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    High Tension
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    High Tension
    Von Martin Soyka

    Die Ausgangssituation ist schnell beschrieben: Alex (Maïwenn Le Besco) und Marie (Cécile De France) fahren auf das Land, um in dem abgelegenen Haus von Alex’ Eltern Ruhe zu finden und für ihr Studium lernen zu können. Marie wird freundlich aufgenommen und man begibt sich bald zur Ruhe. Marie bleibt etwas länger wach und wird deshalb Zeuge, wie ein gedrungener Mann (Philippe Nahon) sich Zutritt zum Haus verschafft und Alex’ Vater bestialisch tötet. Auch die Mutter muss blad dran glauben, ebenso der kleine Sohn der Familie. Der Killer greift sich Alex, fesselt und knebelt sie und Marie, die zuvor verzweifelt versucht hat, davonzukommen, setzt nun alles daran, ihrer Freundin das Leben zu retten…

    So richtig neu ist das alles nicht. Der Plot ist abgegriffen und der Film verwendet fast ein ganzes Drittel, um in Fahrt zu kommen. Dann aber wird es durchaus spannend, fragt man sich doch, wie es Marie mit dem durchtriebenen Killer aufnehmen möchte. Dass es sich hierbei um eine Geschichte aus der großen Schublade der Horror-Klischees handelt, kann verschmerzt werden, zumal es sich zur Abwechslung um ein französisches Produkt handelt. Typisch französisch ist dabei allerdings allenfalls der spröde gehaltene Anfang, danach wird auf Genre-Pfaden gewandelt. Leser, die sich den Spaß trotzdem nicht verderben lassen wollen, sollten jetzt lieber nicht weiter lesen, denn es folgen SPOILER:

    Nüchtern betrachtet ist hier wüst gestohlen worden. Verdrängte Sexualität und Begierte führt zur Katastrophe. Das wissen wir schon seit Psycho, der hier variiert und zitiert (Dusche!) wird. Der sich aufreizend langsam bewegende Killer, dessen Gesicht wir lange nicht sehen, ist bei „Halloween“ und seinen Epigonen gestohlen worden. Und das Mädchen in tödlicher Gefahr ist klar aus Das Schweigen der Laemmer entliehen. Trotzdem wird man passabel unterhalten, auch wenn der finale Twist der Handlung vom gewitzten Zuschauer schon vorher erahnt wird. Was aber zu einer kolossalen Abwertung führen muss, ist der unnötige Einsatz von Gore-Effekten. Warum müssen wir wirklich sehen, wie jemandem der Kopf abgetrennt wird? Warum muss das Blut aus dem Stumpf noch endlos weiter spritzen? Warum muss gezeigt werden, wie Kehlen durchschnitten werden? Warum ist das Opfer danach noch nicht tot, sondern muss leiden? Besonders ekelhaft: warum muss der kleine Sohn der Familie mittels Schrotflinte aus dem Leben befördert werden? (Ich gebe es zu: Filme, in denen Kinder grundlos leiden müssen, finde ich widerwärtig, zumal der Figur des Kindes in der Geschichte nur eine Funktion zukommt: getötet zu werden.) Ohne diesen Overkill an Splatter wäre der Film als Psychoschocker oberer Qualität durchgegangen. Weniger wäre mehr gewesen. Wieder einmal. Zumal sich die Geschichte ohne das ganze Blut genauso gut, wenn nicht besser erzählt hätte. Am Gruseligsten ist nun mal das, was dem Zuschauer visuell vorenthalten wird.

    Richtig durchdacht ist das ganze ebenfalls nicht. Wenn man den Twist am Ende gesehen hat, stellen sich einige Fragen, die der Film nicht beantworten kann: Existiert der Killer nur in Maries schizophrener Fantasie? Dann muss die Frage gestattet sein, wo sein schrottiger LKW herkommt. Wieso ist Marie am Ende von Blut überströmt, denn der Kampf mit dem Killer hat doch nur in ihrem Kopf stattgefunden? Was ist mit dem Muscle-Car des Tankwarts (Achtung: Klischee!)? Kann Marie zwei Autos gleichzeitig fahren? Und was ist mit dem ersten Auftreten des Killers und dem abgetrennten Kopf, mit dem er sich selbst befriedigt? Marie und Alex sind noch gar nicht angekommen, der Killer wird nur vom Zuschauer wahrgenommen. Ergo: die Szene dient nur dazu, den Zuschauer in die Irre zu führen. Am Wichtigsten aber ist, dass das Motiv des ganzen Gemetzels im Dunklen bleibt. Mordet Marie, um Konkurrenten um die Gunst von Alex aus dem Weg zu schaffen, stellt sich die Frage, warum es dann ihre Familie erwischen muss? Maries verdrängte Gefühle für Alex werden von ihrer Familie nicht wirklich bedroht. SPOILER ENDE

    Alles in allem also ein halbgarer Film. Für den Gore-Freund zu wenig Gore (wurde trotz der fehlenden Jugendfreigabe doch heftig geschnitten), für den Thriller-Freund zu viel Blut, für den intelligenten Zuschauer zu viele Fehler und zu wenig Substanz. Alles in allem also ein Film der verschenkten Möglichkeiten. Wenn der Streifen tatsächlich auf einschlägigen Festivals prämiert worden ist, scheint es um das Horror-Genre ziemlich düster auszusehen.

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