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    Joint Security Area
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    5,0
    Meisterwerk
    Joint Security Area
    Von René Malgo

    Gleich mit seinem zweiten Film liefert der südkoreanische Starregisseur Chan-Wook Park (Sympathy For Mr. Vengeance, Oldboy, Sympathy For Lady Vengeance) ein außergewöhnliches Action-Drama ab, das getrost als Meisterstück gelten darf.

    An der Grenze zwischen Nord- und Südkorea kommt es zu einer blutigen Auseinandersetzung zwischen den Grenzposten. Eine neutrale Untersuchungskommission aus der Schweiz und Schweden wird alarmiert. Vorsitzende ist Major Sophie E. Jean (Yeong-ae Lee), eine Schweizerin mit koreanischen Eltern. Während der Ermittlungen stößt sie immer mehr auf Widersprüche und muss erfahren, dass beide Seiten nicht all zu sehr an der Wahrheit interessiert sind. Tatsächlich waren die am Vorfall beteiligten Grenzsoldaten entgegen aller Vorschriften Freunde…

    Es beginnt wie eine koreanische Variante von Eine Frage der Ehre. Das allerdings ist „Joint Security Area“ bei weitem nicht. Das Thema des Films traf den Nerv des süd-koreanische Publikums. Es geht u.a. um den Wunsch nach Wiedervereinigung. Sechs Millionen Zuschauer allein in Südkorea sprechen für sich. Der bisherige Rekord von Shiri (2,43 Mio.), ein Film der sich auch schon mehr oder weniger differenziert mit der politischen Situation zwischen Nord- und Südkorea auseinander gesetzt hat, wurde mit großem Abstand eingestellt. „Joint Security Area“ hält in denkwürdigen Szenen den bizarren Effekt der Grenzaufteilung zwischen Nord und Süd fest. Kein Wunder also, dass der Film gerade in seiner Heimat sehr gut aufgenommen wurde. „Joint Security Area“ gehörte zum Programm der Berlinale 2000, ging aber trotz positiver Resonanz leer aus, startete aber wenigstens 2002 in den deutschen Kinos.

    „Joint Security Area“ einem Genre zuzuordnen, fällt schwer. Die erste Einstellung mitsamt Vollmond, Eule, kahlen Bäumen und Regen erinnert an alte Gruselklassiker. Der verwunderte Betrachter wähnt sich fast schon im falschen Film. Dann geht es wie in einer Mischung aus Krimi und Militär-Thriller weiter. Mit fortlaufender Dauer der Spielzeit aber wandelt sich die Geschichte immer mehr zum Polit-Drama. Ein Drama, das durch harte, verstörende Actionszenen immer wieder unterbrochen wird. Hinzu kommen humoristische Parts im Mittelteil, die in einem starken Kontrast zum dramatischen Finale stehen. Kontraste – dafür steht dieser stilvoll gedrehte Film, der mit schönen Bildern, selbst in den finstersten Momenten, Poesie vermitteln kann.

    Die gesamte Inszenierung von „Joint Security Area“ ist - gelinde gesagt - speziell. Sie vereint alle Vorzüge von „Shiri“ in sich und übertrifft sie noch. Das bedeutet: Optisch extravagante Hongkong-Ästhetik trifft auf den hollywoodschen Blockbuster-Stil. Die episodenhafte Erzählstruktur wird durch rasante Schnitte einerseits und geruhsamen Panoramaaufnahmen andererseits scheinbar widersprüchlich visualisiert. Die mit Computerschrift und Pieptönen angekündigten Zeitangaben erinnern an US-Spionage-Thriller aus Zeiten des Kalten Krieges. Trotzdem bleibt der Stil am Ende als erstaunlich homogen in Erinnerung. Der ambitionierte Inhalt verliert sich nicht in optische Spielereien und kühle Sterilität. Der inhaltliche Anspruch behauptet sich dank der politischen Brisanz und zahlreicher intelligenter Plotdetails. Details, die oftmals in witzigen Situationen münden und den Irrsinn der Grenze zwischen beiden Ländern unterstreicht. Wenn der eine Grenzsoldat dem anderen sagt: „Dein Schatten fällt über die Grenze“; oder beide Grenzsoldaten anfangen, über die Grenzlinie zu spucken und das Ganze in einen Spuckwettbewerb ausartet, ist das nicht nur witzig anzusehen, sondern dokumentiert auch deutlich die Haltung des süd-koreanischen Films.

    Es fällt schwer, „Joint Security Area“ in all seinen Nuancen zu folgen. Der Film arbeitet mit mehr als nur einer Rückblende und scheut auch vor Zeitsprüngen nicht zurück. Hinzu kommt ein Namensdickicht, aus welchem der westliche Zuschauer vor lauter Parks und Nams schwer schlau wird. Jedoch füllt jeder Darsteller seine Rolle zur vollsten Zufriedenheit aus, sodass ein Zugang zu den meisten, nur auf den ersten Blick ähnlich erscheinenden Figuren gewährleistet ist. Das Drehbuch hält genug Passagen parat, die dem Publikum die Charaktere näher bringen. Und gerade die Ähnlichkeit zwischen den feindlichen Soldaten dokumentiert die Unsinnigkeit einer von Politikern geschaffenen Grenze inmitten eines einst einigen Landes.

    Der inszenatorische Einfallsreichtum und eine damit einhergehende formale Perfektion sowie das intelligente Drehbuch egalisieren mögliche, kleinere Schwächen. „Joint Security Area“ ist ein trauriger Film, der aufzeigt, dass eine verbotene Freundschaft unter Bedingungen, wie sie beide Staaten geschaffen haben, nicht auf Dauer funktionieren kann. Es beginnt mit dem zu untersuchenden Tod einiger dieser Freunde und in nicht-chronologischer Reihenfolge wird konsequent der Weg zum tragischen Showdown erzählt. Nichtsdestotrotz lässt sich Regisseur Chan-Wook Park eine optimistische Schlussnote nicht nehmen. Diese äußert sich in einem scheinbaren Schnappschuss an der Grenze. Sie darf zu den außergewöhnlichsten und besten Schlusspointen der Filmgeschichte überhaupt zählen. Wer wissen will, was genau dieses Bild zeigt, dem sei der Film ans Herz gelegt. Eine cineastische Bereicherung stellt er allemal dar.

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