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    Mein fabelhaftes Verbrechen
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Mein fabelhaftes Verbrechen

    So witzig wie glamourös und dann auch noch brandaktuell

    Von Gaby Sikorski

    François Ozon ist einer der fleißigsten und vielseitigsten französischen Filmschaffenden. Seit dem Jahr 2000 führte er bei sage und schreibe 20 Spielfilmen Regie. Zu allen schrieb er auch das Drehbuch – meist allein. Sein Œuvre umfasst praktisch alle Genres: Liebesgeschichten, Jugenddramen und Krimis ebenso wie Komödien. Mit seiner freien Adaption eines Stoffes von Rainer Werner Fassbinder – „Peter von Kant“ – eröffnete er 2002 die Berlinale.

    Doch je mehr Filme Ozon dreht, desto schwieriger wird es, ihn als Regisseur einzuordnen. Tatsächlich ließe sich sein neuestes Werk, der so glamouröse wie witzige Comedy-Krimi „Mein fabelhaftes Verbrechen“, mit etwas gutem Willen in einer Reihe mit zwei weiteren Komödien von Ozon betrachten, die ebenfalls in der Vergangenheit angesiedelt sind: nämlich „Das Schmuckstück“ und sein wohl bekanntester Film überhaupt, das stargespickt-schwarzhumorige Musical „8 Frauen“.

    Madeleine (Nadia Tereszkiewicz) und Pauline (Rebecca Marder) haben einen fast perfekten Plan …

    „Mein fabelhaftes Verbrechen“ führt ins Paris der 1930er Jahre: Die unterbeschäftigte Schauspielerin Madeleine (Nadia Tereszkiewicz) wohnt in einer winzigen Mansardenwohnung zusammen mit ihrer Freundin Pauline (Rebecca Marder), einer frischgebackenen Rechtsanwältin. Trotz aller Bemühungen sind sie seit Monaten mit der Miete im Rückstand. Eine Rolle für Madeleine oder ein kleiner Auftrag für Pauline könnte schon die Rettung bedeuten. Als die Polizei bei ihnen auftaucht, weil der Theaterproduzent ermordet wurde, mit dem Madeleine kurz vor seinem Tod verabredet war, beteuert sie zunächst ihre Unschuld. Doch mit Unterstützung der cleveren Pauline und nach längerer Überlegung beschließt Madeleine, ein Geständnis abzulegen:

    Sie gibt zu, dass sie in Notwehr zur Waffe gegriffen habe, als der Produzent über sie herfiel. Das Kalkül der Co-Mieterinnen: Mit ein bisschen Glück käme Madeleine straffrei davon, auf jeden Fall wäre ihr aber die mediale Aufmerksamkeit sicher, was die Chancen auf Rollenangebote in schwindelerregende Höhen treiben würde. Prinzipiell das gleiche gilt für Pauline, die sich mit diesem Fall als Strafverteidigerin profilieren könnte. Der Plan scheint tatsächlich aufzugehen – nach einem triumphalen Freispruch kann sich Madeleine vor Rollenangeboten kaum retten. Doch dann meldet sich unerwartet eine neue Zeugin, Odette Chaumette (Isabelle Huppert), ein alternder Stummfilmstar. Ihre Aussagen könnten den Plan doch noch gefährden…

    Auf den Spuren von Lubitsch & Renoir

    François Ozon macht aus dem gleichnamigen Theaterstück, das zum ersten Mal bereits 1937 mit Carole Lombard als „Ein Mordsschwindel“ verfilmt wurde, eine leichtfüßige Krimikomödie, die nicht nur unterhaltsam ist, sondern auch sehr intelligent – also ein Spaß für Kopf und Herz. Das liegt zum einen an der gelungenen Dramaturgie mit vielen hübschen Einfällen und vielen spielerischen Elementen, die zumindest liebevoll wirken, manchmal sogar entzückend. Da wird zwischen Schwarz-Weiß (in den Rückblenden) und Farbe gewechselt, es gibt viele Verweise auf den Stummfilm, auf Screwball-Comedys der 30er und 40er Jahre und auf das klassische französische Kino. Der Gesamteindruck ist gelegentlich so elegant und nostalgisch, als hätte sich François Ozon mit Ernst Lubitsch und Jean Renoir bei einem Gläschen Champagner in einem Pariser Bistro verabredet, um über Filme zu sprechen.

