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    Voll gepunktet
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Voll gepunktet
    Von Jürgen Armbruster

    Mit den Noten im Allgemeinen und Schulabschlüssen im Speziellen ist es so eine Sache. Ist ein Abschluss in Schleswig-Holstein mit einem gleichrangigen in Bayern zu vergleichen? Sind sie wirklich gleich viel wert? Wenn nein, wie werden sie im Verhältnis zueinander gewichtet? Das amerikanische Schulsystem kennt auf diese Frage eine universelle Antwort: Den S.A.T.! Vor diesem standardisierten, landesweiten Aufnahmetest sind alle Schüler gleich. Für die amerikanischen Colleges ist das Ergebnis dieses Tests der maßgebliche Faktor schlechthin für die Entscheidung, ob ein Bewerber nun angenommen oder abgelehnt wird. Und eben jener Test steht im Mittelpunkt von Brian Robbins Teenie-Klamotte „Voll gepunktet“.

    Kyle (Chris Evans) hat einen Traum. Er möchte nach dem High-School-Abschluss an einer Elite-Universität Architektur studieren. Matty (Bryan Greenberg) würde gerne in Kürze auf das gleiche College wie seine Freundin gehen und mir dieser zusammen ziehen. Dem talentierten Basketballer Desmond (Darius Miles) steht ein ein Sport-Stipendium in Aussicht. Und Roy (Leonardo Nam) würde gerne die Menschheit durch sein Talent in der Entwicklung von Videospielen bereichern, doch sein Interesse für rauchbares aller Art ist dabei nicht gerade förderlich. Doch alle haben das gleiche Problem: eine zu geringe Punkteanzahl im S.A.T.-Test. Selbst die hochintelligente Anna (Erika Christensen), die eigentlich über den zweitbesten Notenschnitt an ihrer High School verfügt, hat den Test gründlich vermasselt. Dem Erfolgsdruck war sie einfach nicht gewachsen.

    Doch die Fünf haben ihre Träume noch nicht vollkommen verspielt. Das S.A.T.-Reglement sieht vor, dass jeder Schüler auf Antrag den Test ein zweites Mal ablegen darf. Doch an eine deutlich verbesserte Punktzahl mag auch beim zweiten Anlauf keiner so recht glauben. Warum auch? Der S.A.T. sei hochgradig standardisiert und es gäbe eben Personen, die in der Schule gut und im Test schlecht sind und anders herum. Alle sind sich einig: Das System stinkt! Und wenn das System schon nicht fair ist, warum sollen sie dann mit fairen Mitteln spielen? Und wie es der Zufall so möchte, ist mit Francesca (Scarlett Johansson) die Tochter des Mannes an ihrer Schule, dem der Häuserkomplex gehört, in dem die S.A.T.-Kommission ihren Sitz hat…

    Bereits von Beginn des Vorspanns an dürfte bei jedem Zuschauer klar sein, auf was er sich bei „Voll gepunktet“ eingelassen hat. Kaum ein Schriftzug ist aussagekräftiger als „MTV Films presents“. Hier ist im Optimalfall seichte Unterhaltung für die anspruchslose Fast-Food-Generation angesagt. Für all diejenigen, die sich mit diesem Gedanken nicht anfreunden können, ist spätestens jetzt der Zeitpunkt erreicht, an dem sie den Kinosaal schleunigst wieder verlassen sollten. Denn was folgt, ist das altbekannte Wehklagen der jungen Generation. Schulstress, Prüfungsangst, verständnislose Eltern… Dies sind alles Punkte, die der Zielgruppe von „Voll gepunktet“ aus der Seele sprechen, für alle anderen jedoch im höchsten Grad ermüdend wirken.

