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    Vinzent
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,0
    schlecht
    Vinzent
    Von Björn Helbig

    Ein „Arthaus-Gothic-Drama-Noir“ hatte es werden sollen, doch wenn Vinzent träge auf der Suche nach seiner Freundin durch die Labyrinthe eines Mietshaus humpelt, im Wechsel mit den Bewohnern allerlei Dümmlichkeiten von sich gibt, wird die Geduld vieler Zuschauer bald erschöpft sein. Nur mit viel gutem Willen lässt sich in der verrätselten, möchtegern-mystischen Geschichte des Berliner Werbefilmer Ayassi („Afro Deutsch“, 2002) etwas entdecken, das für das Eintrittsgeld entschädigt. Beinahe alles, was der Film zu bieten hätte, wird durch die äußerst aufdringliche Inszenierung übertüncht, so dass er letztlich nur einige exklusive Geschmäcker wird befriedigen können.

    Vinzent (Detlef Bothe, FC Venus) sammelt für seine Freundin, eine Tierschützerin, Unterschriften. Sein Weg führt ihn in ein altes Mietshaus. Schnell wird klar, dass dort nicht alles mit rechten Dingen zugeht: Ein kleines Mädchen gibt vor ihn zu kennen, und auch die anderen Bewohner des Hauses (Karin Baal, „Sass“, Anna Thalbach, Maria An Callas, Thomas Bestvater, Bernd Tauber und andere) benehmen sich äußerst merkwürdig. Während einer Trauerfeier, in die Vinzent irgendwie hineingeraten ist, stellen sie ihm seltsame Fragen. Vinzent verliert schließlich das Bewusstsein. Als er wieder erwacht, glaubt er, seine Freundin hinter einem Nachbarfenster zu erkennen. Im weiteren Verlauf der „Geschichte“ stellt Vinzent Nachforschungen an und versucht, an den Schlüssel der Wohnung zu kommen, hinter deren Tür er seine Freundin vermutet. Je näher er seinem Ziel kommt, je näher kommt er auch sich selbst – bis er schließlich erkennen muss, dass er der schwierigste Teil des sich ihm stellenden Rätsels ist.

    Die Prämisse des Films – eine Geschichte aus der Sicht eines geistig Verwirrten zu erzählen – erinnert an David Lynchs Geniestreiche Lost Highway oder Mulholland Drive oder auch an David Cronenbergs Spider. Des Weiteren lassen sich ebenfalls Ähnlichkeiten zwischen Ayassis Film und Franz Kafkas unvollendete Romane „Das Schloss“ oder „Der Prozess“ finden, in denen sich der Protagonist auch äußeren Mächten gegenüber sieht, die ihn von dem Erreichen seines Ziels abhalten, bzw. ihn bedrohen. Und nicht zuletzt kann man Roman Polanskis „Der Mieter“ ausmachen. Leider werden die Qualitäten der filmischen und literarischen Vorbilder nicht einmal ansatzweise erreicht.

    Anstatt mit einer ausgefeilten Geschichte zu überzeugen, deren Struktur und Inhalt anhand optisch adäquater Mittel auszudrücken versucht werden, dominieren in „Vinzent“ visuelle Spielereien wie verzerrte Perspektiven, verfremdende Filter und deplazierte Comicsequenzen. Es liegt zwar auf der Hand, dass diese Sperenzchen letzten Endes durch Vinzents Wahnsinn erklärt werden sollen, aber auch Wahnsinn stellt keine Rechtfertigung unpassender filmischer Mittel dar. So lässt sich der Sinn und Zweck der Comicebene ebenfalls nur mit viel gutem Willen erahnen. Wo Lynch eine Art „Traumlogik“ erfindet, um die verschiedenen Elemente seiner Filme aneinander zu binden, verwechselt Ayassi schlicht die Ebenen und würfelt alles, was ihm einfällt, wild durcheinander. Lynchs Wahnsinn ist konsequent aus einer inneren Perspektive dargestellt, doch Ayassi mischt innen und außen, so dass man mitunter die Welt in ihrer Unverständlichkeit durch Vinzents Augen, dann wieder durch die Augen des Regisseurs sieht, der Bilder und Metaphern für Vinzents Wahnsinn zu finden versucht (wie z. B. die Kamerafahrten im Treppenhaus als Symbol für das Eindringen in tiefere, psychische Bereiche u. a.).

    „Vinzent“ ist ein filmischer Fehlschlag. Statt anspruchsvolles Arthaus zu liefern, wirkt hier alles aufgesetzt und gekünstelt. Da nehmen sich auch die Schauspieler nicht aus, die sich durch verworrene und mitunter peinliche Dialoge mühen müssen und die darüber hinaus ziemlich unentschlossen und steif agieren. Irgendeine Form von dramatischem Moment wird jedenfalls durch das seltsame Schauspiel nicht erreicht. Und wenn’s schief geht, dann geht es meist richtig schief: Nicht nur Ayassis aufdringliche Inszenierung, die auf unverständlich getrimmte Geschichte und die schwache Darstellerführung fallen auf – auch die willkürlich einsetzende Musik (unter anderem von „External Harddrive“) passen ins Bild eines völligen Fehlschlages.

    Will man abschließend auch etwas Positives zum Film sagen, dann Folgendes: Ayassi und sein Team, bestehend aus Isabel Ott (Set Design) und Daniel Gottschalk (Kamera), haben durchaus ein Gespür für ästhetische Bilder. Der Mut zur Oberfläche macht „Vinzent“ sicherlich zu einem untypischen deutschen Film. Die optisch guten Ideen werden allerdings für die Gesamtlänge des Films zu offensiv eingesetzt und wirken nach kurzer Zeit eher störend als verstörend. Sie können die Dürftigkeit der Story kaum verschleiern. Ähnlich wie bei Tony Scotts Domino stehen die visuellen Effekte nicht im Dienste der ohnehin schon wenig verständlichen Geschichte, sondern verschleiern diese zusätzlich.

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