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    Lucas, der Ameisenschreck
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Lucas, der Ameisenschreck
    Von Christoph Petersen

    Auf der Welt leben ca. 35.000 Ameisenarten, von denen einige bis zum 20-fachen ihres Körpergewichts stemmen können und die zwischen einem Millimeter und zweieinhalb Zentimeter groß werden. In John A. Davis´ Animationsabenteuer „Lucas der Ameisenschreck“, das auf dem um einige Ideen erweiterten Kinderbuch „The Ant Bully“ von John Nickle basiert, spielen solche Fakten allerdings kaum eine Rolle. Davis geht es nur darum, dass in einem Ameisenbau alle Mitglieder der Kolonie Hand in Hand zusammenarbeiten. Eine Tatsache, die dem Zuschauer über die knapp eineinhalb Stunden mit weit erhobenem Zeigefinger ausdauernd vor Augen geführt wird. Das nervt nicht nur irgendwann, sondern nimmt vor allem in der zweiten Hälfte sogar schon durchaus fragwürdige Züge an. Da können selbst einige recht nette Actioneinlagen nicht mehr allzu viel retten.

    Immer wenn der zehnjährige Lucas Nickle von den Jungen aus der Nachbarschaft geärgert wird, lässt er seine Wut anschließend mit dem Gartenschlauch an den Ameisen in seinem Garten aus - die sind als einzige noch schwächer als er selbst. Aber das lassen die Ameisen nicht lange mit sich machen: Ameisenzauberer Zoc braut einen magischen Trank, um „Lucas den Zerstörer“, wie Lucas in der Insektenwelt ehrfürchtig genannt wird, auf die Größe einer Ameise zu schrumpfen. Der Versuch gelingt und Lucas findet sich urplötzlich im Ameisenbau vor Gericht wieder – gegen den Willen vieler, die Lucas am liebsten sofort verspeisen würden, verurteilt die weise Ameisenkönigin ihn zu einem Leben in der Kolonie, damit er die anstrengende Arbeit der Ameisen kennen und schätzen lernt. Doch gerade als das Vorhaben erste Früchte zu tragen scheint und Lucas sich mit der Hilfe seiner geduldigen Lehrerin Hova (Stimme: Barbara Schöneberger) langsam in der Ameisenwelt zurechtfindet, fällt ihm wieder ein, dass er doch kurz zuvor den übergeschnappten Kammerjäger Stan Beals beauftragt hatte, alle Insekten der Wiese auszulöschen…

    „Lucas der Ameisenschreck“ ist mit seinen Wespenattacken, Froschfluchten und Ventilatorstürzen erheblich actionreicher als viele seiner Animationskollegen angelegt. Dabei sind die einzelnen Abenteuerszenarien durchaus abwechslungsreich, wenn auch nicht alle gleichermaßen kindgerecht ausgewählt. Aus den zahlreichen Anspielungen auf andere Filme oder Genres hätte man aber auch inszenatorisch einfach noch viel mehr rausholen müssen. So haben Lucas´ Wasserpistolen-Attacken oder der zungenschnalzende Frosch viel mit 50er-Jahre-Katastrophen- oder Monsterfilmen gemein, die Auseinandersetzungen mit den Wespen oder dem Kammerjäger wecken hingegen so manche Erinnerung an Sci-Fi-Schlachten von Krieg der Sterne bis Starship Troopers. Aber leider erinnern hier wirklich nur die Szenarien an die Vorbilder, die Inszenierung dieser Szenen hingegen nimmt sich kaum ein Beispiel an den Gegebenheiten der zitierten Genres. So bleibt eine nicht einmal zwanzig Sekunden lange Sequenz, in der man den Gang durch Lucas´ Zimmer aus der Ego-Perspektive einer Ameise betrachtet, die einzige visuell einfallsreiche Szene des gesamten Films. An der Humor-Front sieht es neben ein paar gelungenen Onelinern über die Unterschiede zwischen Ameisen und Menschen mau aus, vor allem die Auftritte der zahnlosen, alienjagenden Oma sind dabei eher dämlich als lustig geraten. So bleiben auf der Habenseite in erster Linie ein paar nett ausgearbeitete Charaktere, denen die eine oder andere Eigenschaft mehr als in vergleichbaren Produktionen zugebilligt wird.