    Die einzelnen Charaktere von „Voll gepunktet“ sind oberflächlich und schablonenhaft. Kyle ist der gut aussehende, charismatische Gruppenleader. Matty kommt hingegen die Rolle des treuen Freundes zu, der immer an Kyles Seite steht und zum Ende hin über sich hinaus wächst. Desmond ist die Sportskanone mit schlechtem Notenschnitt, Anna das hässliche Entlein, das sich zum strahlenden Schwan entwickelt, Francesca das Kind aus reicher Familie, das keiner so richtig lieb haben möchte und Roy das permanent zugekiffte EDV-Genie. Dass ein Film wie „Voll gepunktet“ das Rad neu erfindet, darf nicht erwartet werden, doch hier kommt es einem phasenweise so vor, als hätte das personifizierte Klischee im Kinosessel neben einem Platz genommen. Etwas mehr Kreativität oder minimal mehr ausgearbeitete Charaktere hätten es dann doch sein dürfen.

    Doch sei’s drum. Solange ein Film dieser Art humorvoll umgesetzt wurde und reichlich Lacher zu bieten hat, kann dies verziehen werden. Doch eben hier liegt der Hase bei „Voll gepunktet“ im Pfeffer. Es ist einfach nicht mehr lustig, die was-weiß-ich-wie-vielte Matrix-Parodie (Scarlett Johansson kopiert Trinity in der berühmten Anfangssequenz des ersten Teils) ertragen zu müssen. Das Thema ist ausgelutscht. Ebenso wenig amüsant ist die Rolle von Kyles älteren Bruder Larry (verkörpert von Matthew Lillard). Dieser ist gewissermaßen das schwarze Schaf in der Familie. Er wohnt in der Einliegewohnung über der Garage und widmet sein Leben nicht der Arbeit, sondern exzessiven Partys. Lieblingsbeschäftigung: mit dem Wäschetrockner musizieren! Sorry, Brian Robbins, aber das ist einfach nur nervig. Die gelungenen Gags gehen in der Tat (man mag es kaum glauben) alle auf das Konto von Roy. Sicherlich gewinnt auch dieser Charakter keinen Innovationspreis, aber lustig sind seine Annäherungsversuche ans weibliche Geschlecht oder seine Zwiegespräche mit der Krähe allemal.

    Das größte Fragezeichen hinter „Voll gepunktet“ geht jedoch eindeutig auf das Konto von Scarlett Johansson. Warum sich die wohl talentierteste Jung-Darstellerin Hollywoods nach anspruchsvollen Charakterrollen in „Lost in Translation“ und dem in Deutschland noch nicht gestarteten „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“ für diese Unterdurchschnittsklamotte hergibt, ist ein einziges, großes Rätsel. Sicherlich sieht die gebürtige New Yorkerin auch hier wieder absolut bezaubernd aus, doch selten war eine derartig unterforderte Schauspielerin auf der Leinwand zu sehen. Erika Christensen, Chris Evans und Konsorten passen vom Talent her in einen solchen Film, aber Scarlett Johansson? Was kommt als nächstes? Russell Crowe in „Scary Movie 4“? Aber demnächst ist Besserung in Sicht. 2005 wird Frau Johansson in Joe Carnahans „Mission: Impossible 3“ und anschließend in der James-Ellroy-Verfilmung „Die schwarze Dahlie“ zu sehen sein. Hoffen wir, dass dies ein einmaliger Ausrutscher war…

    „Voll gepunktet“ ist ein anspruchsloser Film für das anspruchslose Kinopublikum. Die MTV-Generation wird sich wohl vor lachen in den Kinosesseln krümmen, doch für all diejenigen, die sich häufiger als einmal pro Woche rasieren müssen und eine gewisse geistige Reife erreicht haben, wird der Film mit Ausnahme des optischen Leckerbissens Johansson und des schrägen, immer für einen Lacher guten Roy wenig zu bieten haben. Ohne Daseinsberechtigung ist „Voll gepunktet“ nicht, nur sollte jeder genau überlegen, was man von einem Film erwartet und ob man zur Zielgruppe dieses Werkes gehört.

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