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    Flucht in Ketten
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Flucht in Ketten
    Von René Malgo

    Mit „Flucht in Ketten“ gelang Regisseur Stanley Kramer (Das Urteil von Nürnberg) ein bemerkenswertes Abenteuerdrama, das trotz seiner einfach gestrickten Geschichte, dank zweier ausgezeichneter Hauptdarsteller nachhaltig in Erinnerung bleiben kann.

    Während eines Gefangenentransports geraten die zwei aneinander geketteten Sträflinge John Jackson (Tony Curtis), genannt Joker, und Noah Cullen (Sidney Poitier) aneinander. Daraufhin verunglückt der Laster, sie können fliehen. Sheriff Muller (Theodore Bikel) eröffnet die Jagd auf beiden. Er ist überzeugt, dass er sie bald wird fangen können, denn die beiden Männer können sich nicht ausstehen. Um voran zu kommen, müssen der Farbige und der Weiße ihre Differenzen und rassistischen Vorurteile überwinden…

    Die Story ist einfach und relativ vorhersehbar gehalten. Gute Einfälle und stimmige Details halten aber ein gewisses Niveau aufrecht. Die Dialogschreiber haben ganze Arbeit geleistet und so bleibt „Flucht in Ketten“ stets spannend. Actionszenen sind eher rar gesät und trotz der Gesamtkürze lässt sich „Flucht in Ketten“ für die Ausarbeitung verschiedener Szenen viel Zeit. Regisseur Kramer konzentriert sich auf die beiden Protagonisten und ihr Zusammenspiel. Da liegt die große Stärke des sicher inszenierten Abenteuerdramas.

    Tony Curtis und Sidney Poitier sind zwei Häftlinge, die sich für ihre Flucht zusammenzuraufen haben. Sie mögen sich nicht, doch die gemeinsame Flucht bringt beide natürlich buchstäblich näher. Beide stellen ihre Charaktermerkmale- und Wandlungen glaubhaft dar. Da macht die Vorhersehbarkeit des Ganzen - die obligate Auseinandersetzung, das Zusammenraufen und die abschließende Freundschaft – auch nichts. Für das Publikum ist es eine Freude, den zweien zuzusehen. Unweigerlich fiebert der Betrachter mit ihnen mit und kann sich, dank scharfsinniger Dialoge auch mit und über sie lachen.

    Als Kommentar zum Thema Rassismus und Vorurteile kommt „Flucht in Ketten“ einige Bedeutung zu. Diese schlägt sich in neun gerechtfertigten Oscarnominierungen nieder. Zwei davon gewann „Flucht in Ketten“: Nedrick Young und Harold Jacob Smith für das beste Drehbuch und Sam Leavitt für die beste Kamera (Schwarz-Weiß). Der Drehbuchoscar ist sicherlich auf die gelungenen Dialoge und den deutlichen Aufruf gegen Rassismus zurückzuführen. Noch immer hat ein Film wie „Flucht in Ketten“ seine Daseinsberechtigung, wobei das Werk seinerzeit natürlich aktueller und vor allem brisanter gewirkt hat. Davon abgesehen funktioniert „Flucht in Ketten“ ohne jegliche Abstriche als spannender Abenteuerfilm mit hohem Anspruchsgehalt.

    Die weiteren Oscarnominierungen zeigen auf, wo die (vielen) Stärken von „Flucht in Ketten“ liegen: Gleich zwei gab es für den besten Hauptdarsteller: Sidney Poitier und Tony Curtis. Zu dumm, dass beide eine grandiose Performance dargeboten haben. So brachten sie sich durch ihre großartige Leistung gegenseitig um den Award. Cara Williams bekam eine Nominierung als beste Nebendarstellerin. In ihrer Rolle als namenslose, von Einsamkeit zerfressene und verzweifelte Frau liefert sie auch tatsächlich einen einprägsamen Auftritt. Einen bleibenden Eindruck hinterlässt desgleichen Theodore Bikel als grundehrlicher Sheriff Muller, der sich weigert, aus der Jagd eine Menschenhatz zu machen. Der Lohn war eine Nomierung als bester Nebendarsteller.

    Stanley Kramer wurde für die beste Regie und Frederic Knudtson für den besten Schnitt nominiert. Zusammen mit dem gewonnenen Oscar für die beste Kamera sprechen diese Awards deutlich für die hohe inszenatorische Qualität des Films. Diese ist denn auch absolut perfekt und so profitiert „Flucht in Ketten“ unter anderem auch von einer sehr dichten Atmosphäre.

    Die letzte Nominierung geht an die Produzenten für den besten Film des Jahres. Da das Musical „Gigi“ jenen Award heimholte, wurde „Flucht in Ketten“ unter anderem auch deshalb mit dem Drehbuchoscar abgespeist. Eine gängige Vorgehensweise bei der Academy. Darüber und über den Vorzug von „Gigi“ kann trefflich gestritten werden. Wer ihn mehr verdient gehabt hätte, sei mal dahingestellt, „Flucht in Ketten“ gehört auf jeden Fall zu den besten und wichtigsten Filmen der 50er Jahre. Ein Werk, dessen Ansicht sich lohnt. Übrigens, mit Vertigo und dem umstrittenen Antikriegsdrama „Die jungen Löwen“ waren in jenem Jahr ohnehin zwei Meisterwerke nicht mal für den besten Film nominiert…

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