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    Johnny Handsome - Der schöne Johnny
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Johnny Handsome - Der schöne Johnny
    Von René Malgo

    Der schöne Johnny wird er genannt. Eine sehr zynische Bezeichnung, denn Johnnys (Mickey Rourke) Gesicht ist furchtbar entstellt. Er kann nicht viel, aber er ist ein Ass in der Entwicklung von minutiös geplanten Raubüberfällen. Als das Gangster-Pärchen Sunny (Ellen Barkin) und Rafe (Lance Henriksen) seinen brüderlichen Freund Mikey (Scott Wilson) bei einem Überfall erschießt und sie mit der Beute verschwinden, wird Johnny gefasst. Im Gefängnis bekommt er im Rahmen eines Aufbauprogramms ein neues Gesicht. Als er zur Bewährung rauskommt, sinnt Johnny auf Rache.

    Wie geradlinige, knallharte Action-Thriller zu drehen sind, weiß Regisseur Walter Hill (Last Man Standing) genau, der schon mit „Straße in Flammen“ und „Red Heat“ erfolgreich auf entsprechendem Terrain tätig war. Mit „Johnny Handsome“ versucht Hill, nebst Action nun auch das Genre der Tragödie und des Dramas abzudecken. Mit Erfolg, denn ihm gelang ein spannendes, stellenweise zutiefst berührendes Außenseiterdrama, gewürzt mit der für ihn typischen, erbarmungslosen Action.

    Einem starken Auftakt folgt ein nicht ganz so brillanter Mittelteil, der dann aber durch ein würdiges Finale konsequent und erstklassig abgeschlossen wird. Hill versteht es, gleich mit den ersten Bildern die Sympathien des Zuschauers auf den entstellten Johnny zu lenken. In diesen anfänglichen Szenen ist „Johnny Handsome“ trotz krachender Actioneinlagen eben mehr Außenseiterdrama als Action-Thriller. Der Film nimmt sich viel Zeit, um Johnny bei der Zwangsarbeit für verurteilte Straftäter und im Krankenhaus zu zeigen, wo er operiert wird. Mit großem Einsatz kümmern sich Dr. Steven Fisher (Forest Whitaker) und Schwester Luke (Yvonne Byceland) um ihn. Sie wollen, dass er die Chance auf ein neues Leben bekommt und glauben an das Gute in ihm.

    Mit neuem Gesicht lernt Johnny (nun ist auch Mickey Rourke hinter der anfänglichen Maske zu erkennen) Donna McCarty (Elizabeth McGovern) kennen und beginnt zaghaft eine Beziehung mit ihr. Seine Bemühungen, sich im neuen Leben zurecht zu finden, enden aber jäh, als er auf Bewährung entlassen wird. Johnny sucht Sunny (Ellen Barkin) und Rafe (Lance Henriksen) auf und sinnt nur noch auf Rache. Seine neu gewonnene Freundin muss er links liegen lassen. Diese Wandlung erhält eine nicht ganz so stimmige Darstellung und es werden einige kleinere, erzählerische Schwächen offenbar. Doch jene verhältnismäßig kurze Phase im mittleren Teil des Films ist schnell überwunden und dank eines ebenso großartigen Beginns wie Schlussteiles bleibt im Endeffekt ein nahezu makelloser Gesamteindruck.

    Kameramann Matthew F. Leonetti (Butterfly Effect) bannt die Geschichte in atmosphärische Bilder und erhält musikalische Unterstützung von Ry Cooder (Paris, Texas), der schon mehrfach mit Walter Hill zusammengearbeitet hat, unter anderem auch in Last Man Standing. Der faszinierende Soundtrack trägt erheblich zur dichten Stimmung des Films bei. Hills schnörkellose Regie setzt das Tüpfelchen auf dem I und führt vor, wie ein tadelloser Spannungsaufbau zu funktionieren hat.

    Eine ganze Reihe ausgezeichneter Darsteller füllt die gut ausgearbeiteten Charaktere aus. Mickey Rourke (Sin City, Im Jahr des Drachen) führt das sehr fähige Ensemble an und stellt unter Beweis, warum er in den 80ern als angehender Superstar gehandelt wurde. Auch hinter der Maske, die sein Gesicht unkenntlich macht, gelingt ihm eine eindrückliche Performance. Gekonnt stellt er die innerliche Zerrissenheit seines Charakters dar, den Durst nach Rache, aber auch der Wunsch nach einem normalen Leben. Bemerkenswert auch Morgan Freeman (Die Verurteilten, Million Dollar Baby) in einer ungewohnten Rolle. Als misstrauischer, gemeiner und Johnny ständig auf den Fersen bleibender Polizist Lt. A.Z. Drones gewinnt er schnell die Antipathie des Zuschauers. Ganz anders dagegen ist die Rolle von Forest Whitaker (Panic Room), der mit seinem Part als engagierter Arzt sofort vom Publikum ins Herz geschlossen wird. Nicht minder gut sind die Leistungen von Ellen Barkin (Down By Law, The Big Easy) und B-Movie-Ikone Lance Henriksen (Near Dark, Alien Vs. Predator) als unsympathisches, verhindertes Bonnie-und-Clyde-Paar. Sie ist eine intrigante Schlampe, er ein jähzorniger Schläger mit wenig Grips. Überzeugend gibt sich desgleichen Elizabeth McGovern (Army Go Home) als Johnnys liebevoller Love Interest Donna McCarty, die ebenso wie die anderen an Profil gewinnen kann.

    Die direkt und ohne Umschweife geführten Dialoge machen auf Grund ihrer Einfachheit einen wahrhaftigen Eindruck. Deshalb vermag das Action-Drama zu berühren und mitzureißen, denn die Emotionen, sie sind ehrlich und der Film verstellt sich zu keiner Zeit oder versucht, sich als mehr oder besseres zu verkaufen, denn er tatsächlich ist. „Johnny Handsome“ überzeugt im Gewande eines sehr stimmigen B-Movies, versetzt mit Elementen des Film Noir. Die Außenseitergeschichte geht ans Herz und als spannender Thriller fesselt „Johnny Handsome“ ohne Abstriche. Viel mehr kann von einem Film, der sich zu keiner Sekunde selbst überschätzt, nicht verlangt werden.

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