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    Collateral
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Collateral
    Von Carsten Baumgardt

    Michael Mann gilt als einer der innovativsten und besten Regisseure der Gegenwart. Mit „Miami Vice“ revolutionierte er die TV-Ästhetik, mit dem Großstadt-Thriller „Heat“ und dem Medien-Drama „The Insider“ legte er zwei Filme für sämtliche All-Time-Favourite-Listen vor. Nach einer kleinen Schwächephase mit der Muhammed-Ali-Biographie („Ali“) meldet sich der Meisterregisseur nun mit dem Thriller-Drama „Collateral“ zurück. Dank der Starpower eines Tom Cruise kann Mann diesmal nicht nur künstlerisch, sondern auch kommerziell überzeugen. „Collateral“ ist optisch grandios, atmosphärisch unheimlich dicht und dazu hervorragend gespielt. Intelligentes Mainstreamkino mit Tiefgang.

    Max (Jamie Foxx) schlägt sich seit zwölf Jahren als Taxifahrer durch, träumt jedoch davon, seinen eigenen Limousinenservice zu eröffnen. Eines nachts fährt er die attraktive Staatsanwältin Annie (Jada Pinkett Smith) durch Los Angeles. In einem netten Gespräch kommen sich die beiden näher als es unter Unbekannten normalerweise üblich ist. Annie gibt Max sogar ihre Visitenkarte. Als nächster Fahrgast steigt der vermeintliche Geschäftsmann Vincent (Tom Cruise) in Max’ Taxi ein. Er bietet ihm 600 Dollar, wenn er ihn in der Nacht zu fünf Geschäftsterminen chauffiert. Schnell entpuppt sich der lukrative Deal für Max als Albtraum. Vincents erster „Verhandlungspartner“ fliegt durch ein Fenster aus dem oberen Stockwerk eines Wohnhauses und landet direkt auf Max’ Taxi. Vincent, der als Auftragskiller Zeugen eines Gerichtsprozesses beseitigen soll, zwingt Max dazu, ihn zu seinem nächsten Opfer zu bringen. Den Toten packen sie zunächst einmal in den Kofferraum... Die Spuren des Mordes rufen die Polizisten Fanning (Mark Ruffalo) und Weidner (Peter Berg) auf den Plan. Und Vincent steht erst am Anfang seiner Auftragsliste...

    Das begnadete Talent Michael Manns ist unbestritten. Aber bisher konnte er mit „Der letzte Mohikaner“ und „Heat“ nur zwei kommerzielle Erfolge verzeichnen. Meisterwerke wie „Blutmond“ und „The Insider“ floppten an der Kinokasse. Gleiches gilt für seine sündhaft teure Ali-Biographie, die in den USA bei einem 108-Millionen-Dollar-Budget nur die Hälfte einspielte. Obwohl Manns Filme bis in die Nebenrollen immer mit Topschauspielern besetzt sind, geht er diesmal einen etwas anderen Weg nachdem Edward Norton und Russell Crowe für die Rolle des Killers Vincent absagten. Mit Tom Cruise holte sich Mann einen absoluten Superstar, der zudem auch noch spielen kann, vor die Kamera, um von dessem Larger-Than-Life-Starappeal zu profitieren und dem Film eine größere Aufmerksamkeit zu garantieren. Und die Rechnung ging auf. Mit einem US-Einspiel von 102 Millionen Dollar (Budget: 60 Mio Dollar) ist „Collateral“ schon jetzt der erfolgreichste Mann-Film.

    Die optische Brillanz gepaart mit grandioser Musikuntermalung und einem herausragend komponierten Schnitt ist in den vergangenen Jahren eine Art Markenzeichen von Michael Mann geworden. Bis auf „Der letzte Mohikaner“ sind all seine Werke mit einem eiskalten Blaustich versehen, der sie unverwechselbar macht. Diesem visuellen Konzept bleibt der Regisseur auch bei „Collateral“ treu. Das Thriller-Drama lebt zunächst einmal von seiner atemberaubenden Atmosphäre, die in düster-kühlen Bildern transportiert wird. Um dem ungewöhnlichen Zeitkonzept - die Handlung ist auf zehn Stunden komprimiert - gerecht zu werden und den Nachtdreh so klar und präsize wie möglich zu gestalten, filmte Mann 85 Prozent der Szenen auf HD-Digitalvideo und ist so immer nah am Geschehen. Grandios versteht es Mann wieder einmal, Optik, Musik und Dialoge zusammenzubringen. Der elektrisierende Score kreuzt Elemente aus Jazz, Ambient, Rock und Techno. Mann gönnt seinen Protagonisten, wie immer bei seinen Filmen, viel Platz, ihre Charaktere zu entfalten und zu vertiefen.

