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    Jump!
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Jump!
    Von Christian Schön

    Was treibt einen Künstler zur Kunst? So oder ähnlich gestellt, produziert diese Frage ganze Berge von Filmen, die anhand einzelner Künstlerbiographien jeweils eine klärende Antwort versprechen. Schon früh in der Filmgeschichte wurde begonnen, die Lebensgeschichten von Künstlern aller Couleur auf Zelluloid zu bannen, um auf der Leinwand auf Spurensuche zu gehen. Seien dies Komponisten wie in Otto Kreislers „Mozarts Leben, Lieben und Leiden“ (1921) oder Schriftsteller wie in Curt Goeks „Friedrich Schiller, eine Dichterjugend“ (1923). Wichtig sind hier vor allem die Stichworte „Jugend“ und „Leiden“, die schon in dieser frühen Phase ganz und gar stereotyp auftauchen. Heute regen im Regelfall vor allem Rockstars wie Kurt Cobain (Last Days) oder Johnny Cash (Walk The Line) dazu an, ihrer Kunst ein großes Leiden zu Grunde zu legen. In Joshua Sinclairs „Jump!“ wird die Suche nach dem Leiden in der Jugend des berühmten „Life“-Fotografen Philippe Halsman gestartet. Die während des schleichenden Beginns der Naziherrschaft angesiedelte Halsman-Story geht insgesamt etwas grobschlächtig und unbehände mit der Vita des Fotografen um - und kann sich dabei nie zwischen Künstlerporträt und Historien-Drama entscheiden.

    Der berühmte jüdische „Life“-Fotograf Philippe Halsman (Ben Silverstone) arbeitet im New York der 1950er Jahre an seiner berühmten „Jump“-Serie, für die Prominente wie Marilyn Monroe oder Albert Einstein vor der Kamera Luftsprünge machen. Als eine Journalistin wissen möchte, wie Halsman auf diese ausgefallene Idee gekommen ist, weicht der Künstler aus. Stattdessen erzählt seine Schwester Liuba (Martine McCutcheon) jene schicksalshafte Geschichte, die den Grundstein für eine einzigartige Karriere legte: Alles begann mit einem eigentlich harmlosen Vater-Sohn-Ausflug, der 1928 gemeinsam ins österreichische Voralpenland unternommen wurde. Zwischen Familienoberhaupt Murdoch Halsman (Heinz Hoenig) und seinem Sprössling kam es jedoch vom ersten Tag an zu kleinen Reibereien – bei dem Versuch, Philippe zu einem „richtigen Mann“ zu machen, demütigt der Vater seinen Sohn regelmäßig. Bei einer der folgenden Bergtouren stürzt Murdoch einen Abhang hinunter und stirbt. Als Philippe der örtlichen Polizei gegenüber widersprüchliche Angaben macht, gerät er unter Mordverdacht. Richard Pressburger (Patrick Swayze), der beste Anwalt Wiens, wird engagiert, um Philippes Unschuld vor Gericht zu beweisen. Doch die folgende Verhandlung entpuppt sich als Schauprozess, in dem die Nazis den „jüdischen Vatermörder“ Philippe Halsman für ihre Propagandawecke missbrauchen…

    Die Erzählstruktur von „Jump!“ mutet auf den ersten Blick äußerst komplex an, da zwischen relativ vielen Zeit- und Wirklichkeitsebenen hin- und hergewechselt wird. Die Geschichte beginnt mit den „Jump“-Arbeiten in den 1950er Jahren. Nachdem in die 1920er zurückgesprungen und mit der eigentlichen Haupthandlung begonnen wurde, wird der äußere Rahmen jedoch scheinbar vergessen und die daraus folgende Erzähllogik außer acht gelassen: Die Frage, was die erzählende Figur, also die Schwester, überhaupt vom Geschehen wissen kann und was nicht, sollte man „Jump!“ lieber nicht stellen. So wird der Einstieg des Films zu einer konventionellen, einfallslosen Formel degradiert, die lediglich den Anlass gibt, mit dem Erzählen zu beginnen. In der Haupthandlung lassen sich nochmals drei voneinander getrennte Ebenen ausmachen: Zunächst gibt es den realiter stattfindenden Ausflug von Vater und Sohn, darauf folgend den Prozess vor Gericht und die Ermittlungsarbeit Pressburgers und schließlich - darin eingebettet - die verschiedensten Rückblenden auf die Geschehnisse um den Todeszeitpunkt. Letztere werden jeweils mit reduzierten Farben, sinnbildlich für die verblassenden Erinnerungen der Augenzeugen, eingespielt. Ohne dass nun die Gefahr bestünde, den Überblick darüber zu verlieren, in welcher Zeit man sich gerade befindet, schafft es Sinclair dennoch selten, die vielen Ebenen zu einem organischen Ganzen zu vereinen.

