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    King Kong
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    King Kong
    Von Carsten Baumgardt

    Der bis dato teuerste Film aller Zeiten (Budget: 207 Millionen Dollar), der Nachfolger zur grandiosen, stilbildenden, bahnbrechenden „Herr der Ringe“-Trilogie, das Remake einer Kino-Ikone: Die Erwartungen an Peter Jacksons Fantasy-Abenteuer „King Kong“ waren nicht gerade niedrig. Doch der sympathische Neuseeländer enttäuscht sein Publikum nicht und bietet das, was alle erhofft haben. Die „King Kong“-Neuverfilmung ist bombastisches, pompöses Big-Size-Eventkino. Jackson zelebriert rastlose Action und verbindet packende Spannungselemente mit Dramatik, einer Liebesgeschichte und berührender Tragik. Im Kampf um die Eventkrone des Jahres schlägt „King Kong“ Harry Potter und der Feuerkelch und stampft die fragwürdige christliche Beweihräucherung Die Chroniken von Narnia: Der König von Narnia mit Anlauf in den Erdboden - jedenfalls qualitativ...

    New York, 1933, zur Zeit der großen Depression: Der fanatische und gerissene Filmproduzent Carl Denham (Jack Black) steht mit dem Rücken zur Wand. Die Investoren seines neuen Films sind von dem gedrehten Rohmaterial alles andere als begeistert, wollen ihn feuern und gar verklagen. Das Schlitzohr Denham denkt schneller und ergreift lieber die Flucht. Er hat einen kühnen Plan, will sein Werk unbedingt zu Ende bringen. Dafür riskiert er Kopf und Kragen. Denham heuert Captain Englehorn (Thomas Kretschmann) und dessen Team an, um ihn nach Singapur zu bringen – so sagt der Produzent jedenfalls. Der wahre Zielort ist die Sagen umwobene Insel Skull Island – dem Mythos nach eine von der Zivilisation unentdeckte Insel. Dort will Denham filmen und spektakuläre Bilder einfangen. Da seine Hauptdarstellerin die Gefahr nicht eingehen möchte und aussteigt, engagiert er auf der Straße die arbeitslos gewordene Varieté-Künstlerin Ann Darrow (Naomi Watts) und verspricht ihr die große Chance ihres Lebens. Mit Mühe und Not kann Denham seinen Geldgebern, die die Polizei im Schlepptau haben, entkommen und ins große Ungewisse aufbrechen. Mit einiger List bringt er seinen Starautor Jack Driscoll (Adrien Brody) dazu, nicht von Bord zu gehen, so dass dieser sein Drehbuch während der Fahrt beenden kann. Nach sechswöchiger Reise erreicht das Team tatsächlich Skull Island, doch von Paradies kann keine Rede sein. Der Empfang der eingeborenen Wilden (Jackson inszeniert sie wie Orks) ist wenig herzlich. Zwei Crewmitglieder werden bei einem Angriff erschlagen – nur mit Waffengewalt können sich Denham, Englehorn und das Team den Horden erwehren. Die Inselbewohner schlagen jedoch zurück und entführen Ann, um sie als Opfergabe für den Herren des Eilands darzubringen: King Kong. Dieser monströse Riesengorilla lebt hinter einer gigantischen Mauer, die Denhams Leute durchbrechen müssen, um Ann zu retten...

    Zu „King Kong“ hat Regisseur Peter Jackson ein besonderes Verhältnis. Im Alter von neun Jahren fasste der Neuseeländer den Entschluss, Filmemacher zu werden – nachdem er Merian C. Coopers und Ernest B. Schoedsacks Ur-Version aus dem Jahr 1933 gesehen hatte. Drei „Herr der Ringe“-Filme, drei Oscars (Regie, Produktion und Drehbuch für „Rückkehr des Königs“) und enormen Weltruhm später schließt sich jetzt der Kreis. Mit dem bisher größten Budget der Geschichte – allein mit den 32 Millionen Dollar, die Jackson das Ur-Budget überzog, hätte Quentin Tarantino vier Mal Pulp Fiction drehen können – führt er das fort, was 1996 noch gescheitert war. Vor „Herr der Ringe“ unternahm der Regisseur, Produzent und Co-Autor bereits einen Versuch, „King Kong“ auf die Leinwand zu stemmen, doch der artverwandte „Mein großer Freund Joe“ (mit Charlize Theron und Bill Paxton) floppte, während Roland Emmerichs „Godzilla“ künstlerisch und kommerziell die Erwartungen nicht erfüllte. Das Studio bekam kalte Füße, „King Kong“ lag auf Eis – bis der sensationelle Erfolg Jacksons alle Türen öffnete. Bereits in der Postproduktion zu Herr der Ringe - Die Rückkehr des Königs arbeitete das Team an „Kong“. Jackson setzt bei seinem neuesten Projekt auf dieselbe Mannschaft und vor allem wieder auf die Effektzauberer der WETA-Schmiede. Gedreht wurde ebenfalls in Neuseeland.