    Jamie Foxx („An jedem verdammten Sonntag“) glänzt nach „Ali“ wieder in einer ernsthaften Rolle. Sein Taxifahrer Max ist ein aufrechter, freundlicher und einfacher Mann, der im rechten Augenblick über sich hinauswachsen muss. Foxx gelingt genau die nuancierte Mischung aus Angst und Mut, die nötig ist, seinen Charakter glaubhaft zu machen. Tom Cruise („Magnolia“, „Vanilla Sky“, „Last Samurai“) hat sichtbar Freude an seiner zweiten Bösewichtrolle (nach „Interview mit einem Vampir“) und kann erneut die Kritiker Lügen strafen, die ihn nur für einen durchschnittlichen Schauspieler halten. Mann inszeniert ihn mit stahlgrauen Haaren und Stoppelbart als eiskalten, kompromiss- und gewissenlosen Todesengel. Cruise meistert seine Rolle mit Bravour, gibt seiner Figur Tiefe, wenn er über das Leben philosophiert oder einen Jazzclubbesitzer von seiner Begegnung mit Miles Davis schwärmen lässt, bevor er ihm die Lebenslichter ausbläst. Trotz aller Gegensätzlichkeiten finden die beiden so unterschiedlichen Hauptfiguren Vincent und Max immer wieder Anknüpfungspunkte. Der Soziopath und der Menschenfreund haben mehr gemeinsam, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Das geht sogar soweit, dass der Zuschauer eine gewisse Sympathie für den sarkastischen Killer nicht verbergen kann. Das spricht eindeutig für die Leistungen Cruises. Von den Nebenfiguren hinterlässt Jada Pinkett Smith („Ali“, „Set If Off“, „Matrix II/III“) den prägnantesten Eindruck. Ihr kurzer Auftritt zu Beginn, der dabei hilft, Max zu charakterisieren, bleibt im Gedächtnis, sodass sie im Finale als Figur noch präsent ist, obwohl sie zwischenzeitlich kein einziges Mal zu sehen war.

    Bei allem charakterlichen Tiefgang, den „Fluch der Karibik“-Co-Autor Stuart Beattie seinem Personal mit einer Prise Humor auf den Leib schrieb und der Atmosphäre, die Mann erzeugt, hat der Film bis zum großen Finale einen kleinen Haken. Die Spannung bezieht „Collateral“ mehr aus den einzelnen Szenen als aus seiner Gesamtheit. Langweile kommt gewiss nicht auf, aber hundertprozentig furios wird es erst in Richtung Ende. Der Shootout in dem asiatischen Nachtclub ist beispielsweise an hypnotischer Brillanz und Dichte kaum zu toppen und erinnert hier stilistisch am stärksten an Manns Meisterwerk „Heat“. Beim elektrisierenden Finale bekommt der Film einen merkwürdigen Bruch. Die Inszenierung ist konventioneller als das zuvor Gesehene, dafür steigt die Spannung plötzlich sprunghaft an und packt den Zuschauer. Die Charakterstudie tritt in den Hintergrund, die Action dominiert.

    „Collateral“ ist innovative, intelligente Unterhaltung, die aber nicht ganz das Niveau von Manns Meisterstücken „Heat“ und „The Insider“ erreicht. Mit grandiosen Bildkompositionen und den starken Darstellern glänzt der Film durch eine perfekte Stimmung, die über kleinere Mängel in Sachen Spannungsaufbau gern hinwegsehen lässt. Und somit untermauert Michael Mann seinen Ruf als visuell brillanter und innovativer Filmemacher und kann diesmal sogar einen kommerziellen Erfolg vorweisen...

    Zum Fimstarts-Interview mit Tom Cruise, Micheal Mann und Jada Pinkett Smith

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