    François Ozon mixt aus dem Plot ein erlesenes Spektakel, das in seinem Schwung und Witz gelegentlich an „Chicago“ erinnert, nur ohne Gesang, allerdings mit einem passenden, durchkomponierten Soundtrack – ebenfalls eine Hommage an das Kino der 1930er Jahre. Auch hier geht es um Mord und Medien, um einen Gerichtsprozess sowie um Frauen, die versuchen, sich in einer männerdominierten Welt zu behaupten. Doch in diesem Falle stehen die beiden Hauptpersonen nicht in Konkurrenz zueinander, sondern sie ergänzen sich von Anfang an: Die zwei Jungstars Nadia Tereszkiewicz und Rebecca Marder harmonieren perfekt. Ihren natürlichen Charme und ihr komisches Talent beweisen sie unter anderem in den spitzen Dialogen, wobei Tereskiewicz die Hauptlast trägt. Sie spielt die scheinbar so harmlos-niedliche Madeleine mit viel Emotion und unterschwelliger Gerissenheit, während Rebecca Marder als weltgewandte Pauline mit ihrer Rhetorik sämtlichen Männern verbal überlegen ist, ohne sie jedoch bloßzustellen.

    … bis ihnen der Stummfilmstar Odette Chaumette (Isabelle Huppert) womöglich doch noch einen Strich durch die Rechnung macht!

    Isabelle Huppert („Elle“) bringt im zweiten Teil – gerade rechtzeitig, bevor die Handlung zu verläppern droht – einen weiteren Typ Frau ins Spiel: die alternde Diva, die sich nicht ohne Selbstironie an bessere Tage erinnert. Je älter sie wird, desto zarter und gleichzeitig energischer scheint Isabelle Huppert zu werden. Wie ein kämpferischer, kleiner Vogel, aber trotzdem immer damenhaft, zeigt sie den beiden jungen Kolleginnen, wo der Hammer hängt – eine schauspielerische wie komödiantische Glanzleistung.

    Die glamouröse Ausstattung übernimmt im Grunde die nächste wichtige Rolle: François Ozon durfte offenbar für diesen Film im Luxus schwelgen. Das gilt für die Garderobe der Damen wie die Dekorationen der Locations, die Autos und das gesamte Interieur. In allem lässt Ozon den alten Glanz von Paris wiederaufleben, den es vermutlich so nie gegeben hat. Hier gibt es also nicht nur was zu lachen, sondern auch viel zu sehen.

    Erstaunlich aktuell

    Doch der gelungenste Coup dieses Films ist sein Thema, das heute so aktuell ist wie vor 100 Jahren: der Anspruch der Frauen auf gleiche Rechte und ihr Kampf gegen die männliche Vorherrschaft. Ozon macht aus dem ehemaligen Boulevardstück eine Geschichte über zwei Frauen als frühe #MeToo-Vorkämpferinnen, die eine zutiefst korrupte Männerwelt entlarven. Dany Boon ist als bestechlicher Architekt beinahe noch harmlos. Schon problematischer ist da der dämliche, aber gefährliche Untersuchungsrichter, den Fabrice Luchini mit viel Elan spielt. Die meisten Männer sind hier entweder geldgierige Machtmenschen oder gutgläubige Idioten, so wie Madeleines leichtlebiger Verehrer André (Édouard Sulpice) oder dessen Vater (André Dussolier).

    Da wird vor Gericht von der „Ehre der Justiz“ geschwafelt, doch tatsächlich geht es weder um Gerechtigkeit noch um Wahrheit, sondern um die baldige Beförderung. Madeleines angebliche oder reale Tat – immerhin wollte sie ihre Unschuld beschützen – macht aus ihr eine Märtyrerin, doch der Staatsanwalt beantragt für sie die Todesstrafe, und zwar zur Abschreckung, denn sonst würden womöglich noch mehr Frauen auf die Idee kommen, Männer zu ermorden. Mit spitzfindigen Wendungen und doppelbödigen Verweisen auf aktuelle Strömungen macht François Ozon seine beiden Heldinnen zu Vorkämpferinnen eines überaus eleganten, französischen Feminismus, in dem sich eine Simone de Beauvoir ebenso wiederfinden könnte wie die Concierge im Film, die überrascht feststellt: „Wenn ich das geahnt hätte … 40 Jahre lang habe ich es nicht gewagt, meinen Mann zu töten.

    Fazit: Mit leichter Hand inszeniert, ist François Ozons neuer Film nicht nur eine Augenweide, sondern auch eine sehr unterhaltsame und elegante, auf den zweiten Blick sogar durchaus tiefgründige Komödie. Die luxuriöse Ausstattung und das gut aufgelegte Ensemble, in dem sich Alt- und Jungstars treffen, wetteifern dabei mit einem augenzwinkernd aktuellen Plot, der ebenso witzig wie boshaft die #MeToo-Debatte zitiert.

     

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