    Das Wagnis eines Klassiker-Remakes hält sich in diesem speziellen Fall in überschaubaren Grenzen. Inhaltlich und technisch sind die Filme überhaupt nicht mehr vergleichbar. Von vielen als Genre-Highlight gepriesen, kommt die 33er Version von „King Kong“ bei ehrlicher Betrachtung tricktechnisch nicht über den Status eines ruckeligen Marionettentheaters hinaus, setzte aber dennoch zu ihrer Zeit Maßstäbe. Die Stimmung trug des weiteren zum Mythos des Films bei. Mit alledem hat Jacksons brachiales Epos optisch nichts mehr zu tun. Aus den 100 Minuten der Ur-Version, an die sich der Filmemacher inhaltlich eng anlehnt, wurden in der aktuellen Neufassung satte 187 Minuten. Hier macht Jackson das einzig Richtige. Er verleiht seinen Charakteren Charakter. Er schafft eine Basis, so dass das Publikum ihnen auch bereit ist, zu folgen. Die Zeit der großen Depression ist in New York atmosphärisch hervorragend eingefangen. Das erste Drittel bis zur Ankunft auf der Insel glänzt durch viel Humor und einige nette Insiderjokes (Denham philosophiert: „Monster gehören in B-Movies.“) und Ehrerweisungen gegenüber dem Original (Denham bei der Suche nach einer neuen Hauptdarstellerin: „Fay [Wray] dreht gerade für RKO“; die Film-im-Film-Geschichte auf dem Schiff zitiert das Original). Die Tonart ändert sich in den verschiedenen Abschnitten entscheidend, ohne allerdings den Rhythmus zu verlieren oder zimperlich zu wirken. Durch den cleveren Schachzug, die Geschichte nicht in die Gegenwart zu verlegen, behält der Film seine innere, relative „Glaubwürdigkeit“. Zu diesem Thema hat Jackson eine angenehm simple Einstellung. Auf die Frage bei der Europapressekonfrenz in Berlin, „warum zum Beispiel nicht erklärt wird, wie die Besatzung Kong auf das kleine Boot trägt oder wo die Eingeborenen bleiben“, meinte der Regisseur schlagfertig: „Nun, in Fantasy-Filmen geht es ums temporäre Beiseitestellen des Misstrauens und Zweifels. Da ist nicht alles logisch und real. Ich meine, ich würde mich eher fragen, warum da Dinosaurier rumlaufen. Wenn Sie bei einem Fantasy-Film auf die logische Aneinanderreihung von Details achten, sind Sie vielleicht in einen für Sie falschen Film gegangen. Kong wurde mit einem komplizierten System an Bord geholt: Rücken gerade lassen und in die Knie gehen. Was mit den Eingeborenen passierte: Sie rannten los und sie versteckten sich. Sie hatten nämlich keine Lust, von einem wütenden Riesenaffen niedergetrampelt zu werden.“

