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    Was tun, wenn's brennt?
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Was tun, wenn's brennt?
    Von Carsten Baumgardt

    „Was tun, wenn’s brennt?“ Brennen lassen! So lautete jedenfalls in den 80er Jahren das Motto der autonomen Hausbesetzer-Szene, die in Gregor Schnitzlers Leinwand-Debüt im Mittelpunkt steht. Mit seiner leichfüßigen Vergangenheitsbewältigung nimmt sich der ehemalige Clip-Regisseur eines deutschen Themas an und schafft in dem gut gespielten Ensemblestück den Spagat zwischen Anspruch und Unterhaltung.

    1987 waren sie eine verschworene Gemeinschaft im Kampf gegen das System. Als „Gruppe 36“, eine Art anarchistischer Filmclub, leisteten die sechs Freunde Tim (Til Schweiger), Maik (Sebastian Blomberg), Nele (Nadja Uhl), Flo (Doris Schretzmayer), Terror (Matthias Matschke) und Hotte (Martin Feifel) im Berliner Untergrund erbitterten Widerstand gegen alles Staatliche - zur Not auch mit Gewalt. Auf jeden Fall haben sie ihre „Heldentaten“ stets auf Zelluloid gebannt - quasi als Nachlass für kommende Generationen. 13 Jahre später als der Glanz der Auflehnung längst verblichen ist, holt sie die Vergangenheit schmerzlich ein. In einer Grunewalder Villa detoniert auf Grund einer defekten Gasleitung ein damals von der Gruppe gelegter Sprengsatz. Zwei Menschen werden verletzt, das Haus wird bis auf die Grundmauern zerstört. Die Berliner Polizei ist in heller Aufruhr, fürchtet einen gezielten Terroranschlag. Eine Sonderkommission unter Leitung des „Bluthundes“ Manowsky (stark: Klaus Löwitsch) findet schnell die Spur in die autonome Szene von einst. Die Sechs haben dummerweise die Anleitung zum Bau der Bombe gefilmt und die Filmspulen sind im Haus von Hotte und Tim, die als einzige noch ihren Idealen treu geblieben sind, beschlagnahmt worden. Die restlichen Vier sind mittlerweile fest im System integriert - und geschockt, dass sie sich mit längst vergangenen Tagen auseinandersetzen müssen.

    Der deutsche Film krankt häufig daran, dass er seine eigene Identität verleugnet. Gregor Schnitzler, der bisher als Videoclip-Regisseur arbeitete, nimmt sich mit „Was tun, wenn’s brennt?“ der Aufgabe an, ein Stück jüngere nationale Geschichte aufzuarbeiten. Zunächst als ernsthaftes Drama geplant, ist das Konzept noch geändert worden. Der Kampf gegen das Establishment hat keinen dokumentarischen Charakter, sondern nutzt stattdessen die Möglichkeiten des modernen Unterhaltungskinos. Die dramatische Thriller-Handlung wird mit trockenem Humor unterlegt und aufgelockert. Die Charaktere sind ordentlich herausgearbeitet, aber nicht vollkommen ernst zu nehmen. So ist zum Beispiel der von Sebastian Blomberg hervorragend gespielte, hyper-arrogante Werbefreak Maik („Arschlöcher gehören auch dazu“) so krass überzogen, dass es schon wieder Spaß macht. Durch den Kniff, auch auf Unterhaltung zu setzen, schafft es Schnitzler, dass seine Figuren sympathisch wirken, obwohl ihre glorifizierten Taten bei genauer Betrachtung doch eher fragwürdig und wenig identifikationsfähig sind.

    Produktionstechnisch ist „Was tun, wenn’s brennt?“ international vorzeigbar. Schon der clever geschnittenen Eingangssequenz ist Schnitzlers Vorgeschichte als Clip-Filmer anzusehen, ebenso wie einige gut montierte mit Musik von Radiohead und den Manic Street Preachers unterlegte Szenen. Das Ensemble leistet ganze Arbeit und gibt dem Film Identität. Ob Til Schweiger als Alt-Punk nun unbedingt glaubwürdig ist oder nicht, spielt keine große Rolle. Er kann durch seinen stets schwelenden Konflikt zu Maik und der nie aufgegebenen Hoffnung, seine alte Liebe Flo zurückzugewinnen, überzeugen.

    Dass aus der dritten Produktion der deutschen Columbia (nach „Anatomie“ und „Feindliche Übernahme“) kein Meisterwerk im Stil von Hans-Christian Schmids „23 - Nichts ist wie es scheint“ (übrigens ebenfalls von Jakob Claussen und Thomas Wöbke produziert) geworden ist, verhindert das letzte Filmdrittel. Zwar wird die Geschichte noch hübsch aufgelöst, aber die Glaubwürdigkeit wird zum Ende hin doch arg strapaziert. Es ist nicht unbedingt realistisch, dass die sechs Freunde in einer fast militärisch gesicherten Polizei-Kaserne ein- und ausgehen wie es ihnen passt. Aber das ist wohl der Preis, den Schnitzler zahlen musste, um mit seinem sperrigen Thema den Kinozuschauer dennoch unterhalten zu können. Und das ist ihm schließlich auch geglückt.

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