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    Halbtot
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    0,5
    katastrophal
    Halbtot
    Von Jürgen Armbruster

    Dass sich europäische Produktionen nicht immer ehrfürchtig hinter dem scheinbar übermächtigen amerikanischen Filmmarkt verstecken müssen, haben in den letzten Jahren Perlen wie „Pakt der Wölfe" und „Die purpurnen Flüsse" bewiesen. Doch leider scheinen diese Titel eher die Ausnahmen zu sein, die die Regel bestätigen, denn wer meinte, dass der zwar ambitionierte, aber miserabelst umgesetzte Boarder-Streifen „Extreme Ops" den Tiefpunkt auf einer rasanten Talfahrt darstellte, wird sich eines Besseren belehren lassen müssen. Beim in Berlin gedrehten Actioner von Don Michael Paul ist der Name Programm: „Halb tot“. Der Film ist so grottenschlecht, dass einen des Öfteren das dringende Bedürfnis überkommt, laut aufschreien zu müssen. Quo vadis, Europa?

    Das Übel beginnt schon bei der Story, die so klischeebeladen ist, dass es an ein Wunder grenzt, wenn auch nur ein Zuschauer zu irgendeinem Punkt vom Gesehenen überrascht wird. Der verdeckt arbeitende FBI-Agent Sascha Petrosevitch (Steven Seagal) arbeitet intensiv an der Zerschlagung der Organisation des Gangsterbosses Sonny (Richard Bremner). Dass Sonny für den Tod von Saschas Frau Sophia (Yasmina Filali-Bohnen) verantwortlich war, verleiht der Geschichte natürlich die nötige Würze. Um seinem Ziel näher zu kommen, knüpft Sascha Kontakte zu Sonnys rechter Hand Nick (Ja Rule). Leider kommt ihm dabei die übereifrige Kollegin Ellen (Claudia Christian) in die Quere, die für die Verhaftung von Nick sorgt, ehe Sascha an die für ihn nötigen Informationen gelangen konnte. Es bleibt nur eine Möglichkeit, Sascha muss sich verdeckt in die Haftanstalt einweisen lassen, in der Nick seine Strafe absitzen muss: Das legendäre und modernisierte Alcatraz. Irgendwann ist Herrn Paul wohl bewusst geworden, dass sich aus diesem Grundgerüst kein abendfüllender Streifen zusammenschustern lässt, also wurde kurzerhand noch ein zweiter Handlungsstrang konstruiert. Der zum Tode verurteilte Lester (Tony Plana) wartet in Alcatraz auf den Tag seiner Hinrichtung. Bei einem Überfall auf einen Goldtransport soll er 200 Millionen Dollar erbeutet haben, die allerdings bis zum heutigen Tag nicht gefunden wurden. Als der Hinrichtungsbefehl erteilt wird, macht sich Jane McPherson (Linda Thorson), Richterin des Obersten Gerichtshofes, auf den Weg nach Alcatraz, um der Vollstreckung als Zeugin beizuwohnen. Der Kleinganove Donny (Morris Chestnut) wittert die Chance seines Lebens und nimmt gemeinsam mit seiner Gang, den so genannten „49ers“, die Richterin als Geisel und versucht, hinter Lesters Geheimnis zu kommen.