    Etwas mehr als die erste Hälfte von „Jump!“ wird ausschließlich dazu genutzt, eine enorme erzählerische Vorarbeit zu leisten, bevor der eigentlich entscheidende Teil des Films zum Zug kommt: Weder die Rahmenhandlung noch die Episode vom tragischen Wanderausflug schaffen eine Atmosphäre, die dazu einlädt, sich auf den Film einzulassen. Erst wenn diese Durststrecke durchstanden ist, kann man in die Handlung, die im Verlauf des Gerichtsprozesses etwas spannender ausfällt, eintauchen. Doch auch hier bleibt ein Wermutstropfen nicht aus: Die Figuren bleiben im Verlauf des gesamten Films eintönig und strukturlos. Deutlich erkennbar wird dies an der unmotiviert abgehandelten Liebesbeziehung, die sich zwischen Anwalt Pressburger und Halsmans Schwester Liuba entwickelt.

    „Jump!“ ist vollständig mit österreichischen Geldern finanziert. Das hat zum einen zur Folge, dass ausschließlich an Originalschauplätzen in ganz Österreich gefilmt wurde. Zum anderen sind neben den amerikanischen Schauspielern wie Patrick Swayze ( Die rote Flut, Ghost – Nachricht von Sam, Gefährliche Brandung) und Martine McCutcheon ( Tatsächlich Liebe) so auch deutsche Schauspieler wie Heinz Hoenig (Das Boot, Antikörper) und regionale Größen wie Wolfgang Fiereck („Der Arzt vom Wörthersee“) zu sehen. Der Mambo-Gott aus Dirty Dancing trifft auf den „Bayer auf Rügen“ – eine bisweilen abstruse Kombination, die vor dem historischen Hintergrund der Geschichte aber nicht komplett abwegig erscheint: Viele der jüdischen Flüchtlinge, die es geschafft haben, den europäischen Kontinent rechtzeitig zu verlassen, ließen sich in Amerika nieder. Wenn nun in Österreich, das 1938 an das Deutsche Reich annektiert wurde, so ein Projekt realisiert wird, zeigt dies auch, wie groß der Wille inzwischen geworden ist, sich mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzten. Denn gerade in Österreich fehlte lange Zeit die Bereitschaft, die Gräueltaten, die auch dort begangen wurden, ernsthaft zu hinterfragen.

    Obwohl mit „Jump!“ kein typisches Bio-Pic vorliegt, das die Lebensgeschichte einer berühmten Persönlichkeit nacherzählt, wird der Versuch unternommen, das biographische Fundament für Halsmans „Jump“-Serie offen zu legen. Die fraglichen Fotographien, die Halsman weltweit berühmt gemacht haben, zeigen berühmte Persönlichkeiten wie Aldous Huxley oder Richard Nixon in dem Augenblick, in dem sie in die Luft springen. Dem Ausgangspunkt für die Idee zu diesem Projekt auf den Grund zu gehen, hat sich „Jump!“ auf die Fahnen geschrieben. Die etwas plump wirkende Lösung lautet: der Sturz des Vaters und die folgenden traumatischen Erlebnisse seien für Halsman Auslöser genug gewesen. Natürlich lässt einen diese Küchenpsychologie-Antwort unterm Strich unbefriedigt zurück. Einzig der Teil, in dem sich „Jump!“ zum Justiz-Thriller aufschwingt, kommt nicht ganz so platt daher: Die gewichtige historische Dimension, derer sich der Film hier annimmt, kommt in diesem Abschnitt zwar gut zum Tragen, dabei wird zugleich aber mit viel zu simplen – bisweilen gar kitschigen - Mitteln das Ziel verfolgt, den Zuschauer betroffen zu machen.

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