    Die Suche nach der entführten Ann Darrow leitet den actionlastigen Part ein, die Stimmung wird ernst. Im Folgenden brennt Jackson ein Action-Feuerwerk ab, welches sich exakt am Stil der „Herr der Ringe“-Filme orientiert, thematisch auf Steven Spielbergs Jurassic Park trifft und dabei den Pomp und die Wucht von James Camerons Titanic aufbietet. Ekstatische Verfolgungsjagden, spektakuläre Kämpfe zwischen Kong und fiesen Dinosauriern - und mittendrin Denham und das Team, das versucht zu überleben. Bei dieser monströsen Actionkirmes, die später auch noch Ekelhorrorelemente in Form von gigantischem Insektengetier auffährt, geht die so sorgsam eingeführte Charakterzeichnung in der Hatz ein wenig unter. Einzig die Beziehung zwischen Kong und Ann Darrow bekommt Tiefe. Hier leistet der Film wieder Großartiges. Während die WETA-Leute bei den Dinosauriern, die keinen paläontologischen Hintergrund haben, sondern im eigenen Skull-Island-Style gestaltet sind, noch gute Hausmannskost liefern, ist ihnen die Umsetzung des CGI-Kongs perfekt gelungen (Andy „Gollum“ Serkis lieferte wieder die menschlichen Bewegungsvorlagen, die digitalisiert wurden). Gestik und Mimik sind menschlich begreifbar, aber nicht vermenschlicht (auch wenn Kong mit dem deutschen Fußball-WM-Maskottchen Goleo ein anatomisches Detail teilen muss). Kong ist bei aller Fürsorglichkeit für Ann immer noch ein wildes Tier. Dazu gelingt es Naomi Watts (Stay, Mulholland Drive, The Ring, 21 Gramm), sich von der Wucht des Riesens nicht erdrücken zu lassen. Jackson hatte mit der hochtalentierten Australierin den richtigen Riecher. Sie baut tatsächlich eine nachvollziehbare Beziehung zu dem 7,50 Meter großen, 4.000 Kilogramm schweren Silberrücken auf und haucht der alten „Die Schöne und das Biest“-Mär neues Leben ein. Besonders die erste Annäherung der beiden ist anrührend gefilmt. Dieser King Kong ist eine tieftraurige Figur, dessen Tragik bis zum obligatorischen Ende auf der Spitze des Empire State Buildings fein herausgearbeitet wird. Watts’ Schreiszenen halten sich erfreulicherweise im Gegensatz zum Original sehr in Grenzen – hier hatte Jackson ein Näschen für den Zeitgeist.

    Jack Black (School Of Rock, High Fidelity, Schwer verliebt) ist als Carl Denham exzellent besetzt. Der Vollblutkomiker zeigt genau die Gerissenheit, Verschlagenheit und Hinterhältigkeit, die nötig ist, um die Geschichte in Gang zu halten, kann seinem Charakter aber dennoch Sympathie sichern. Adrien Brody (Der Pianist, The Village, The Jacket) ist ebenfalls als in Ann verliebter Autor Jack Driscoll eine gute Wahl. Deutschlands Hollywood-Export Thomas Kretschmann (Der Untergang, Der Pianist, U-571) darf sich rühmen, dabei zu sein und spielt ansonsten solide. Bei der Rolle von Kyle Chandler als feiger Hollywoodheld Bruce Baxter verliert Jackson ein wenig die Balance und degradiert ihn fast schon zum Knallchargen. Auch Tom Hanks’ Sohn Colin (11:14, „Roswell“) muss als Denhams junger Assistent Preston das ein oder andere mal gehörig chargieren.

    Peter Jackson landet mit „King Kong“ nicht den, aber einen großen Wurf. Zwar ist sein Action-Fantasy-Epos nicht das Meisterwerk vom Kaliber eines „Herr der Ringe“, weil im direkten Vergleich doch der tiefgreifende hochdramatische Unterbau fehlt, aber der Neuseeländer untermauert mit seinem vor überbordender Intensität sprühenden Werk eindrucksvoll seinen Ruf als derzeit bester Event-Kino-Regisseur und zeigt seinem Konkurrenten Steven Spielberg nach dessen zwiespältig aufgenommenem und hinter den Erwartungen zurückgebliebenem Krieg der Welten einstweilen die lange Nase. „King Kong“ ist nicht perfekt, aber dennoch das Ereignis, das es diesen Winter unbedingt zu sehen gilt. Auch wenn der Vergleich a) hinkt und b) unfair ist: Ganz nebenbei pulverisiert Jackson Coopers und Schoedsacks Ur-Kong zum charmanten aber billigen Puppentheater...

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