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    Hulk
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Hulk
    Von Jürgen Armbruster

    Wir schreiben das Jahr 1962. Stan Lee hatte gerade im Auftrag von Marvel "Die fantastischen Vier" und "Spider-Man" erschaffen. Nun war er auf der Suche nach einer neuen Idee. Dabei muss ihm ganz offensichtlich Robert Louis Stevensons Roman „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ in die Hände gekommen sein. Schnell ein paar kleine Variationen an Stevensons Geschichte vorgenommen, das Ganze in ein zeitgemäßes Kostüm gepackt und schon war Lees neueste Kreation „The Incredible Hulk“ geboren. Zwar wurde dieser Zusammenhang nie offiziell bestätigt, aber anders lassen sich all die deutlichen Parallelen zwischen Stevensons Kultgeschichte und Lees Comic-Kreation nicht erklären. Obwohl sich Lee in diesem Fall ganz klar den Vorwurf des Plagiats gefallen lassen muss, begann eine Erfolgsgeschichte, die ihres gleichen sucht. Noch heute, über 40 Jahre nach der Veröffentlichung des ersten Hulk-Comics, erscheinen neue Geschichten vom Mann mit den Selbstbeherrschungsproblemen, der bei Wutanfällen oder Stress zum grünen Monster mutiert. Es war daher nur eine Frage der Zeit, wann bei der momentanen Flut an Comic-Verfilmungen mit einer Umsetzung des „Kolosses“ (die Übersetzung des Wortes „Hulk“ aus dem Englischen) zu rechnen war. Und die Hoffnungen auf einen Film, der sich angenehm von der breiten Masse abhebt, waren groß, schließlich wurde kein geringerer als Asiens Regieass Ang Lee („Tiger und Dragon") mit der Inszenierung des Themas betraut.

    Wie bereits erwähnt kann „The Incredible Hulk“ auf eine lange und erfolgreiche Geschichte zurückblicken. Neben der jahrzehntelangen Comicgeschichte und den fast schon obligatorischen Zeichentrickfilmen ist insbesondere die TV-Serie aus den Jahren 1977 bis 1982 erwähnenswert. Der US-Sender CBS erwarb Mitte der 70er die Rechte von Marvel und beauftragte Kenneth Johnson, der sich durch seine Arbeit an der Kultserie „Der Sechs-Millionen-Dollar-Mann“ einen Namen machte, ein Konzept zur Umsetzung des Comics zu erarbeiten. Johnson machte sich an die Arbeit und nahm schlussendlich einige gravierende Änderungen am ihm vorliegendem Stoff vor, manche ohne nachvollziehbaren Grund, andere weil sie unvermeidbar waren. Seine erste Entscheidung war es, den Vornamen von Bruce Banner in David zu ändern. Einfach so, nur weil er die immer wiederkehrenden Alliterationen in den Namen von Marvels Comic-Helden (Peter Parker, Matt Murdock, Lana Lang usw.) leid wahr. Die zweite große Änderung war die Art und Weise, wie aus dem Wissenschaftler der Hulk wurde. Der Comic entstand während der Blütezeit des Kalten Krieges. Die Weltbevölkerung lebt in Angst vor der drohenden Katastrophe, die ein Krieg der Weltmächte USA und Russland mit atomaren Waffen anrichten könnte. Dieses Element floss stark in Lees Comic mit ein. Sein Bruce Banner war Wissenschaftler beim Militär. Bei einem Test mit einer neuartigen Bombe wurde er durch einen Unfall einer hohen Dosis Gamma-Strahlung ausgesetzt, was seinen genetischen Code mutieren lies. Mitte bis Ende der 70er war der Kalte Krieg kein ernstzunehmendes Thema mehr, die Angst vor einer atomaren Katastrophe quasi nicht mehr existent. Johnson blieb keine andere Möglichkeit, als sich eine neue Idee einfallen zu lassen, sollte die Serie in der Gegenwart spielen und halbwegs glaubwürdig erscheinen. Sein David Banner war zwar nach wie vor Wissenschaftler, allerdings befasste er sich nicht mehr mit der Entwicklung neuer Sprengsätze, sondern mit dem Einfluss von Gamma-Strahlung auf den menschlichen Körper. In einem Selbstversuch wollte er beweisen, dass durch eben jene Gamma-Strahlung die Kräfte des Menschen um ein Vielfaches gesteigert werden können. Das Experiment ging schief – der Hulk war geboren. Nach einem kurzen Aufschrei der Entrüstung akzeptierten selbst die eingefleischtesten Comic-Anhänger die von Johnson vorgenommenen Veränderungen. Erst nach der fünften Staffel und drei TV-Filmen im abendfüllendem Format wurde die Serie zum Bedauern vieler eingestellt. Im Vorfeld des nun anstehenden Kinofilms wurde heftig spekuliert, auf welche der beiden vorhandenen Versionen Ang Lee und Drehbuchautor James Schamus zurückgreifen würden. Die überraschende Antwort: Beide und doch keine. Beginnen wir an dieser Stelle jedoch zuerst mit der Vorstellung der handlungstragenden Charaktere und deren Beziehung untereinander. Als da wären…

