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    Nightmare - Mörderische Träume
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Nightmare - Mörderische Träume
    Von Ulrich Behrens

    Freddy Krueger – der Inbegriff des Horrors schlechthin? Selbst wenn man nicht so weit gehen will, steht der Name für ein Genre – neben Michael Myers, Like Jason u.a. Ebenso Wes Craven, der sich seit dem ersten Teil der Nightmare-Serie einen Namen im Bereich des Horrorfilms gemacht hat. Dabei fußt die Idee zu diesem 91 Minuten dauernden Alptraum – wenn man dem Glauben schenken will – einer der berühmten „wahren Begebenheiten“. Kinder in Taiwan sollen gestorben sein, als sie gewalttätige Alpträume hatten.

    Wir befinden uns in einer durchschnittlichen amerikanischen Stadt. Nancy Thompson (Heather Langenkamp), ihre Eltern – Vater Donald (John Saxon) ist Sheriff und lebt getrennt von Nancys Mutter Margaret (Ronee Blakley), die sich dem Alkohol hingibt – und ihre beste Freundin Tina (Amanda Wyss) führen das normale bürgerliche Leben wie die meisten anderen auch. Und selbst die Alpträume, die Tina quälen, sind zwar überhaupt nicht schön, veranlassen aber niemand zu außergewöhnlichen Vermutungen. Bis zu jenem Abend, als Tinas Eltern verreisen. Tina bittet Nancy, deren Freund Glen (Johnny Depp in jungen Jahren) und Tinas Freund Rod (Jesu Garcia alias Nick Corri), bei ihr zu übernachten. Tina hat Angst. Sie träumt jede Nacht von einer finsteren Gestalt mit rot-grün gestreiftem Pullover, einem vergammelten Hut auf dem Kopf, mit Messern an den Fingern statt Nägeln und einem dirty old shit face: schmutzig und verbrannt.

    Als die vier jungen Leute zu Bett gehen, träumt Tina wieder von diesem Monster. Nur, diesmal wird aus dem Traum brutale Wirklichkeit. Die Gestalt wirbelt Tina durch den ganzen Raum und zerschlitzt sie dabei auf brutale Weise. Rod – vor Entsetzen gelähmt – sieht nur, wie Tina zu Tode kommt. Die Horrorgestalt sieht er nicht. Rod wird als Tatverdächtiger festgenommen. Schließlich war er der einzige im Zimmer. Nancy allerdings glaubt nicht an seine Schuld. Sie hat dieselben Alpträume mit derselben Gestalt, die nur wenige einfache Sätze spricht nach dem Muster „Ich schlitze dich jetzt auf“ oder „Du entkommst mir nicht“. Als Nancy Rod im Gefängnis besuchen will, hat sie eine Vorahnung: Rod wird das nächste Opfer sein. Tatsächlich findet man Rod erhängt in der Zelle. Sheriff Thompson glaubt selbstverständlich an Selbstmord – was angesichts der Bluttat an Tina auch auf der Hand liegt. Nancy weiß es besser.

    Sie beschließt, den Kampf gegen die Gestalt aufzunehmen, denn nicht zu Unrecht vermutet sie, dass Glen und sie die nächsten Opfer sein sollen. Aus einem ihrer Träume bringt sie den Hut des Unheimlichen mit in die Realität. Aber selbst das kann niemand davon überzeugen, dass die Ursache für die Tragödien im Traum zu suchen sind. Nur ihre Mutter beginnt langsam zu zweifeln und erzählt ihr die Geschichte von Freddy Krueger, der vor Jahren mehrere Kinder entführt und ermordet hatte, aber nach seiner Festnahme wieder fliehen konnte. Ein aufgebrachter Mob, darunter die Eltern von Nancy und ihren Freunden hatten sich auf die Suche nach Freddy begeben. Sie fanden ihn und verbrannten ihn in einem Ofen. Nun scheint er sich an den Kindern der Mörder zu rächen.

    Da Nancy den Hut Freddys in die Realität mitbringen konnte, warum dann nicht auch Freddy selbst? Im Traum ist er recht lebendig, in der Realität jedoch tot. Das müsste die Lösung sein, um Freddy endgültig zu besiegen ...

