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    Ein Haufen verwegener Hunde - Inglorious Bastards
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Ein Haufen verwegener Hunde - Inglorious Bastards
    Von Björn Becher

    Wenn es nach Kultregisseur Quentin Tarantino (Pulp Fiction, Death Proof, Reservoir Dogs) geht, dann ist „Ein Haufen verwegener Hunde – Inglorious Bastards“ einer der besten, weil unterhaltsamsten Kriegsfilme überhaupt. Seine Verehrung für den Film und Regisseur Enzo G. Castellari (Keoma) geht so weit, dass er schon seit rund zehn Jahren an einem Remake arbeitet, und zwei der damaligen Hauptdarsteller für kleine Cameos in eigenen Produktionen engagierte (Bo Svenson in Kill Bill Vol. 2), Fred Williamson in From Dusk Till Dawn). So weit wie Tarantino sollte man vielleicht nicht gehen, denn schließlich ist Castellaris Film in erster Linie Euro-Kult, sprich vor allem auf Action und blutige Einschüsse ausgelegtes Genrekino, welches es natürlich auch schafft, nackte Frauenbrüste mit einem Maschinengewehr zu kombinieren. Der italienische Regisseur verhehlt dabei nie seine klaren Vorbilder, Robert Aldrichs „Das dreckige Dutzend“ und Sam Peckinpahs „Steiner – Das eiserne Kreuz“, löst sich aber trotzdem von den „Vorlagen“ und schafft, da muss man Tarantino vollkommen Recht geben, ein verdammt unterhaltsames Werk. Weit weg von Anspruch und Political Correctness schickt er seine verruchten Helden, die noch heute bei jedem Coolness-Wettbewerb um die vorderen Plätze miteifern könnten, von Actionszene zu Actionszene bis hin zu einem großartigen Finale: Exploitationkino in Reinform und Perfektion.

    Frankreich im Jahr 1944, der Zweite Weltkrieg tobt und die Alliierten sind unter Führung der Amerikaner auf dem Vormarsch im hart umkämpften, besetzten Land. Doch nicht alle Soldaten sind so ehrenvoll, wie man es sich wünscht. Einige sind Halunken, haben sich als Fälscher, Diebe oder sogar Mörder erwiesen. Ein Trupp der amerikanischen Militärpolizei soll einige dieser „Bastarde“ abtransportieren und in ein Lager bringen. Doch unterwegs gibt es einen überraschenden Angriff der deutschen Feinde. Viele Wärter und Häftlinge sterben, doch eine kleine Gruppe der Insassen kann entkommen. Unter Führung von Sergeant Yeager (Bo Svenson) wollen sich die fünf Deserteure gen Schweiz durchschlagen, wo sie sich ein Leben in Freiheit und ohne Krieg erhoffen. Doch unterwegs bergen nicht nur die ganz unterschiedlichen Charaktere innerhalb der Truppe Konfliktpotential, sondern vor allem auch die gefährliche Umgebung, wo sowohl deutsche als auch amerikanische Spähtrupps die Gruppe als Feinde behandeln. Unterwegs schließt sich ihnen noch der deutsche Deserteur Adolf (Raimund Harmstorf) an (der in der deutschen Fassung allerdings Armin heißt). Dieser wird mit viel Misstrauen aufgenommen. Kurze Entspannung bringt eine Gruppe junger Mädchen, die barbusig mit der Truppe im Wasser planscht, zu allem Übel dann aber leider doch Zähne in Form von Maschinengewehren zeigt und schließlich nimmt die Reise eine ganz andere Richtung: Aufgrund einer unglücklichen Verwechslung werden die Flüchtigen von französischen Partisanen für eine Spezialeinheit gehalten, welches auf ein Himmelfahrtskommando gehen soll.

    Diese Story dient natürlich ausschließlich als Vehikel für möglichst viele und große Actionszenen, in denen die Gewehrsalven nur so durch die Luft gejagt werden. Trotzdem hat die Geschichte ihre Stärken. Steht am Anfang noch deutlich die Vorstellung der unterschiedlichen Charaktere im Vordergrund, entwickelt sich dann mit der kleinen Odyssee ein munteres Filmchen, das unterhält und rechtzeitig (nämlich bevor die Reise langweilig zu werden droht) mit dem großen Einsatz gipfelt, der den Weg für den lang gezogenen und fulminanten Showdown bereitet. Obwohl „Ein Haufen verwegener Hunde“ ein Kriegsactionfilm ist, sind hier deutlich auch Einflüsse anderer Genres zu spüren. Die Reise zu Beginn mit den unterschiedlichen Begegnungen erinnert an ein Road Movie, während die zweite Filmhälfte mit den Planungen und schließlich der Ausführungen des Himmelfahrtskommando bisweilen Züge eines Heist-Movies aufweist. Die Spannung wird gerade dann in die Höhe getrieben und ist in der letzten halben Stunde auf einem sehr ansprechenden Niveau.