    …der Held: Bruce Banner (Eric Bana) führt eigentlich ein recht unscheinbares Leben. Er ist ruhig, besonnen und hoch intelligent. So normal wie es scheint ist sein Dasein dann doch nicht. Seine leiblichen Eltern hat Bruce nie kennen gelernt, an seine Kindheit kann er sich so gut wie gar nicht erinnern. Die Arbeit steht für den jungen Strahlenwissenschaftler über allem anderen. Zusammen mit seinem Team experimentiert er mit Gamma-Strahlung und deren Einfluss auf lebende Organismen. Eines Tages geht eines ihrer Experimente schief und Bruce wird durch einen Unfall einer eigentlich tödlichen Dosis Gamma-Strahlung ausgesetzt. Er überlebt jedoch unverletzt und fühlt sich stärker und besser denn je. Doch seitdem geschieht seltsames. Albträume plagen ihn, er wacht mit völlig zerrissener Kleidung auf, Gedächtnislücken – irgendetwas ist bei dem Unfall mit ihm geschehen. Oder wurde nur etwas in ihm freigesetzt, das schon immer tief in seinem Innersten schlummerte? Als ob dies nicht schon schlimm genug wäre, ist da noch dieser Mann, der ihn seit neuestem auf Schritt und Tritt zu verfolgen scheint.

    …der Vater des Helden: Jener Mann entpuppt sich schnell als Dr. David Banner (Nick Nolte), Bruce’ Vater (man beachte die Vornamen!). Wie der Zuschauer gleich zu Beginn des Films erfährt, war er als Wissenschaftler für das US-Militär tätig. Seine Aufgabe bestand darin, Mittel und Wege zu finden, um den menschlichen Körper durch Genmanipulation leistungsfähiger zu machen. Eines Tages wurde er angewiesen seine Arbeiten unverzüglich einzustellen. Sie seien zu riskant und zu unmoralisch. Besessen von seinem Schaffen führte er seine Experimente im Verborgenen weiter. Dabei kannte keine Grenzen und missbrauchte soger seinen einzigen Sohn Bruce als Versuchskaninchen. Der Leiter der Militärbasis kam seinem Treiben auf die Schliche und inhaftierte ihn. Da die Experimente an Bruce scheinbar keine Spuren hinterlassen hatten, wurde er an eine Adoptivfamilie weitergegeben. Als Bruce beim Unfall jedoch der Gamma-Strahlung ausgesetzt wurde, wurden die in ihm verborgenen Kräfte aktiviert. Fortan mutiert Bruce – zunächst unwissend was mit ihm geschieht – immer, wenn er wütend wird oder hohem Stress ausgesetzt ist zum „Hulk“, einem grünen, scheinbar unverwundbaren Koloss mit übermenschlichen Kräften.

    …die Geliebte: Jeder Hollywood-Film, der auch nur halbwegs etwas auf sich hält, benötigt eine charismatische, hübsche, junge Frau an der Seite des Helden. Eine solche Aktrice darf selbstredend auch in „Hulk“ nicht fehlen. Ihr Name: Elisabeth „Betty“ Ross (Jennifer Connelly). Sie ist Mitglied von Bruce’ Forschungsgruppe und dessen ehemalige Geliebte. Mittlerweile sind die beiden jedoch nur noch Kollegen und gute Freunde. Allerdings liebt Bruce sie noch immer, was besonders deutlich wird, wenn er zum Hulk mutiert. Nach seiner Mutation verfügt er nicht mehr über seine ursprüngliche Intelligenz. Vielmehr ist er von seinen Instinkten und Gefühlen geleitet. Und eben jene Gefühle führen dazu, dass er alles daran setzt, Betty zu beschützen und sie die einzige Person ist, die ihn wieder beruhigen kann.

