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    Land of the Dead
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Land of the Dead
    Von Alina Bacher

    Wenn es etwas gibt, vor dem die Zombie-Fangemeinde schon immer Angst hatte, dann sind das denkende, lernende, ja sogar fühlende Zombies. Schon allein bei der Vorstellung, dass einer der heißgeliebten Untoten auch nur auf die Idee kommt, mit den anderen seines Schlages zu reden, schüttelt jeder Genre-Fan ungläubig den Kopf. Der erste Gedanke ist natürlich: Das kann nur nach hinten losgehen. „Land Of The Dead“ zeigt, dass dem nicht so ist. Zombieliebhaber dieser Welt hört und staunt, denn wenn Altmeister George A. Romero nach 20 Jahren noch einmal das Kommando über die Untoten übernimmt, verspricht das sozialkritische Gore-Orgien auf höchstem Niveau. „Land Of The Dead“ zählt zu den besten Horrorfilmen dieses Jahres. Blutig, kritisch, unterhaltsam – ein echter Romero eben.

    Schöne, heile Welt - davon kann die Menschheit nur noch träumen. Wo einst Kinder auf den Straßen spielten, wandeln nun Fleisch fressende Zombies. Die wenigen Überlebenden dieses Albtraums haben sich in einer Stadt verbarrikadiert. Hinter meterhohen Wällen versuchen sie, ein einigermaßen normales Leben zu führen, während draußen die Untoten dahinfaulen. Doch auch in der Stadt gibt es Probleme. Die Reichen und Mächtigen wohnen im Luxus, in einem gläsernen Hochhaus mit dem Namen „Fiddler’s Green“. Restaurants, Shoppingmeilen und Luxusappartements lassen den Horror außerhalb der Stadtgrenzen vergessen. Die Realität der Durchschnittsbevölkerung sieht ganz anders aus. Die breiten Massen hausen in den Slums vor der Stadt und müssen für einen geringen Lohn tagtäglich ihr Leben riskieren. In den Zombiesiedlungen stehlen sie Nahrungsmittel und andere wichtige Güter für die Stadtbewohner, allen voran für die wohlhabenden Fiddler’s Green. Der skrupellose Geschäftsmann Kaufman (Dennis Hopper), Besitzer von Fiddler’s Green und der einflussreichste Mann der Stadt, sorgt dafür, dass diese soziale Ungerechtigkeit auch weiter erhalten bleibt, denn schließlich begründet darauf seine unangefochtene Machtposition. Doch das Leben verändert sich, sowohl vor als auch hinter den Stadtmauern. Während in den Slums der Ruf nach einer Revolte gegen die Oberschicht laut wird, fangen die wandelnden Untoten an, sich zu entwickeln. Die hungrigen Monster beginnen zu lernen, miteinander zu kommunizieren und sich zu organisieren. Unter der Führung des Ober-Zombies Big Daddy (Eugene Clark) formiert sich eine wahre Zombiearmee, die Kurs auf die Stadt nimmt. Den Menschen hinter den Wällen bleibt nur wenig Zeit, um sich vor den heranrückenden, untoten Massen zu verteidigen. Zu dumm, dass ausgerechnet jetzt Cholo (John Leguizamo), einer von Kaufmans Söldnern, sich um sein Geld betrogen fühlt und mit der mächtigsten Waffe gegen Zombies, dem Raketen spuckenden Panzer Dead Reckoning, die Stadt verlässt und damit droht, die Raketen auf Fiddler's Green zu feuern. Kaufman schickt Riley (Simon Baker), seinen besten Mann, los, um die Universalwaffe wiederzubeschaffen, bevor die Zombies auch die letzte Zuflucht der Menschheit in Schutt und Asche legen...

    George A. Romero - der Name zergeht Horrorfans auf der Zunge. 1968 schuf er mit einer kleinen Low-Budget-Produktion mit dem Titel „Night Of The Living Dead“ einen Meilenstein der Filmgeschichte. Der erste moderne Zombiefilm war geboren. Und mit ihm ein Genre, das Menschen auf der ganzen Welt begeistert. Die Mischung aus übertrieben blutigen Gore-Gemetzel, unerbittlichen Schockeffekten und hintergründiger Sozialkritik schlug seinerzeit ein wie eine Bombe. Seitdem haben viele Filmemacher - manchmal mehr, manchmal weniger erfolgreich - versucht, auf Romeros Zombiewelle mitzureiten. Doch Romero selbst ist und bleibt der unangefochtene König der Untoten.

