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    Sweat
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Sweat
    Von René Malgo

    Manchmal lassen sich bei genauer Suche oder mit etwas Glück auch weniger bekannte Perlen in der Videothek finden. „Sweat“ ist - trotz Schwächen - so ein Werk. Dem preisgekrönten Werbeclipfilmer Louis-Pascal Couvelaire („Michel Vaillant“) gelang mit diesem Film ein beachtliches, aber wenig beachtetes Regiedebüt.

    Vier französische Räuber brettern im Truck mit zehn Tonnen Gold durch die nordafrikanische Wüste. Ihr Ziel ist die Atlantikküste, wo das Gold auf einem Schiff umgeladen und im Ausland verkauft werden soll. Doch bald macht sich Misstrauen unter den vier bunt zusammen gewürfelten Männern breit. Gerade der Fahrer Harvey (Jean-Hugues Anglade) und der Killer Simon (Sagamore Stévenin) geraten immer mehr aneinander. Als einer der beiden im Streit vom anderen brutal ermordet wird, kann keiner der übrig gebliebenen drei dem anderen mehr so recht trauen. Der vermeintliche Anführer Noh (Joaquim de Almeida) muss sich von nun an genauso in Acht nehmen wie der an Streitigkeiten bis dato unbeteiligte Mechaniker Victor (Cyrille Thouvenin). Jeder versucht mal mit jedem, den anderen übers Ohr zu hauen, doch allein kann es keiner schaffen, das Ziel zu erreichen…

    Regisseur Couvelaires Einstand im Actiongenre ist mehr als zufriedenstellend ausgefallen. Produziert von Samuel Hadida (u. a. Produzent von Pakt der Wölfe, Resident Evil) und in seinem Heimatland Marokko gedreht, gefällt „Sweat“ als faszinierend inszenierter Abenteuer-Thriller. Die außergewöhnliche Optik und Videoclipästhetik eines im wahrsten Sinne des Wortes schweißtreibenden Films macht den größten Reiz von „Sweat“ aus.

    Couvelaires Videoclip-Hintergrund macht sich in jeder der mit diversen Mätzchen angereicherten Szenen erkennbar. Zeitlupen, extreme Überblendungen, schnelle Schnitte und weitläufige Aufnahmen lösen sich im fliegenden Wechsel und scheinbar mühelos ab. Das richtige Wüstensetting und die gekonnte Verwendung von Farbfiltern lassen die passende Atmosphäre aufkommen. Der Betrachter fühlt sich gleich von der ersten Minute an mitten ins Geschehen hineingerissen. Es ist, als befinde man sich selbst unter der schweißtreibenden, heißen Sonne Nordafrikas.

    Film und Story setzen auch sofort mitten in der Begebenheit an. Die notdürftig zusammengeschusterte Vorgeschichte wird in einer schnellen Rückblende erzählt, „Sweat“ konzentriert sich allein auf die vier Männer in der Wüste. Auf scheinbar unnötigen Ballast wie Charakterisierung, stimmige Dramaturgie oder eine einigermaßen gehaltvolle Story wird fast vollends verzichtet. Die debütierenden Drehbuchautoren Michael Cooper (von ihm stammt lediglich noch das Drehbuch zum B-Movie-Thriller „To Kill A Priest“ mit Christopher Lambert), Regisseur Couvelaire und Benoit Philippon haben zwar einige gute Einfälle in petto, doch die Spannung hält nie über die ganze Distanz an, vielmehr will sich „Sweat“ offensichtlich über perfekt arrangierte Einzelszenen profilieren. Das gelingt auch erstaunlich gut, ist der Gesamtdramaturgie aber nur bedingt förderlich.

    Die Vorbilder sind schnell und leicht ausgemacht. Sie reichen von Steven Spielbergs Duell über Henri-Georges Clouzots maßstabsetzenden Abenteuer-Thriller Lohn der Angst und Jan de Bonts Speed bis hin zu George Millers apokalyptischen Meilenstein „Mad Max der Vollstrecker“ und seinem Vorgänger "Mad Max". „Sweat“ hat sich also bei den Besten bedient, erzählt aber konsequent eine eigene, zuweilen ziemlich einfallsreiche Geschichte und besticht durch seinen eigenwilligen erzählerischen und optischen Stil.

    Die prominentesten Vertreter im Cast stellen Joaquim de Almeida („Desperado“, „Das Kartell“) und Jean Hugues-Anglade („Killing Zoe“, „Nikita“) dar. Sie überzeugen genauso wie die weniger bekannten Jungdarsteller und ein jeder macht aus seiner nur schwach ausgearbeiteten Rolle das Beste. Mängel in Punkto Tiefe und Charakterisierung muss der Zuschauer in Kauf nehmen. Auch mag trotz sehr spannender Momente, in denen die Vorbilder – gerade Lohn der Angst – eine würdige Nachahmung erhalten, „Sweat“ nicht durchgehend fesselnd erscheinen, trotzdem darf das Debüt und relative Filmexperiment als gut gelungen durchgehen.

    Der faszinierende Look des Films zeigt, welche Entwicklung das Actionkino und ihre Ästhetik in Zukunft noch nehmen könnte und beweist zudem, dass eine Vielzahl von optischen Spielereien nicht immer einem visuellen Overkill gleichkommen muss. Im Gegenteil, im perfekt aus- und beleuchteten „Sweat“ greift jedes Rädchen fließend ins andere und das macht die große Stärke des eigensinnigen Abenteuer-Actioners aus. Verantwortlich dafür ist nicht allein der Regisseur, sondern auch Kameramann Michel Abramowicz („Michel Vaillant“, Das Imperium der Wölfe) und Cutterin Sylvie Landra („Das fünfte Element“, Catwoman) tragen ihren erheblichen Anteil dazu bei.

    Eine gesunde Prise schwarzer Humor und die richtige, sich nie in den Vordergrund drängende, musikalische Umrahmung von Pascal Lafa („The Dancer“) komplettieren das stimmige Gesamtbild. Der atmosphärische Abenteuer-Thriller kam hierzulande nie in die Lichtspielhäuser, lief einzig am 18. August 2003 beim Hamburg Fantasy Filmfest und ist seit dem 5. September 2005 auf DVD erhältlich.

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