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    Dora - Flucht in die Musik
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    Richard Sorg
    Richard Sorg

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    5,0
    Veröffentlicht am 22. November 2022
    Ein sehr eindrucksvoller Film, der zurecht das Prädikat "besonders wertvoll" trägt. Eindrucksvoll, denn er taucht ein in eine Epoche, die sich im Individuellen der Biographie der Komponistin Dora Pejačević niederschlägt. Einer Biographie, die das Gesellschaftliche, die Unterdrückung der Frauen über die Klassenzusammenhänge hinweg in einer patriarchalen Gesellschaft, Schicht für Schicht herauspräpariert hat.

    Die Musik komponierender Frauen hatte es lange Zeit bekanntlich schwer, überhaupt aufgeführt zu werden, gar Eingang in die Musikgeschichtsschreibung zu finden. Erst in den letzten Jahren beginnen sich immer noch relativ spärliche Veränderungen abzuzeichnen. Vor diesem Hintergrund ist auch die Motivation zu dem Film „Dora – Flucht in die Musik“ zu sehen. Es geht um die hierzulande – anders als in ihrem Herkunftsland - weitgehend unbekannte kroatische Komponistin Dora Pejačević (1885-1923).

    Die Pianistin Kyra Steckeweh und der Filmemacher Tim van Beveren haben zu dieser Musikerin intensiv recherchiert und die Ergebnisse in einem eindrucksvollen Film umgesetzt. Dieser zeichnet nicht nur die Biographie von Dora Pejačević nach, eingebettet in die Zeit der Habsburger Monarchie vor der Jahrhundertwende und bis zum Beginn der 1920er Jahre, sondern bringt auch ihre weithin unbekannte Musik zum Erklingen, vor allem ihre Klaviersonate b-Moll, Op. 36 und ihre Symphonie fis-Moll, Op 41.

    Bemerkenswert ist der Film, weil er zeigt, wie sich im Individuellen ihrer Biographie das Allgemeine, das Gesellschaftliche ihrer Zeit niederschlug: die Unterdrückung der Frauen in einer patriarchalen Gesellschaft über die bestehenden Klassenzusammenhänge hinweg – denn Dora Pejačević gehörte zum Adel. Wie stark die patriarchalen Prägungen auch bei ansonsten anerkannten Geistesgrößen wie z.B. Karl Kraus anzutreffen waren, wird nicht verschwiegen. Das Widerständige dieser Frau haben wir immerhin als eine Art Flaschenpost in ihrer Musik.

    Erhellend sind die Kommentare der drei Expertinnen, die das Wirken der Komponistin fachlich und auch politisch einordnen: die kroatische Musikwissenschaftlerin und Biographin Koraljka Kos, die Hamburger Musikwissenschaftlerin Beatrix Borchard und die Kulturwissenschaftlerin Jutta Heise.

    Was die zeitgeschichtliche Einbettung der Biographie von Dora Pejačević betrifft, so wurden dem Film Erinnerungen von Stefan Zweig aus seinem Werk „Die Welt von Gestern“ zugrunde gelegt. In dieser Darstellung, die bis zum Ende des Habsburger Reiches am Ende des 1. Weltkriegs reicht, werden dann die Umbrüche und revolutionären Versuche unmittelbar nach dem Kriegsende nicht weiter vertieft, etwa die – gescheiterten – revolutionären Versuche in Ungarn wie auch in Österreich. Für die Biographie von Dora Pejačević waren diese nicht unerheblich, etwa im Blick auf die Stellung ihrer Klasse, die des Adels. Dies offenbart sie dann selbst in einem im Film zitierten Brief an eine enge Freundin.

    Von einiger Tragik ist die Situation am Ende ihres Lebens: Sie heiratete für damalige Verhältnisse sehr spät, und zwar den Bruder ihrer engsten Freundin, mit der sie wahrscheinlich eine lesbische Beziehung verband. Der Bruder war Berufssoldat. Sie starb 1923 an den Folgen der Geburt ihres Kindes an Blutvergiftung. Ihren Tod vorausahnend hatte sie ihren Mann vergeblich gebeten, das Kind nicht ihrer Mutter sondern in die Obhut ihrer früheren Freundin zu geben, wenn er sich neu verheiraten wolle. Er möge dem Kind, gleich ob Junge oder Mädchen, alle Freiheiten geben, dessen es für seine Entwicklung bedürfe. Sie habe sie nicht gehabt.

    Der Film zeichnet detailliert nach, wie Dora Pejačević gegen die zeitbedingten patriarchalen Einschränkungen gekämpft und dabei immer wieder auch kleinere oder größere Freiheitsräume für sich eroberte. Dies gegen große Widerstände der Zeit, ihrer Klasse bis hin zu ihrer Mutter.

    Was ihre Musik betrifft, so hatte sie immerhin auch eine Symphonie komponiert, wiewohl Frauen damals, wenn überhaupt, dann eher die ‚kleineren‘ Formen (z.B. Klavierwerke) zugestanden wurden.

    Immerhin gelang es auf Initiative der FilmemacherIn, ihre Symphonie Anfang 2022 mit dem Gewandhausorchester in Leipzig zur Aufführung zu bringen und so einen ursprünglichen Plan der Komponistin von 1922 umzusetzen.

    Bewegend deutlich wird, mit welchen Schwierigkeiten eine komponierende Frau bis weit ins 20. Jahrhundert hinein zu kämpfen hatte – gegen ihre Zeit, ihre Klasse und auch ihre engste Familie. Das alles in eindrucksvollen Bildern und Quellen aus dem Nachlass der Komponistin nachempfinden zu können, macht eine der besonderen Stärken dieses Films aus.
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