    Würde man den Film nur nach seinen Action- und Humorelementen bewerten, würde man wohl irgendwo im „Nicht der Rede wert“-Mittelfeld landen. Aber Davis will nun einmal nicht nur unterhalten, sondern verbindet das Liliput-Abenteuer auch noch mit einer omnipräsenten Moralpredigt. Solange es nur darum geht, Lucas Respekt vor dem Leben aller Kreaturen einzutrichtern oder die Königin mit friedensstiftenden Ansprachen („Wenn wir ihn zerstören, sind wir für einen Tag sicher. Wenn wir aber seinen Weg zu denken verändern, besteht die Chance auf eine hellere Zukunft für uns alle!“) um sich schmeißen zu lassen, mag man den leicht arroganten Zeigefinger ja noch akzeptieren können. Aber wenn man mit unzähligen Beispielen von der Wichtigkeit der Zusammenarbeit und des Zusammenhaltens überzeugt werden soll, dann aber am Schluss feststellen muss, dass es bei den hohlen Phrasen wieder einmal nur darum ging, gemeinsam möglichst effektiv seine Feinde platt machen zu können, nimmt diese Lehrstunde in Verständnis und Miteinander doch noch ein sehr ernüchterndes Ende. Wie heißt es doch bei einer Turnstunde der kriegsbemalten Schülerameisen so schön: Wir lassen keinen Mann zurück! - nicht zufällig auch ein Wahlspruch der US-Marines.

    Die Welt ist ungerecht! Wie sooft beweist hier wieder einmal eine Animationssynchro, wie wahr dieser pessimistische Sinnspruch doch manchmal auch sein kann. Wirft der US-Voicecast, der immerhin von drei Oscarpreisträgern angeführt wird, nur so mit kompetenten Stars um sich, muss sich das deutsche Publikum mit einer einzigen bekannteren B-Besetzung zufrieden geben. So dürfen sich die amerikanischen Kids in der Originalfassung an den Stimmen von Julia Roberts (Erin Brockovich), Nicolas Cage (Leaving Las Vegas, World Trade Center), Meryl Streep (Couchgeflüster) und – besonders eingängig als psychopathischer Kammerjäger – Paul Giamatti (Sideways, Das Mädchen aus dem Wasser) erfreuen, während die deutschsprachigen Kinogänger sich einzig mit Barbara Schöneberger, die schon bei ihrem letzten Ausflug ins Kinderfilmgenre als gute Fee Amaryllis in Der Räuber Hotzenplotz eher genervt als unterhalten hat, zufrieden geben müssen.

    Für „Lucas der Ameisenschreck“ haben wir unsere Rechner völlig entrümpelt und ganz neu aufgebaut – wir haben keine Programme benutzt, die schon bei „Jimmy Neutron“ zum Einsatz kamen. (Regisseur John A. Davis)

    Und wirklich ist der technische Fortschritt seit Davis´ letztem Animationsspielfilm „Jimmy Neutron – Der mutige Erfinder“ nicht zu übersehen. Trotzdem hinterlässt der Stil von „Lucas der Ameisenschreck“ in Zeiten, in dem im hart umkämpften Animationsmarkt fast alle zwei Wochen eine neue Produktion in die Kinos geworfen wird, beim Zuschauer keinen bleibenden Eindruck. Denn auch wenn einem keine offensichtlichen Schwächen ins Auge fallen, ist es noch ein weiter Weg hin zur visuellen Qualität des neuesten Pixar-Werks Cars – und einen ganz eigenen Stil, wie ihn zum Beispiel Sonys Monster House für sich gefunden hat, kann man den 08/15-Bildern nun auch nicht gerade nachsagen. Betrachtet man all diese Schwächen und das Insektenaufgebot gemeinsam, bleibt einem als Schlussfazit eigentlich nur noch festzuhalten: „Lucas der Ameisenschreck“ ist trotz einiger unterhaltsamer Momente nicht mehr als das ganz, ganz kleine Krabbeln.

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