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    Dark Star
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Dark Star
    Von Björn Helbig

    „Dark Star“ ist ein urkomisches, trashiges Weltraumabenteuer, das zu unrecht auf eine Parodie von Kubricks „2001 – Odyssee im Weltraum“ reduziert wird. Zwar ist jede Spitze, die in Richtung des großen Bruders ausgeteilt wird, für den Zuschauer ein Vergnügen, doch erwartet diesen vielmehr: Ihn erwartet eine moderne Passionsgeschichte sowie – zu guter letzt – Erlösung.

    John Carpenters Film erzählt die Geschichte von vier Astronauten, die sich mit ihrem Raumschiff Dark Star seit 20 Jahren auf Dienstreise befinden. Ihr Job ist es, instabile Planeten aufzuspüren und dann mittels intelligenter Atombomben zu zerstören. Nachdem der alte Kommandant Powell (Joe Saunders) durch einen Kurzschluss in seinem Sitz getötet wurde (und seitdem ein zombiehaftes Dasein in einer Gefrierkammer das Schiffes führt) und sich eine Vorratskammer selbst zerstört hat, so dass der gesamte Vorrat an Toilettenpapier auf dem Schiff vernichtet wurde, ist die Atmosphäre an Bord der Dark Star nicht die beste. Aber auch ohne die diversen Zwischenfälle und technischen Pannen kann man die vier Crewmitglieder nicht als glückliche Menschen bezeichnen. Sie leiden extrem unter der Monotonie ihrer Arbeit, der Wochen oder Monate dauernden Langeweile und der Antipathie, die sie dem größten Teil ihrer Kollegen entgegen bringen. Dabei gehen die vier ganz unterschiedlich mit der Situation um: Doolittle (Brian Narelle), der neue Kommandant, ist frustriert und betrachtet seine Aufgabe als völlig sinnlos. Dabei vertreibt er sich die lange Weile mit Träumereien und dem Musizieren auf selbst gebastelten Instrumenten; Pinback (Dan O'Bannon), der eigentlich gar nicht Pinback heißt, sondern nur durch ein Versehen den Raumanzug des echten Pinbacks anhatte und sich irrtümlich auf der Dark Star befindet, versucht die anderen durch kleine Witze aufzubauen und beschäftigt sich darüber hinaus mit einer extraterrestrischen Lebensform – dem Exoten –, die er bei einer Mission mit auf das Schiff genommen hat. Boiler (Cal Kuniholm) hat die Monotonie des Weltraums in einen aggressiven Charakter verwandelt, bei Talby (Dre Pahich) hat sie beinahe zum Gegenteil geführt: Er hat sich von den anderen abgesondert, verbringt seine Zeit in der Aussichtskuppel der Dark Star und träumt von den legendären Phönix-Asteroiden.

    John Carpenters frühes Werk „Dark Star“ wurde mit knapp 60.000 Dollar gedreht und dieses vergleichsweise kleine Budget ist dem Film auch stets anzumerken. Doch, wie das bei Kultfilmen so ist, das fehlende Geld und die damit verbundenen trashigen Effekte stören nicht weiter, im Gegenteil: In diesem Fall verleihen sie dem Film sogar noch eine gehörige Portion zusätzlichen Charme. Mehr noch – manchmal scheint ein kleines Budget das ungeahnte Potenzial ihrer Macher freizulegen. Sie können ihren Film nicht mehr hinter Effekten verstecken, so dass sie gefordert sind, mehr Mühe auf die wesentlichen Momente zu verwenden. Dabei offenbart John Carpenter sein größtenteils unbekanntes Talent im Bereich Humor. Beinahe möchte man sagen, sein starkes Genre ist nicht der Horrorfilm, sondern die Komödie. Drehbuch und Regie arbeiten bei „Dark Star“ perfekt zusammen.

    Die Dialoge, welche die Crew der Dark Star mit ihren sprechenden Atombomben führen, sind einfach witzig, allen voran der Abschlussdialog des Films, in dem Doolittle eine Bombe per philosophischer Exkurse davon überzeugen will, nicht zu explodieren. Auch Pinbacks Jagd auf den entflohenen Exoten – der aussieht wie ein großer Gymnastikball – ist eine einzige Freude. Darüber hinaus sind es eine Menge Kleinigkeiten, die „Dark Star“ zum Brüllen komisch machen, die aber auch für die deprimierend aussichtslose, langweilig-monotone Atmosphäre sorgen. (Ein Zuschauer, dessen Humor der Film nicht trifft, wird sich demzufolge vielleicht bei den langen Einstellungen und der schleppenden ersten Hälfte langweilen.) Ein weiterer Pluspunkt sind auch die Schauspieler, die es schaffen, den vier wortkargen Weltraumhippies trotz des Minimums an Performance einen eigenen Charakter zu verleihen. Herrlich, wie Dre Pahich als Talby mit großen Augen in seiner Aussichtssektion des Raumschiffes sitzt und sehnsuchtsvoll in das endlose Schwarz schaut; oder wie Cal Kuniholm es schafft, seinem Charakter Boiler ohne viel Mimik den Anschein eines 20 Jahre aufgestauten Wahnsinns zu geben, der sich jeden Moment kathartisch zu entladen droht.

    Oftmals wird „Dark Star“ als Parodie auf Kubricks „2001“ gedeutet und herausgestellt, dass sich die wahre Komik des Films nur in Kenntnis des Originals erschließt. Sicher, es gibt einige Anleihen und ironische Anspielungen auf „2001“ – so ist es in „Dark Star“ statt des Supercomputers HAL eine beinahe lüstern klingende Frauenstimme („Mother“), welche die Besatzung über den Zustand des Schiffs unterrichtet. Ebenso ist die geheimnisvolle, mythische Kraft des Weltraums aus Kubricks Werk in „Dark Star“ einem Weltraum „als langweiligstem Ort des Universums“ gewichten; komplementär zu „2001“ ist auch das Ende von „Dark Star“, wo die intelligente Maschine nicht überwunden werden muss, um die Geheimnisse des Lebens zu erfahren, sondern eine intelligente Atombombe als Erlöser der vier gebeutelten Existenzen fungiert. Damit wird der Film fast zu einer Passionsgeschichte, in welcher der Mensch zu guter Letzt von seinem Leid – und damit auch von seinem Traum eines geheimnisvollen Universums – befreit wird. Doch wäre es verfehlt, Carpenters Film auf eine Parodie zu reduzieren. Im Gegenteil scheint „Dark Star“ seinerseits wiederum viele nachfolgenden Filme inspiriert zu haben: so ist z. B. das überlichtschnelle Fliegen den in „Star Trek“ und „Star Wars“ benutzten Effekten gar nicht so unähnlich. Und wenn man der Legende glauben darf, hat O’Bannon (Drehbuch und der Schauspieler von Pinback) Pinbacks Jagd auf den Exoten zu dem Drehbuch von Ridley Scotts „Alien“ inspiriert.

    Bei der inflationären Verwendung des Begriffs „Kultfilm“ mag sich mancher schwer tun, dieses Prädikat unbefangen einem Film zuzuschreiben. Wenn man unter einem Kultfilm allerdings einen Film versteht, der eine eher kleine, aber dafür umso treuere Anhängerschaft besitzt, der noch Jahrzehnte nach der Premiere regelmäßig zelebriert wird und dessen Fans jede – oft auch trashige – Kleinigkeit an diesem Film schätzen, dann muss John Carpenters „Dark Star“ auf jeden Fall dazu gezählt werden. In diesem Sinne: Es werde Licht!

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