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    Serpico
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    5,0
    Meisterwerk
    Serpico
    Von Björn Becher

    „Ich stehe wie ein Verbrecher da, weil ich es ablehne, Geld zu nehmen.“

    „Serpico wurde angeschossen“, eine Meldung geistert durch Polizei und die Öffentlichkeit, die sie in Aufruhr versetzt. Das Krankenhauszimmer des Schwerverletzten Frank Serpico (Al Pacino) wird auf der Stelle unter Polizeischutz gestellt. Ein hoher Polizist stellt sofort die Frage, ob es ein Krimineller oder einer der ihren war, der geschossen hat. Doch wer ist dieser Frank Serpico? Ein Hippie, der mit seinen langen Haaren und seinem Bart eher aussieht wie ein Drogendealer, aber ein Polizist zu sein scheint?

    Jahre früher: Der idealistische und lebenslustige Cop Frank Serpico tritt seinen Dienst als Streifenpolizist an. Er hat sich viel vorgenommen für seine Polizeikarriere, will irgendwann Detective werden und mit dem Verbrechen in New York aufräumen. Doch was er erlebt, ist eine einzige Enttäuschung. Seine Kollegen sind bequem, halten hier und da mal die Hand auf, und wenn mal einer verhaftet wird, dann halten sich die Polizisten selbst nicht an die Gesetze und verprügeln die Verdächtigen. Immer wieder lässt sich Serpico versetzen, versucht mit seinen unkonventionellen Methoden ein guter Polizist zu werden, doch überall trifft er auf die gleiche Bequemlichkeit und Bestechlichkeit seiner Kollegen, die den fleißigen und in seiner Freizeit kulturinteressierten Hippie Serpico zudem nicht leiden können.

    Schließlich muss er beim Dezernat für Glücksspiel sogar erkennen, dass die Bestechlichkeit noch größere Ausmaße annimmt, als er je gedacht hatte. Seine Kollegen verdienen sich Unsummen dazu und decken Mafiaaktivitäten. Serpico wendet sich mit Hilfe seines einzigen Freundes Bob Blair (Tony Roberts) an die Vorgesetzten, doch auch von den hohen Polizeichargen kann er keine Hilfe erwarten. Er wird immer wieder mit dem Versprechen vertröstet, dass man sich darum kümmern werde. Jahre vergehen, Serpicos Beziehungen zu Laurie (Barbara Eda-Young) und Leslie (Cornelia Sharpe) zerbrechen nacheinander an der Verbitterung, die sich bei ihm breit gemacht hat. Er wird immer mehr zum Außenseiter innerhalb der Polizei. Als er endgültig einsieht, dass er von den Polizeibossen keine Hilfe erwarten kann, wendet er sich an die Öffentlichkeit, wohlwissend, dass er damit auf die Abschussliste seiner Kollegen gerät. Sein Ziel sind nicht mehr nur diejenigen, die die Hand aufhalten, sondern die ganz hohen Bosse, die die Korruption decken und dulden.

    Gun shop owner: “That gun takes a 14 shot clip. You expecting an army?”

    Frank Serpico: “No. Just a division.”

    Der auf einem wahren Fall beruhende Film über den Cop Frank Serpico zeigt ein sehr düsteres und pessimistisches Bild der New Yorker Polizei. Fast jeder hält die Hand auf, nur wenige sind ehrlich und diese treten aus Angst um ihre Familien und ihre Karrieren dem Ganzen nicht entgegen. Mitten hinein wird ein junger Cop geworfen, der so gar nicht in das Bild der Polizisten passt. Schon äußerlich ist er völlig unangepasst, mit seiner legeren Kleidung, dem wild wuchernden Bart und den langen Haaren. Noch mehr unterscheidet sich seine innere Einstellung von der seiner Kollegen. Er kann nicht verstehen, warum sein fetter Kollege lieber weiter sein Schläfchen im Streifenwagen hält, als auf den Funkspruch über die Vergewaltigung einer Frau zu reagieren. Richtig erschüttert wird er aber erst, als er merkt, dass seine Kollegen nicht nur aus Faulheit tatenlos zusehen, sondern sogar die Hand aufhalten.

    Regisseur Sidney Lumet (Die 12 Geschworenen, Network) lässt dabei den Pessimismus siegen. Nicht umsonst wird im Film einmal Don Quixote angesprochen. Serpico ist auf seine Art ein Don Quixote. Er kämpft gegen das System, wie Don Quixote gegen die Windmühlen. Er hat keine Chance zu gewinnen, doch er kämpft immer weiter. Das System ist zu stark, ist erstarrt. Keiner will das Image der Polizei zerstören, fast niemand unterstützt den aufrechten Polizisten.

    Glücklicherweise verfällt Lumet nie in eine Schwarz-Weiß-Charakterisierung, zeigt vor allem in der Person des Protagonisten auch Schwächen (insbesondere im Privatleben) und kommt so wohl dem echten Frank Serpico, der 1969 an die Öffentlichkeit ging, recht nahe. Al Pacino spielt diesen überragend, bekam zu Recht seine erste Oscarnominierung für eine Hauptrolle (im Jahr davor bekam er schon eine Nominierung für die beste Nebenrolle in Der Pate). Er hat sich im Vorfeld zur Vorbereitung auf die Rolle mit dem echten Serpico mehrmals getroffen, um diesen möglichst authentisch wiederzugeben. Ob dies gelungen ist, kann man schwer sagen, ohne das reale Vorbild zu kennen, sicher ist aber, dass Pacinos Spiel in höchstem Masse intensiv ist, allerdings auf eine völlig andere Art, als zum Beispiel in den ersten beiden Pate-Filmen, die im Jahr vor und nach „Serpico“ entstanden.

    Das Einzige, was man dem Film vielleicht etwas vorwerfen kann ist seine ausschließliche Fokussierung auf seinen Protagonisten. Nebencharaktere bekommen nur wenig Platz zur Entfaltung, werden oftmals charakteristisch nur angerissen und sind meist nur insoweit bedeutsam, als dass man durch sie die Person Frank Serpico besser verstehen kann. Aber darauf kommt es hier an. Schließlich ist es ein Film über diesen und mit dieser Intention ist er hervorragend gelungen. Die ausführliche Darstellung von zahlreichen Details zu Serpicos Leben dienen dazu die Person transparenter zu machen und seine Motive werden besser verständlich.

    Tom Keough: “Now I ain't sayin' who. They just said ya'... ya' couldn't be trusted, you know?”

    Frank Serpico: “'Cause I don't take money, right?”

    Tom Keough: “Frank, let's face it. Who can trust a cop who don't take money?”

    “Serpico” ist auch noch heute ein Meisterwerk, welches vor allem auch zeigt, wie mittelmäßig einige ähnliche gelagerte Cop-Thriller der Neuzeit wie zum Beispiel Training Day doch sind. Glücklicherweise gab es mittlerweile auch eine Neubewertung des Films von Seiten der FSK, so dass er nicht mehr mit der unverständlichen „ab 18“-Freigabe „gebrandmarkt“ ist, sondern sogar „ab 12 Jahren“ freigegeben wurde.

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