterbacke - Endlich Klassenfahrt!“ hätte an vielen Stellen wirklich Potenzial gehabt: Neben dem tollen Ensemble aus vielversprechenden Jungschauspieler*innen sowie gestandenen Darsteller*innen wie Thorsten Merten oder Haley Louise Jones gibt es wunderschöne Bilder aus dem Harz oder von der Ostsee. Auch das komödiantische Timing stimmt weitestgehend. Da hätte man doch einen gelungeneren Jugendfilm draus machen können – wetten?

    Fazit: „Alfons Zitterbacke - Endlich Klassenfahrt!“ ist aufgrund der Spielfreude der Darsteller*innen durchaus kurzweilig, bedient sich aber arg vieler Klischees und vermittelt zudem Werte, die man zumindest kritisch hinterfragen sollte.

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