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    It Lives Inside
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    It Lives Inside

    Der Dämon aus der Flasche

    Von Lutz Granert

    Etwa 4,5 Millionen Menschen mit indischen Wurzeln leben in den USA, wie ein Zensus aus dem Jahr 2021 ergab. Trotzdem haben nur wenige von ihnen den Sprung nach Hollywood geschafft: Neben dem immer häufiger auf seine Plottwists reduzierten M. Night Shyamalan („Knock At The Cabin“) war es vor allem Tarsem Singh, der nach zahlreichen Engagements für Musikvideos mit Stilorgien wie „The Fall“ oder „Krieg der Götter“ Karriere im US-Filmgeschäft machte. Ihre eigene kulturelle Identität spielte in diesen Filmen jedoch kaum eine Rolle.

    Ganz anders nun bei Bishal Dutta, der zusammen mit seiner Familie im Alter von vier Jahren erst nach Kanada, dann in die USA emigrierte. In seinem bereits auf zahlreichen Genre-Festivals erfolgreich gelaufenem Debüt „It Lives Inside“, einem Horror-Thriller mit Coming-of-Age-Elementen, rückt er ganz bewusst die hinduistische Mythologie und indische Bräuche in den Fokus – was den reißbrettartig wirkenden Dämonen-Plot spürbar aufwertet, selbst wenn der visuelle Stil zumindest gewöhnungsbedürftig anmutet.

    Samidha (Megan Suri) will eigentlich nur eine ganz „normale“ amerikanische High-School-Schülerin sein – wird dann aber von ihren kulturellen Wurzeln in Form eines seelenverspeisenden Dämons heimgesucht!

    Samidha (Megan Suri) – oder kurz: Sam – stammt zwar aus einem traditionellen indischen Elternhaus, hat sich aber an die liberale Lebensart ihrer Klassenkamerad*innen auf einer amerikanischen Highschool angepasst. Der sportliche Russ (Gage Marsh) hat schon lange ein Auge auf Sam geworfen, die von ihrer Lehrerin (Betty Gabriel) den Auftrag bekommt, sich doch etwa um ihre ehemals beste Freundin Tamira (Mohana Krishnan) zu kümmern.

    Die ebenfalls aus Indien stammende Schülerin hat offenbar eine Angststörung entwickelt, die mit dem rätselhaften Inhalt eines Glases zu tun hat, das sie ständig mit sich herumträgt.. Bei einer Aussprache der Mädchen geht das Gefäß zu Bruch – und der darin gefangene Dämon Pishach entweicht. Der Geist hat nicht nur einen Heißhunger auf (Menschen-)Fleisch, sondern es fortan auch auf die Seele von Samidha abgesehen…

    Aus dem eigenen Leben gegriffen

    Als kleiner Junge erfuhr Bishal Dutta, dass sich sein Großvater von einem aus einer zerbrochenen Flasche entwichenen Geist verfolgt fühlte. Diese Erzählung und noch viele weitere autobiografische Elemente rund um das Ringen mit der eigenen kulturellen Identität ließ der Filmemacher in sein Drehbuch zu „It Lives Inside“ einfließen. Diese innere Zerrissenheit ist auch in der Hauptfigur immer wieder spürbar:

    Schon in den ersten Filmminuten rasiert sich Samidha ihre dunkel behaarten Arme und verweigert gegenüber ihrer Mutter sowohl das Sprechen auf Hindi als auch ihre Hilfe bei der Zubereitung der Prasad (Opferspeisen) für das Durga Puja (ein Fest zu Ehren der Göttin Durga). Megan Suri, bekannt vor allem aus der Coming-Of-Age-Serie „Noch nie in meinem Leben…“ auf Netflix, verkörpert die ebenso verunsicherte wie anpackende Teenagerin souverän und in all ihren Widersprüchen authentisch.

    Es gibt tatsächlich allen Grund, sich zu Tode zu fürchten!

    Das Festhalten an indischen Traditionen trifft auf jugendlichen Freiheitsdrang inklusive ersten Annäherungsversuchen mit dem anderen Geschlecht: Man kann deshalb kaum anders, als den versehentlich freigelassenen Geist auch als Metapher zu verstehen. Dutta spielt mit vielen Symbolen und Andeutungen, weiß aber um die Funktionsmechanismen des Horrorgenres:

    Das Grauen ist immer dann besonders effektiv, wenn es nur angedeutet wird – weshalb „It Lives Inside“ nie dem Blutrausch verfällt und der Pishach lange Zeit im „Tarnkappenmodus“ wütet. Wenn eines seiner Opfer auf einer zur tödlichen Gefahr werdenden Kinderschaukel vom zunächst unsichtbaren Dämon durch die Luft gewirbelt wird, weckt das direkt Assoziationen an „Nightmare - Mörderische Träume“ – einen jener US-Horrorfilme, mit denen auch Dutta nach eigenem Bekunden in früher Kindheit sozialisiert wurde.

    Auffälliger Insta-Filter

    Dieser Schaukelszene in der Mitte des Films kommt jedoch auch noch aus anderem Grund eine auffällige Bedeutung zu – sie ist nämlich eine von wenigen Sequenzen, die gut ausgeleuchtet sind. Selbst bei Gesprächen auf dem Schulflur oder bei Diskussionen am heimischen Esstisch: Dunkelheit dominiert die Szenerie, wobei das Stilmittel irgendwann auch einfach frustriert. Besonders im finalen Duell gerät es zum Ärgernis:

    Wenn Samidha und Tamira bei arg gedimmten Licht und noch dazu unter dicker Rotblende gegen den nun sichtbaren Dämon antreten, ist ob der Schummrigkeit hin und wieder Rätselraten um die tatsächlichen Geschehnisse angesagt. Dazu passt, dass die konkreten Motive des Pishachs sowie seine spezifische Verortung in der hinduistischen Mythologie – man verzeihe das Wortspiel – ebenfalls weitestgehend im Dunkeln bleiben.

    Fazit: Bishal Dutta setzt auf indische Folklore, um dem Dämonen-Genre noch frische Seiten abzugewinnen. Das funktioniert auch weitestgehend ziemlich gut, selbst wenn die Bilder oft doch arg dunkel und schummrig geraten sind.

     

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