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    Der dunkle Kristall
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Der dunkle Kristall
    Von Christopher Dröge

    Man kann vom Siegeszug des Computers in der Tricktechnik halten was man will, eines dürfte unstreitig sein: Er hat das Making-Of, diesen einst so verstohlenen und aufregenden Blick in die Trickkiste, zu einer eher drögen Angelegenheit gemacht. Schauspieler, die in Strampelanzügen vor Green Screens herumalbern, oder Drahtgittermodelle, die an Bildschirmen gerendert werden, sehen nun mal immer gleich aus, egal, was letztendlich für eine glitzernde Oberfläche darüber gestülpt wird. Vor der digitalen Revolution war das noch anders, etwa 1982 bei Frank Oz und Jim Hensons "Der dunkle Kristall". Mit diesem Fantasy-Film ließ Henson die Muppets hinter sich und wandte sich einem epischeren, düsteren Stoff zu. Und dazu gibt es so viel zu erzählen, dass die Making-Of Dokumentation "The World of the Dark Crystal" (zu finden auf der DVD) fast genauso lang und faszinierend ist wie der Film selbst.

    Auf einem weit entfernten Planeten bahnt sich eine kosmische Katastrophe an: Die Große Konjunktion, bei der die drei Sonnen, um die der Planet kreist, eine Linie bilden und magische Kräfte entfesseln. Als sich dieses Phänomen vor tausend Jahren das letzte Mal ereignete, zerbrach der Dunkle Kristall – dessen Ursprung oder eigentlicher Zweck im Dunkeln bleibt. Gleichzeitig erschienen zwei neue Rassen auf der ohnehin schon dicht bevölkerten Welt: Die tyrannischen, verschlagenen Skekse, die die Herrschaft über den Planeten an sich gerissen haben, und die weisen, friedfertigen Urus, die ihr Leben in Meditation verbringen. Bei ihnen lebt Jen, der letzte überlebende Gelfling. Seine Rasse wurde von den Skeksen ausgelöscht, da einer Prophezeiung zufolge ein Gelfling ihrer Herrschaft ein Ende setzen wird. Tatsächlich halten die Urus die Zeit für die Erfüllung der Prophezeiung für gekommen: Sie schicken Jen auf die Suche nach dem Splitter des dunklen Kristalls, mit dem dieser wieder hergestellt werden kann. Auf seinem Weg durch die Wildnis zum Schloss der Skekse begegnet Jen jeder Menge bizarrer Geschöpfe, Gefahren, aber auch neuen Freunden, wie z. B. Kira – ein Gelfling-Mädchen, das ebenfalls überlebt hat.

    Die Zusammenfassung lässt ahnen, dass die der Geschichte zugrunde liegende Mythologie deutlich komplexer ist, als der eigentliche Plot. Der erschöpft sich in der für das Fantasy Genre üblichen Heldenreise und dem altbekannten Kampf zwischen Gut und Böse. Zwar erfährt dieser Kampf hier eine ungewöhnliche Auflösung, da das Gute nicht einfach gewinnt, sondern beide Seiten miteinander verschmelzen. Dennoch bleibt die Geschichte hauchdünn, und vor allem sollte man nicht allzu genau nachfragen, wer hier was und warum macht.

    Doch die Qualitäten des Films liegen auf anderer Ebene. Jim Henson selbst gab unumwunden zu, dass die Geschichte eher notwendiger Rahmen war und Hauptaugenmerk der Filmemacher auf der Erschaffung einer eigenen, originellen Welt lag. Und In diesem Sinne waren sie mehr als erfolgreich: Basierend auf den Entwürfen des Fantasy-Illustrators Brian Froud, entsteht eine lebensechte, vielschichtige Welt, die ohne menschliche Darsteller auskommt. Henson zeigt dabei sein ausgeprägtes visuelles Gespür, indem er in vielen, mit großartigen Matte Paintings unterstützten Panoramen die weiten Landschaften des fremden Planeten in Szene setzt. Gleichzeitig sind die Bilder von einer bemerkenswerten Detailfülle, so im Hintergrund auch beim wiederholten Sehen immer noch Neues zu entdecken ist.

    Doch im Vordergrund stehen die vielfältigen Puppen, bei denen die Spieler mit ganzem Körpereinsatz erstaunliches vollbringen. Die offensichtliche Verwandtschaft zu den Muppets ist nach wenigen Minuten vergessen, schnell entwickeln sich die Stockpuppen und animatronischen Köpfe zu lebendigen, vielschichtigen Charakteren. Besonders gelungene Kreationen sind dabei der intrigante Kammerherr der Skekse und die trollartige Wahrsagerin Aughra, die mehr als eine Charaktereigenschaft mit Miss Piggy teilt. Einziger Wermutstropfen sind ausgerechnet die Puppen der Hauptfiguren, die am wenigsten überzeugen. Mit ihren steifen Gesichtern bleiben die menschenähnlichen Gelflinge das, was sie sind: Puppen. Vielleicht auch ein Grund, warum Jim Henson und Frank Oz bei ihrem Nachfolgeprojekt "Die Reise ins Labyrinth" ihren Fabelwesen wieder menschliche Mitspieler an die Seite stellten.

    Fazit: Als erster, und bislang wohl auch einziger Live-Action-Film ohne menschliche Darsteller bleibt "Der dunkle Kristall" bis heute eine Ausnahmeerscheinung. Wer sich an der generischen Fantasy-Handlung nicht stößt, wird mit einem opulenten visuellen Ereignis belohnt, das eine Mannschaftsleistung einer ganzen Kompanie hochbegabter Künstler ist.

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