    Nach zwei Jahrzehnten Zombie-Abstinenz erweiterte die Horror-Legende

    seine alterwürdige Metzel-Trilogie um einen vierten Teil und schlägt mit

    einem Budget von 17 Millionen Dollar ein neues, lang ersehntes Kapitel des

    Horrors auf. Land Of The Dead“ führt die Horror-Mythologie in ein neues Zeitalter. Die Idee, dass sich ein paar Überlebende verbarrikadieren ist nicht neu, gehört aber einfach mit zur Grundausstattung eines Zombiefilms. Mit dem sozialen Gefälle hinter den Barrikaden zielt Romero gekonnt auf unsere heutige Gesellschaft ab, in der die Unterschiede zwischen Reich und Arm immer drastischer werden. Diese Sozialkritik spielt in Romeros Filmen immer eine große Rolle. Im Gegensatz zu den Anspielungen auf den Materialismus und das Konsumverhalten in „Dawn Of The Dead“, fallen die kritischen Aspekte in „Land Of The Dead“ etwas stärker aus. Soziale Ungerechtigkeit, Kapitalismus aber auch die Reaktion der Weltbevölkerung auf die terroristischen Bedrohungen stellt Romero kritisch in Frage. Die Menschen im Fiddler’s Green versuchen, den Terror außerhalb der Stadtgrenzen einfach zu verdrängen und zu überspielen. Dass dieses Verhalten sie letztendlich in die Katastrophe stürzt, davon kann sich jeder Kinozuschauer selbst ein Bild machen.

    Doch neben all der Gesellschaftskritik, kommt auch der Horror nicht zu kurz. Der Altmeister greift hierfür tief in die Special-Effects-Kiste. Besonders Make-up-technisch hebt sich der Film von vielen Möchtegern-Romeros ab. Greg Nicoteros und Howard Bergers Untote sehen so real aus, als wären sie gerade dem örtlichen Friedhof entstiegen. Natürlich werden die typischen Zombieklischees bedient. Rumgestöhne, langsames Dahinschleppen und die obligatorische Axt (wahlweise hat Romero auch den Presslufthammer, das Maschinengewehr und das Fleischermesser anzubieten). Manch eingefleischter Zombiefreak wird nun aufschreien, denn ein mit einem Maschinengewehr bewaffneter Untoter passt nicht in das standardisierte Zombieschema. Doch Romeros Metzelmonster sind anders. Sie fangen an zu denken, zu fühlen, zu kommunizieren und aus ihren Erfahrungen zu lernen. Das hebt den Zombie-Horror auf eine ganz neue Stufe, denn es macht dem Zuschauer begreiflich, dass die vermeintliche Höllenbrut sich von den „gesunden“ Menschen nicht so sehr unterscheidet, wie diese es gerne hätten.

    Für schwache Mägen ist „Land of the Dead“ sicher nicht geeignet. In altbewährter Manier kostet Romero das Abschlachten und Auffressen bis an die Grenzen des guten Geschmacks aus. Explodierende Körper und zerschmetterte Schädel begleiten die bluttriefende Fressorgie. Auf der Speisekarte stehen neben dem üblichen Zwölffinger-Darm auch Beine, Arme und grundsätzlich alles, was der menschliche Körper so hergibt. Viel Lust auf Popcorn oder Tortillachips bleibt da nicht mehr. Ob Gore in diesem Ausmaß wirklich nötig ist, sei dahingestellt. Doch wer Romeros Filmwerk kennt, der weiß, dass ohne Blut und Gedärm nichts geht.

    Schauspieltechnisch gibt es nicht viel zu bemängeln. Dennis Hopper mimt den über Leichen gehenden Geschäftsmogul so überzeugend, dass man als Zuschauer ihm am liebsten selbst an die Gurgel springen möchte. Doch dafür gibt es ja unsere untoten Freunde, die sich seiner auf einer ganz anderen Art und Weise entledigen. Warum Romero allerdings Simon Baker für die Hauptrolle engagiert hat, bleibt fraglich. Der Australier ist ein wenig zu glatt und liebenswürdig für die Rolle des zombiekillenden Söldners Riley. Das liegt zum Teil auch daran, dass die Figur selbst nicht sonderlich viel zu bieten hat. Sein Gegenpart, John Leguizamo, macht seinen Job da schon besser. Schön fies und egoistisch liefert er seine Version des geldgierigen Draufgängers ab. Ein Blick auf die Seite der Untoten: Zombieanführer Big Daddy (Eugene Clark) macht sich mit seinem Gestöhne besser verständlich, als manch „menschlicher“ Schauspielkollege. Zombiefleischer und Zombiecheerleader sind einfach lustig und wer genau hinsieht, der wird auch das ein oder andere bekannte Gesicht unter den hungrigen Kannibalen entdecken. Eines sei verraten: Der Macheten-Zombie wird von Tom Savini, ehemals Make-up-Spezialist für Romeros frühere Filme und mittlerweile selbst Regisseur, gespielt.

    „Land Of The Dead“ hätte das Zeug zum Kultklassiker, wäre da nicht das sehr schnelle und sehr schwache Ende. Innerhalb weniger Minuten ist das Spektakel vorbei. Oder besser gesagt: Die Leinwand wird schwarz. Ein echtes „Ende“ gibt es in diesem Sinne nicht. Schade, ein paar Minuten Gemetzel mehr hätten den mittlerweile wohl abgehärteten Zuschauern sicher nichts ausgemacht. „Land Of The Dead“ ist ohne Zweifel eines der Horror-Großereignisse. Der Altmeister ist endlich zurück und mit ihm das Genre, das er groß gemacht hat. Zombiefans dieser Welt, lasst uns den Starttermin mit Blut in unsere Kalender eintragen und fortan als Feiertag zelebrieren, denn das Genre hat ihn nach jahrzehntelanger Pause endlich wieder: George A. Romero - den unangefochtenen König der Zombies!

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