    Der erste Teil der sieben Filme umfassenden Nightmare-Serie zeugt von einem grandiosen Spiel der Gegensätze von Traum und Wirklichkeit, Normalität und Ausnahmesituation, Wahrheit und Lüge und der Einheit, Unzertrennlichkeit dieser Gegensätze. Die Eltern wollen „schlafen“, das heißt ihr Verbrechen vertuschen bzw. im Verborgenen belassen. Ihre Kinder wollen „wach“ bleiben, denn die Alpträume sind nicht nur grässlich, sondern auch lebensgefährlich. Thompson, der Sheriff, hat die Aufgabe, für Ruhe und Ordnung zu sorgen, seine Mitmenschen vor Verbrechen zu bewahren – und hütet zugleich ein verbrecherisches Geheimnis. Nancy und die anderen, ihre unschuldigen Kinder, geraten durch die Alpträume in ihr Erwachsenendasein. Sie müssen plötzlich, unvermittelt und unausweichlich hinnehmen und akzeptieren, dass ihre Eltern mit Schuld beladen sind.

    Das „missing link“ in dieser scheinbar getrennten Welt von Sein und Schein ist Freddy Krueger, selbst schuldig und nicht einfach nur Rächer. Er repräsentiert in gewisser Weise – so paradox dies klingen mag – das Gewissen einer Welt der Heuchelei. Er hält seinen Mördern den Spiegel vor: Ihr habt mich gemordet, weil ich gemordet habe, also müsst auch ihr das verlieren, was ihr am meisten liebt, euer eigen Fleisch und Blut – Auge um Auge, Zahn um Zahn. Wer zum Schwert greift, soll durch das Schwert umkommen. Gewissen und Gewissenlosigkeit halten sich bei ihm sozusagen „die Waage“. Er ist die Instanz, an der sich erweist, wer die Schuld als Teil der Lebenswirklichkeit akzeptiert und doch zugleich mit ihr umzugehen weiß. Selbst gewissenlos, rächend, brutal ist Freddy die „zurückgekehrte“ Schuld, der sich die Schuldigen stellen müssen.

    Freddy Krueger ist Täter und Opfer zugleich. Für die Erwachsenen, die ihn ermordeten, ist er das Sinnbild des Bösen. Auf ihn können sie ihr eigene Schuld abwälzen. Aber wer dies tut, hat nicht lange Ruhe. Vor allem Nancy ist kein Kind mehr. Sie weiß, was sie will, aber sie ist nicht töricht. Sie nimmt den Kampf gegen Krueger und damit auch gegen das Verbrechen ihrer Eltern auf, intelligent, mit Plan 1 und Sicherheitsplan 2, um Freddy in die Realität zurückzuholen und ihn damit nicht nur zu töten, sondern ihm auch die ewige Ruhe zu verschaffen – und um das Verborgene zu offenbaren. Ihre Mutter hat bereits gestanden. Die anderen müssen folgen.

    Jaques Haitkin fotografierte diese Geschichte mit Licht- und Schatteneffekten glänzend. Die special effects sind sparsam und doch beeindruckend und erschreckend, z.B. wenn Johnny Depps Glen auf dem Bett liegend wie von einem Strudel nach unten gezogen wird oder sich in der Zelle um Rods Hals in einer Art Mischung aus Zärtlichkeit, Brutalität und Vorsicht die Schlinge des unsichtbaren Freddys windet. Diese Szene hat geradezu biblische Kraft. Die Schlange im Paradies, verführerisch und gefährlich in einem, das Leben und den Tod, das Gute wie das Böse repräsentierend vor einem Gott, der das Paradies aufgeben muss, der seine eigenen Kinder falsch eingeschätzt hat.

    Mit einem Budget von gerade einmal etwas mehr als einer Million Dollar ist „A Nightmare On Elm Street“ einer der besten seines Genres geworden. Die Möglichkeit Realität und Alptraum zu unterscheiden, fällt in einigen Szenen äußerst schwer. In einem übertragenen Sinn: die Differenz wird zunehmend geringer und damit unwichtiger.

    Der Horror endet nicht mit dem Sieg über Freddy Krueger. Das Ende ist offen, mag sein, auch wegen geplanter Sequels, doch diese fehlende Abgeschlossenheit der Geschichte entspricht ihrer Thematik. Schon in den alten Sagen endete der Alpdruck, dieser oft schmerzende, auf die Brust drückende und bedrückende Alp, der in vielerlei Gestalten auftauchen konnte, zwar – und das auch nur selten – mit dem Erwachen, schweißgebadet, aber damit war nur eine Schlacht gewonnen, nicht der Krieg selbst. „A Nightmare On Elm Street“ ist ein exzellentes Beispiel für die Fortsetzung der alten Sagen in neuem Gewand. Schuld und Sühne, Verstöße gegen Tabuverletzungen, das Übernatürliche als Mittel zur Sanktion gegen Normverstöße und Fehlverhalten, der Einbruch des Jenseits ins Diesseits, das Übernatürliche als Personifikation des Unbewussten aus einer Welt, die der Mensch nicht erklären kann und die doch nichts anderes als Teil seiner selbst ist – alle diese Elemente der klassischen Sagen begegnen uns in Horrorfilmen wieder.

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