    Hört sich stumpfsinnig und eintönig an, was es zweifelsohne auch ist, doch dies hätte man unter Umständen noch entschuldigen können, falls die ohnehin im Vordergrund stehende Action gestimmt hätte. Hier wollten die Verantwortlichen wohl kein Risiko eingehen und verpflichteten für die Hauptrolle den mittlerweile vollkommen durchgeknallten (er bezeichnet sich selbst als die Reinkarnation des Dalai Lamas) Steven Seagal. Doch eben jene Verpflichtung erwies sich als gewaltiger Griff ins Klo. Obwohl Seagal mittlerweile seit 15 Jahren vor der Kamera steht, konnte er sein Repertoire nicht auf mehr als zwei verschiedene Gesichtsausdrücke erweitern. Schlimmer ist noch, dass der Gute mittlerweile grob geschätzt zwanzig Kilo zu viel auf den Rippen hat und er dadurch so agil wirkt, wie eine schwangere Elefantenkuh! Kurzum: Seagal ist eine totale Fehlbesetzung. Doch die Verantwortlichen mussten diesen Fehler ausbaden und versuchten dies mit allen nur möglichen Tricks. Die Kampfsequenzen bestehen meist aus schnellen, verwackelten Schnittfolgen, in denen Seagal in Großaufnahme gezeigt wird und er ein wenig mit den Händen vor sich herfuchteln darf. Stimmung kommt auf diese Weise nie auf, wozu Steven Seagal vier Stuntdoubles benötigte, bleibt ebenfalls ein Rätsel. Einzig der Fight zwischen Quotengirlie Nia Peeples und Ja Rule darf noch als halbwegs passabel choreographiert bezeichnet werden.

    Schwache Story, schwache Action… was hätte den Film noch retten können? Zugegeben: Nia Peeples gibt in ihrem hautengen, schwarzen Lederoutfit à la „Matrix" eine gute Figur ab, doch einzig und allein die niederen Bedürfnisse des männlichen Publikums anzusprechen, ist eindeutig zu wenig. Auf der Suche nach einem Ausweg aus dieser Misere stieß Paul wohl auf das „Bartkowiak-Konzept“ [Näheres dazu hier:] und stellte seinem Hauptdarsteller ein namhaftes Gesicht aus der HipHop-Branche zu Seite. Rapstar Ja Rule hätte sich diesen Film jedoch in jeder Hinsicht sparen sollen. Die von ihm gelieferten Songs zum Soundtrack sind allenfalls Durchschnittsware und schauspielerisch ist die von ihm gezeigte Leistung hochnotpeinlich. Die mal wieder völlig vermurkste Synchronstimme, die sich am ehesten als eine Art Mischung aus Eddie Murphy und Pumuckel beschreiben lässt, gibt ihr übriges. Bleibt zu hoffen, dass Ja Rule im „Pitch Black“-Sequel „The Chronicles of Riddick“ an der Seite von Vin Diesel mehr zu überzeugen weiß. Lustige Oneliner? Fehlanzeige. Stimmungsvolle Gefängnisatmosphäre? Auch nicht. Nach Pluspunkten sucht man in den kompletten 99 Minuten vergebens.

    Die Tatsache, dass „Halb tot“ fast komplett in Berlin gedreht wurde, verhalf einigen bekannten Gesichtern aus der deutschen Filmszene noch zu einem mehr oder weniger umfangreichen Auftritt. Yasmina Filali-Bohnen darf in einem Flashback Saschas für genau fünf Sekunden gut aussehen, Hannes Jaenicke wurde immerhin noch gestattet einen grimmigen Blick aufzulegen und eine Waffe in die Kamera halten und Alexandra Kamp wurde als Reporterin sogar ein Text spendiert, sodass sie die ein oder andere dumme Frage zu stellen hat. Das war es dann auch schon mit der deutschen Herrlichkeit. Das amerikanische Publikum quittierte diese Farce mit einem Box Office von lediglich 15 Mio. Dollar. „Halb tot“ ist eigentlich einer jener Filme, die in den hiesigen Gefilden (wenn überhaupt) direkt in den Videotheken landen. Es liegt auf der Hand, dass die Verantwortlichen mit dem Release auf ein Publikum hoffen, dass sich als ebenso debil erweißt wie die deutschen Investoren, denn anders ist diese Tatsache nicht zu erklären. Wer sich fünf Mal am Stück nonstop „Born 2 Die" anschaut, wird wesentlich besser unterhalten als hier. Das Fazit kann nur wie folgt ausfallen: Finger weg!

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