    …der Vater der Geliebten: Besonders brisant ist Bettys Familienverhältnis. Ihr Vater ist General Thaddeus Ross (Sam Elliott). Er war der Leiter der Militärbasis in der David Banner seine Experimente durchführte und derjenige, der ihn letztlich verhaften lies. Doch damit ist seine Rolle in diesem Film noch lange nicht beendet. Er wird damit beauftragt, den Hulk zu finden und die Zivilbevölkerung um jeden Preis vor ihm zu schützen. Auch wenn zunächst alles darauf hindeutet, dass Genreal Ross neben David Banner der zweite Bösewicht des Films zu sein scheit, ist dem nicht so. Diese Rolle kommt einem anderen zu.

    …der Fiesling: Glen Talbot (Josh Lucas) ist Wissenschafter für das US-Militär. Er ist in die Forschungsergebnisse von David Banner eingeweiht und erforschrt derzeit ebenso wie das Team von Bruce und Betty wie Wirkung von Gamma-Strahlung. Darüber hinaus hat er ein Auge auf Betty geworfen und möchte sie gerne für sein eigenes Team gewinnen. Bruce und er sind sich von der ersten Sekunde an unsympathisch und erbitterte Rivalen. Leider ist Glen der Erste, der hinter Bruce’ dunkles Geheimnis kommt. Es versteht sich von selbst, dass dies für ihn ein gefundenes Fressen ist. Er sieht in Bruce nicht mehr den Menschen, sondern einzig und allein den Hulk, das Monster, das es um jeden Preis und ohne Rücksicht auf Verluste zu erforschen und letztendlich zu vernichten gilt.

    Wer nun laut aufschreit und der Meinung ist, bei „Hulk“ handelt es sich um eine simpel gestrickte, vorhersehbare Geschichte hat zweifelsohne Recht. Doch war dies bei „Spider-Man" anders? Bei der Beurteilung der Stroyline muss berücksichtigt werden, dass es sich hier um eine Comic- und keine John-Irving-Verfilmung handelt. Schamus und Lee muss man jedenfalls hoch anrechnen, dass sie aus den Fehlern ihrer Vorgänger gelernt haben. Bryan Singers „X-Men" krankt beispielsweise daran, dass einfach zu viele Charaktere vorhanden sind und dadurch zwangsläufig einige in den Hintergrund gedrängt und zu Statisten degradiert werden. Der große Schwachpunkt von „Daredevil" war, dass zu wenig Zeit in die Charakterentwicklung investiert und stattdessen gleich zur Action übergegangen wurde. Beides ist bei „Hulk“ nicht der Fall, alles dreht sich um die bereits vorgestellten Charaktere und bis sich Bruce Banner das erste Mal zum Hulk verwandelt vergeht jede Menge Zeit, in der die Schauspieler erst einmal zeigen dürfen, wofür sie überhaupt bezahlt werden. Eric Bana („Black Hawk Down") gefällt insbesondere in den Szenen, in denen er versucht, die sich in ihm aufstauende Wut und Aggresion zu unterdrücken. Auch ansonsten bleibt sein Spiel ohne Schwächen und auf hohem Niveau. Von ihm darf in Zukunft noch einiges erwartet werden. Jennifer Connelly beweißt einmal mehr, dass sie nicht nur verdammt gut aussieht, sondern auch ihr Handwerk versteht. Zwar bietet ihr die Rolle der Betty Ross nicht annähernd die Herausforderung wie in ihr oscarprämierter Auftritt in „A Beautiful Mind", allerdings weiß sie auch hier in jeder Einstellung zu gefallen. Nach seinen Drogen- und Alkoholeskapaden ist dies die erste wirklich große Rolle von Nick Nolte. Aussetzen lässt sich an seiner Leistung nichts. Seine Interpretation des durchgeknallten Wissenschaftlers und Vaters überzeugt. Der Rest des Casts spielt auf solidem Niveau, was von ihm verlangt wurde. Ausfälle nach unten existieren nicht.

