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    An Deiner Schulter
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    An Deiner Schulter
    Von Claudia Holz

    Hat irgendjemand eine Ahnung, was Kevin Costner diese Tage so treibt? Zugegeben, das war eine Fangfrage, denn sonst würdet ihr diesen Text hier nicht lesen. Aber seit ungefähr fünf Jahren ist es ruhig geworden um den Ex-Robin-Hood - und keiner hat es so richtig mitgekriegt. Den letzten großen Erfolg feierte Costner mit "Thirteen Days" von Roger Donaldson und dann war der "Postman", der einst in "Waterworld" mit dem "Bodyguard" tanzte, nur noch in den USA halbwegs präsent. Obwohl Costners stilvolles Western-Revival "Open Range" von Kritikern gut aufgenommen wurde, brachte der Streifen dennoch nicht den erhofften weltweiten Erfolg. Nun ist Kevin Costner zurück und überrascht in Mike Binders Tragikkomödie "An deiner Schulter" als alternder Baseballstar (na gut, das ist nun wirklich keine Überraschung) und Aktivalkoholiker an der Seite von Joan Allen.

    Terry Wolfmeyers (Joan Allen) Ehemann hat sich wohl mit seiner schwedischen Sekretärin abgesetzt und die Hausfrau und Mutter von vier fast erwachsenen Töchtern sitzen lassen. Den Kummer um diesen Verlust ertränkt Terry im Alkohol, bis der ehemalige Profi-Baseballspieler und Nachbar Denny Davies (Kevin Costner) sich zu ihr gesellt. Auch er versucht, den Verlust seiner Karriere in Bier und anderem Hochprozentigen zu ersaufen. Wobei sich jedoch bei Denny die Frustration über die Jahre in Lethargie verwandelt hat, treibt Terry der Hass und die Wut weiter. Dies bekommen auch ihre Kinder zu spüren, die allesamt versuchen, ihre eigenen Wege zu gehen und dabei ständig mit der Mutter aneinander geraten. Andy (Erika Christensen) beginnt ein Praktikum in der Radiostation, wo Denny sein Geld als Moderator verdient, und lässt sich auf den Schürzenjäger-Produzenten Adam "Shep" Goodman (Regisseur Mike Binder) ein, anstatt aufs College zu gehen. Emily (Keri Russell) möchte für ihr Leben gerne Ballett-Tänzerin werden, natürlich gegen den Willen der Mutter, die sich etwas Bodenständigeres für ihre Tochter vorgestellt hat. Hadley (Alicia Witt) verheimlicht ihre Romanze und die Jüngste, Popeye (Evan Rachel Wood), verführt einen Jungen, in der Hoffnung, dass er sie eines Tages entjungfern wird. Noch vor der Trennung von ihrem Ehegatten hätte Terry wahrscheinlich niemals ihre Töchter so sehr verurteilt, doch ihr persönlicher Schmerz sitzt so tief, dass sie die Kraft für Verständnis nicht mehr aufbringen kann. Bis zum Ende, das noch einen Überraschungstwist bereithält, müssen allerhand Verwicklungen ausgestanden werden. Es gibt eine Hochzeit, eine Beerdigung und jede Menge Romanzen.

    Obwohl die Zutaten für ein zweites "American Beauty" alle vorhanden sind (da wäre die Rasen sprengende Vorortgesellschaft der USA, ein Ensemble, welches seines gleichen sucht, ein mit komödiantischen Elementen durchsetztes Melodrama, und, und, und…), schafft es "An deiner Schulter" längst nicht, den richtigen Ton für alles zu finden. Obwohl die Schauspieler durchweg gut sind - vor allem Joan Allen überzeugt als verlassene Trinkerin und auch Kevin Costner bewegt erstmals seit "Tin Cup" wieder die Lachmuskeln seines Publikums - bleiben die Emotionen leider an der Oberfläche. Das liegt vor allem daran, dass Terry Wolfmeier es einem nicht leicht macht, sie sofort ins Herz zu schließen. Mit ihrer Wut, der unnötigen Sauferei und den Ungerechtigkeiten gegenüber ihren eigentlich reizenden Töchter, muss sie sich leider als frustrierte und schwache Zicke bezeichnen lassen, obwohl der Betrug des Ehemanns selbstverständlich ein harter Schlag gewesen sein muss. Und die vielfältigen Probleme mit Terrys Kindern tauchen sehr unvermittelt gerade zu dem Zeitpunkt auf, als es Terry selbst schlecht geht. Außerdem verschärfen diese Konflikte zwar Terrys Unmut, dennoch haben sie aus rein dramaturgischer Sicht keinerlei Einfluss aufeinander, was nicht gerade für das Drehbuch spricht.

    Dennoch schafft es Binder, der selbst eine Nebenrolle spielt, die Aufmerksamkeit des Zuschauers dadurch zu erlangen, dass er überrascht. Vor allem durch die Schauspieler, aber auch durch absurde Situationen, die sich nicht in jedem dahergelaufenen Melodram finden lassen. Wie zum Beispiel Terrys Vision davon, dass am gedeckten Abendbrottisch dem neuen, unbeliebten Freund der Tochter der Kopf explodiert. Dies ist hier wörtlich zu verstehen und alles in allem eine blutige Angelegenheit (die Ironie, dass sich der Regisseur hiermit selbst in die Luft sprengt, ist allerdings nur als Insider-Witz zu verstehen). Und Kevin Costner erneut als Baseball-Legende zu besetzen und ihm damit die Möglichkeit zu geben, sich in mehreren Szenen selbst zu parodieren, war wider aller Erwartungen ein echter Glücksfall. Angeblich hat sich Costner für diese Rolle zehn Kilo angefressen, doch wer's glaubt wird selig. Egal, in jedem Fall liefert er den notwendigen Comic-Relief, wenn Binder mal wieder mit Schmalz agiert. Denny ist ein gescheiterter Charakter, der in Terrys Familie einen Notanker für sein Leben sieht. Mit den Töchtern versteht er sich blendend und obwohl er dringend einen Entzug machen müsste, haben die Mädchen in ihm mehr von einer männlichen Bezugsperson, als von ihrem abwesenden Vater. Doch vor allem für Terry wird er ein Freund und eben die Schulter, an die sie sich anlehnen kann.

    Obwohl "An deiner Schulter" nicht frei von Fehlern ist (vor allem an einem roten Faden fehlt es in der Geschichte, da die Kapitel oft wahllos aneinandergereiht wirken und auch das ein oder andere Klischee bleibt einem nicht erspart), sollte sich der geneigte Zuschauer nicht gleich abschrecken lassen. Spätestens im dritten Akt macht alles einen Sinn und bis dahin heißt es: Einfach zurücklehnen und die Probleme reicher Leute genießen.

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