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    Lushins Verteidigung
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Lushins Verteidigung
    Von David Bergmann

    Ohne die wunderschönen Bilder, die traumhaften Kostüme und die herrliche Ausstattung und ohne solch schauspielerische Leistungen wie die von John Turturro ... „Lushins Verteidigung“ wäre nicht zu ertragen. Die wahre Tragik dieses tragischen Dramas liegt in der inhaltlichen Einfältigkeit und dem ausdauernden Füllen klaffender Lücken mit kitschigen Klischees.

    Der exzentrische Alexander Lushin (John Turturro) begann bereits in jungen Jahren mit dem Schachspielen und war auf Anhieb in der Lage, seinen Vater (Mark Tandy) zu schlagen. Auf Grund des zerrütteten Familienverhältnisses - seine Eltern standen kurz vor der Scheidung, Lushins Vater betrog seine Frau (Kelly Hunter) mit deren Schwester Anna (Orla Brady) - wurde das Spiel eine Ersatzwelt für ihn; er nahm an Turnieren teil und spielte in Kneipen. Doch bereits damals diagnostizierten die Ärzte, dass ihm das exzessive Spielen nicht bekäme; es schädige massiv seine Gesundheit. Nach dem Selbstmord der Mutter nahm sich schließlich der bekannte Schachspieler Valentinov (Stuart Wilson) seiner an und zog mit ihm durch die Lande. Was weder Lushin noch sein Vater wissen konnten: Valentinov würde Lushin gnadenlos ausnutzen und noch während seiner ersten Formschwäche verstoßen. Doch Alexander kam allein zurecht, ist inzwischen weltbekannt und nimmt im Jahre 1929 an einem Schachturnier in Italien teil. Zur gleichen Zeit macht die Familie von Natalia (Emily Watson) im gleichen Ort Urlaub. Lushin verliebt sich sofort in sie, hält um ihre Hand an und gewinnt mit seiner wirrköpfigen Art sogar ihr Herz. Natalias Eltern aber wollen sie mit dem mondänen Comte Jean de Stassard (Christopher Thompson) verheiraten. Doch Alexander entdeckt nicht nur die ihm völlig fremde der Welt der Liebe für sich; das Schachturnier wird für ihn lebensgefährlich als plötzlich sein alter Mentor auftaucht ...

    „Lushins Verteidigung“ erinnert unweigerlich an „A Beautiful Mind“; beide Filme zeichnen die Geschichte von introvertierten Genies. Und erst während man beide vergleicht, fällt auf, auf welch vorgefertigten Pfaden sich derartige Filme oftmals bewegen. Einem klassischen Außenseiter setzt man am besten eine Frau vor, in die er sich verlieben kann; das schafft Konflikte. Wenn man ihm dann noch seine Leidenschaft wegnehmen möchte, weil sie zu gefährlich für ihn ist, scheint das Skript fertiggestellt.

    Traurig aber wahr. Während „A Beautiful Mind“ wenigstens so manchem Charakter Tiefe gab und mit dem Handlungsverlauf spielte, macht sich das neueste Werk von Regisseurin Marleen Gorris nicht die Mühe, über die vorgefertigten Handlungsstränge dieses Konzepts hinauszukommen. Das gleiche gilt für die Charaktere dieses einschichtigen Dramas, die bis auf Hauptfigur Lushin nahezu eindimensional daherkommen. So liebt Natalia Alexander, weil er anders ist als all die aalglatten Profilneurosen, auf die sie sonst trifft; eine weitere Funktion hat sie nicht. Ihre prestige-bedachte Mutter wiederum ist strikt gegen die Heirat, während ihr Vater den klassischen Gegenpol verkörpert, dem das Ganze letztendlich egal ist und der sich nicht kategorisch gegen seine Tochter stellen möchte. Ebenso farblos ließe sich das Bild der Charaktere fortsetzen, explizit erwähnen möchte ich jedoch Lushins Erzfeind: Seinen früheren Mentor Valentinov. Er verstößt Alexander, kaum dass dieser kurzzeitig einige Spiele verliert, er gönnt ihm nicht den Sieg beim aktuellen Turnier und er quält ihn sogar dann, wenn Alexander schon am Boden ist; ein absolut hinterhältiger Charakter, der keine Sympathien auf sich ziehen kann; problematisch ist diese Darstellung, weil der Zuschauer nicht erfährt, welche Beweggründe Valentinov antreiben könnten; das macht die Figur ebenso unglaubwürdig und uninteressant wie alle anderen.

    Nicht in der Belanglosigkeit versinken sollte dagegen die Darstellung des Schachspiels. Hier geht Alexander auf, hier spielt sich sein Leben ab. Und so sind die - recht wenigen - gezeigten Spiele auch für Laien interessant und spannend; unsäglich hingegen ist die später bildhaft gezogene Analogie zwischen Lushins Erfolg und Misserfolg auf dem königlichen Spielfeld und dem physischen Liebesleben zwischen ihm und Natalia ... aber wenigstens eigenständig.

    Im Gegenzug zu flachen Charakteren und einer linear verlaufenden Handlung bietet „Lushins Verteidigung“ wunderschöne Landschaftsaufnahmen aus dem verschneiten Russland und dem sonnigen Italien, prunkvolle Schlösser und exquisite Kulissen. Kameramann Bernard Lutic fängt all diese optische Pracht in wunderbaren Bildern ein, sodass der Film gänzlich unerwartet noch zu einem gelungenen Ausstattungsfilmchen wird und den Zuschauer durch seine authentische Atmosphäre in den Bann ziehen kann. Die Schauspieler - allen voran John Turturro, der aus der verquasten Figur des introvertierten Schachgenies das bestmögliche macht - geben ihr Übriges, um „Lushins Verteidigung“ noch auf ein Niveau zu heben, das nicht viel mehr als durchschnittlich ist.

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