    Star des Films sind jedoch nicht die Darsteller aus Fleisch und Blut, sondern der computergenerierte Hulk. Musste in der 70er Jahre TV-Serie noch der Bodybuilder Lou Ferrigno (dem hier eine kleine Nebenrolle gegönnt wurde) die Rolle des grünen Ungetüms übernehmen, so ist die Tricktechnik mittlerweile an einem Punkt angelangt, an dem - ein entsprechendes Budget vorrausgesetzt - keine Grenzen mehr existieren. „Hulk“ bietet ein tricktechnisches Feuerwerk allererster Güte. Autos fliegen im hohen Bogen durch die Landschaft, ein Panzer wird kurzerhand wie beim Hammerwerfen in die Hemisphäre befördert, die abgeschossene Rakete eines Kampfhubschraubers wird mit einer Hand gefangen und Kugeln prallen an seiner nachgebenden, zurückfedernden, lederartigen Haut ab. Doch nicht nur die Kampfsequenzen wissen zu gefallen. Auch die Mimik des Kolosses ist mehr als sehenswert. Zwar wird hier nicht der gleiche Level wie bei Gollum in „Herr der Ringe - Die zwei Türme" erreicht, doch noch vor einigen Jahren wäre einem Charakter, der komplett im Computer entstanden ist, eine solche Leistung nicht zugetraut worden. Erwähnt werden muss noch die Verwandlung von Bruce Banner zum Hulk. Dies ist den Grafikkünstlern perfekt gelungen. Die Haut von Eric Bana läuft langsam grün an, er beginnt zu wachsen, seine Muskeln schwellen an, die Kleidung wird eng und beginnt zu reißen… die gesamte Umwandlung wirkt wie aus einem Guss, auch dank des wunderbaren Score von Danny Elfman. Bei beginnender Verwandlung setzen sakrale Orgeltöne ein, die beim Abschluss scheinbar nahtlos in harte Gitarrenriffs übergehen. Die hier aufkommende Atmosphäre lässt sich kaum toppen!

    Ein weiterer Pluspunkt ist die Inszenierung von Ang Lee. Als bekannt wurde, dass der gebürtige Taiwanese mit der Umsetzung beauftragt wurde, meldeten sich zunächst jede Menge Skeptiker. Zwar ist dem Oscarpreisträger (bester nichtenglischsprachiger Film 2000 für „Tiger und Dragon") die fachliche Kompetenz sicherlich nicht abzusprechen, dennoch war es ungewiss, wie die asiatischen Einflüsse das uramerikanische Projekt beeinflussen. Doch es kann Entwarnung gegeben werden. Zwar wird insbesondere in den Szenen, als der Hulk zu scheinbar nicht enden wollenden Sprüngen ansetzt die Herkunft des Regisseurs all zu deutlich, doch ansonsten ist Ang Lees Kreation von der ersten bis zur letzten Minute eine Hommage an das Comic-Genre. Oftmals wird die Leinwand ähnlich einer Seite in einem Comic in verschiedene Fenster unterteilt. Jedoch sind diese Fenster nicht starr, sondern bewegen sich, wachsen oder schrumpfen. Was sich hier kompliziert anhören mag und für einige fragende Blicke sorgen dürfte, muss man einfach gesehen haben. Das Ergebnis ist über jeden Zweifel erhaben und eine mehr als willkommene, visuelle Abwechslung zur ansonsten vorherrschenden sterilen Einheitsoptik.

    Doch leider bleibt auch „Hulk“ nicht ohne Schwächen. Das Problem liegt hierbei eindeutig in der Figur des Hulk. Wogegen lässt man etwas kämpfen, dem Kanonenkugeln nichts anhaben? Hundertscharen von Soldaten, Panzer und Hubschrauber sind eine Variante, doch der geneigte Zuschauer will eben mehr als nur einen Gegner. Die Antworten, die Schamus und Lee bieten, werden einigen sauer aufstoßen und sind an Kitsch kaum zu überbieten. Eine Idee der Beiden sind von David Banner erschaffene, hulkartige Riesenhunde. Beim besten Willen, aber ein autogroßer, mutierter, zähnefletschender, weißer Riesenpudel ist schon ein selten dämlicher Anblick. Wer nun meint, diese Idee sei nicht mehr zu übertreffen, wird beim finalen Showdown eines besseren belehrt. Wirklich schade, dass durch derartige Patzer eine höhere Bewertung leichtfertig verspielt wurde. Mit ein bisschen mehr Kreativität wäre es durchaus möglich gewesen, dass dem Film der Sprung an die Genrespitze gelingt, aber so thront dort weiterhin Sam Raimis „Spider-Man".

    Trotzdem ist Ang Lee zweifelsohne eine würdige Umsetzung des Kult-Comics geglückt. „Hulk“ ist packendes Popcorn-Kino von der ersten bis zur letzten Minute. Comic-Fans werden ohne Frage an diesem Film nicht vorbei kommen, doch auch alle anderen, die dem Genre für gewöhnlich kritisch gegenüber stehen, sich allerdings für krachende Action begeistern lassen, sollten einen Blick riskieren. Eines sollte man allerdings nicht erwarten: Eine anspruchsvolle, mit überraschenden Wendungen versehene Handlung. Mein Tipp: Hirn ausschalten, zurücklehnen und den Film genießen!

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