    Viele ähnliche Genrefilme leiden darunter, dass sich bei Action- und Massenszenen das geringere Budget deutlich zeigt. Eine Skepsis gegenüber „Ein Haufen verwegener Hunde“ ist dahingehend allerdings überflüssig. Denn gerade solche Szenen gehören zu den Prunkstücken. Castellari hat nicht umsonst einen sehr guten Ruf als Actionregisseur, dieser Film trägt nicht unwesentlich dazu bei. Die Stuntmen werden zahlreich durch die Luft gewirbelt und dürfen, oft in Zeitlupe, „schöne Tode sterben“. Die Statisten tummeln sich in den Massenszenen so zahlreich, wie man es sich wünscht und es werden einem nicht immer nur dieselben fünf Gesichter präsentiert.

    Castellari hatte hier das Glück es leichter zu haben als viele seiner Kollegen. Sowohl Kriegsfilme als auch Filme des Regisseurs genossen damals auch im Ausland einen recht guten Ruf, so dass sich die Produzenten sicher sein konnten, einen Großteil der Kosten allein schon durch den Verkauf in zahlreiche andere europäische Länder und in die USA wieder zu bekommen. Weiter garantiert wurde dies durch den internationalen Cast mit dem deutschen „Seewolf“ Raimund Harmstorf, dem Franzosen Michel Constantin, dem schwedisch-stämmigen Ex-Judoka, Ex-Eishockeyspieler und Ex-Nascar-Rennfahrer Bo Svenson sowie B-Movie-Kult-Ikone Fred „The Hammer“ Williamson. Gerade dank Svenson und Williamson war ein Start in den amerikanischen Grindhouse-Kinos garantiert. So stand Castellari auch ein, im Verhältnis zu ähnlichen europäischen und amerikanischen Produktionen, ausreichendes Budget zur Verfügung.

    Dass der Film trotzdem nicht frei war von den typischen Problemen kleinerer B-Movies, beweist eine interessante Anekdote, die sich auch in der endgültigen Fassung niederschlägt. Um alles möglichst realistisch aussehen zu lassen, legte Castellari Wert auf eine authentische Ausstattung. Dazu gehörte die Verwendung von Originalwaffen. Eines Tages tauchten italienische Bürokraten am Set auf und erklärten, dass die Genehmigung für die Benutzung dieser Waffen zurückgezogen wurde und sie nicht mehr eingesetzt werden dürften. Bis das Problem wieder gelöst war, vergingen einige Tage. Doch das eng kalkulierte Budget und die Zeitpläne der internationalen Crew ließen eine mehrtägige Drehunterbrechung nicht zu. Castellari behalf sich mit einem Trick. Er schrieb eine Szene, in welcher die „verwegenen Bastarde“ in ein Schloss, das den deutschen Soldaten als Stützpunkt dient, eindringen, um und ließ sie dort statt Maschinengewehren lautlose Waffen wie eine Schleuder oder Pfeil und Bogen verwenden. Wenn man nun den Film sieht, kann man sich gar nicht vorstellen, dass die Szene jemals anders gedacht war. Die Verwendung der besonderen Waffen gehört zu den Highlightmomenten und die ganze Szenerie rund um das Schlossabenteuer und vor allem die Notwendigkeit des Einsatzes lautloser Waffen fügt sich exzellent in den normalen Handlungsablauf ein. Ein solcher Erfindungsreichtum unterscheidet auch einen guten von einem mittelmäßigen Regisseur und zeigt, warum Castellari auch heute noch von Kollegen wie eben Tarantino als Vorbild verehrt wird.

    Mit allzu viel Ernst sollte man „Ein Haufen verwegener Hunde“ natürlich trotzdem nicht schauen. Auch wenn Castellari optisch Wert auf Realismus legt, geht es ihm inhaltlich vor allem um die Unterhaltung des Publikums. Dafür dürfen humoristische Einschübe genauso wenig fehlen, wie ein paar eher abseitige Storypfade. Warum eine Gruppe hübscher, junger und dazu noch nackter Frauen mitten im Kriegsgebiet erotische Wasserspielereien abhält, sollte man genauso wenig hinterfragen, wie Sgt. Yeagers angeblich „fließendes Deutsch“, mit dem er sich gegenüber dem Feind tarnen kann. Daneben gibt es auch ein paar satirische Spitzen. Gerade die Heroisierung und der Pathos der meisten Kriegsfilme werden durch eine gnadenlose Überzeichnung (unterstützt vom famosen Score) aufs Korn genommen und sind perfekt kombiniert mit der Coolness, die Fred Williamson, mit Zigarre im Mundwinkel, hier mal wieder genauso zur Schau stellt, wie in seinen anderen großen („Black Caesar“, „Vigilante“) und kleinen (From Dusk Till Dawn, Starsky und Hutch) Rollen.

    Man kann daher „Ein Haufen verwegener Hunde“ als die „ formvollendete cineastische Arschbombe“ (so Carsten Tritt in der Filmzeitschrift Schnitt) oder auch als „Party der besonderen Art“ (so Christian Keßler im Booklet der deutschen DVD) bezeichnen. Oder auch einfach nur sagen: Ein Must-See für Freunde des Exploitation oder Genrefilms!

    Diese Kritik ist Teil der Retrospektive FILMSTARTS.de goes Grindhouse.

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