Mein Konto
    Der dünne Mann
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Der dünne Mann
    Von Björn Becher

    Der Autor Dashiell Hammett hat mit seiner Detektivfigur Nick Charles einen der interessantesten Detektive der Filmgeschichte geschaffen und es ist mehr als schade, dass diese Persönlichkeit im Vergleich zu den Figuren von Agatha Christie so ein Schattendasein fristet. Es liegt wohl daran, dass bei Hammett (aus dessen Feder auch die Vorlagen zu Die Spur des Falken und „Miller´s Crossing“ stammen) nur die Filme eine richtige große Popularität genießen, während es bei Agatha Christie sowohl die beliebten Buchreihen als auch die Verfilmungen sind, welche die Fans begeistern können.

    Im Mittelpunkt der ersten Geschichte um Nick Charles (gespielt von William Powell, „Keine Zeit für Heldentum“), 1934 unter dem Titel „Der dünne Mann“ von W.S. van Dyke („Tarzan, der Herr des Urwalds“) inszeniert, steht natürlich Charles selbst. Er ist ein Lebemann durch und durch. Seit er vor vier Jahren seine vermögende und bezaubernde Frau Nora (Myrna Loy, „Die Besten Jahre unseres Lebens“) geheiratet hat, widmet er sich einem geruhsamen und trinkfreudigen Leben. Der einstige Meisterdetektiv hat seine Arbeit eingestellt und genießt nun mit Nora und dem gemeinsamen Hund Mr. Asta das Leben und vor allem die Drinks, welche Charles zu keiner Tages- und Nachtzeit ablehnt.

    Doch ohne es zu wollen, schlittert er wieder in einen Mordfall rund um die ungewöhnliche Familie des Forschers Clyde Wynant (Edward Ellis, „Blinde Wut“). Der zerstreute Wissenschaftler, für den Charles vor Jahren mal einen Fall übernommen hat, ist seit zwei Monaten verschwunden. Seine besorgte Tochter Dorothy (Maureen O’Sullivan, „Hannah und ihre Schwestern“) bittet Charles nach einem zufälligen Treffen, ihren Vater zu finden. Doch Charles zeigt wenig Interesse. Solches scheint auch gar nicht nötig, denn kurze Zeit später scheint Wynant wieder da zu sein, zumindest erweckt ein Anruf bei seinem Anwalt MacCaulay (Porter Hall, Der versteinerte Wald) diesen Eindruck. Doch dann geschieht ein Mord.

    Julia Wolf (Natalie Moorhead, „Die Frauen“), die Sekretärin und auch seit einigen Jahren Frau an Wynants Seite wird von Wynants Ex-Frau Mimi (Minna Gombell, „Der Glöckner von Notre Dame“) erschossen aufgefunden. Vieles deutet auf den verschwundenen Wynant als Mörder hin, doch Charles hat Zweifel. Für ihn ist der Kreis der Verdächtigen viel größer, doch trotzdem sieht er keine Veranlassung, in die Arbeit der Polizei einzugreifen. Vor allem seine eigene Frau bittet ihn aber, wieder als Detektiv zu arbeiten. Zudem stürzt sich die Presse darauf und erweckt den Eindruck, der einstige Meisterdetektiv wäre zurück, was zum Besuch eines Kriminellen und der Polizei im Hause Charles führt. So sieht sich Nick Charles gezwungen, wieder zu ermitteln. Während nach einem zweiten Mord für die Polizei alles nach einem Täter Wynant aussieht, und die ganze Welt den dünnen Mann jagt, verfolgt er mit seiner eigenwilligen Arbeitsweise seine eigene Spur...

    Sicherlich ist „Der dünne Mann“ in erster Linie ein Krimi und hat hier auch viele Stärken. Die verworrene Geschichte um später sogar drei Morde kann den Zuschauer alleine schon fesseln und das Finale, in dem Charles alle Verdächtigen in guter alter Krimimanier in einem Raum versammelt und mit seinen Ausführungen nach und nach den Mörder entlarvt, treibt diese Spannung noch einmal auf die Spitze. Doch es gibt mehr, was diesen Film auszeichnet, ihn von der Genrekonkurrenz abhebt und zu einem der ganz großen Genre-Klassiker macht.

    Es ist der besondere Witz des Films und die Liebe der Autoren und des Regisseurs zu den Figuren. Da ist in erster Linie natürlich die Hauptfigur Nick Charles selbst. Ein absoluter Gute-Laune-Mensch, der den ganzen Film hindurch eigentlich immer irgendeinen Drink zu sich nimmt. Seine Freunde, größtenteils Menschen die er während seiner Detektivzeit mal ins Gefängnis gebracht hat, sind durchweg skurrile Gestalten, die in kleinen Sidekick-Auftritten für amüsante Schmunzler sorgen. Dazu seine Frau, die seine Freude für den gemütlichen Wodka Martini oder Whiskey teilen kann und mit der er ein wunderbares Gespann bildet. William Powell und Myrna Loy spielen dieses Pärchen hervorragend, für Powell reichte es sogar zu einer Oscarnominierung. Es ist eine von vieren, die der Film bei den Oscars 1935 bekam. Neben Powell konnten sich noch Regisseur W.S. van Dyke, sowie die Drehbuchautoren Frances Goodrich und Albert Hackett (zusammen auch: Ist das Leben nicht schön) über eine Nominierung freuen. Dazu war „Der dünne Mann“ in der Kategorie „Bester Film“ nominiert. In allen Kategorien musste man sich aber dem übermächtigen Konkurrenten „Es geschah in einer Nacht“ geschlagen geben.

    Der komödiantische Teil des Films wird noch durch viele Nebencharaktere verstärkt. Fast keiner scheint richtig normal zu sein, jeder hat seinen Spleen, dessen Auswirkung immer wieder zur Erheiterung des Zuschauers beiträgt. Dafür verantwortlich sind vor allem die brillanten Dialoge, die einem die Tränen vor Lachen in die Augen treiben. Sowohl die Krimistory als auch der Komödien-Teil des Films würden alleine schon zu einem überdurchschnittlichen Ergebnis führen. Doch erst die Kombination aus beidem macht den Film zu diesem unvergesslichen Meisterwerk, das trotz der siebzig Jahre, die es mittlerweile auf dem Buckel hat, noch immer die meisten neuen Streifen übertrifft.

    Es gibt nur wenige Makel, die man dem Film vorhalten kann. Einziger größerer Kritikpunkt ist vielleicht die Auflösung, die zwar spannend in die Wege geleitet, aber dort einen Tick zu viel spart, wo andere zu lang werden. Die Motive des Täters kann sich der Zuschauer zwar denken, doch ein oder zwei Sätze mehr an dieser Stelle wären nicht verkehrt gewesen. Das ist aber mehr als zu verschmerzen, denn davor (und auch nur kurz danach) hat man durchweg Unterhaltung und Spannung auf höchstem Niveau geboten bekommen. Dieser Film wird sicherlich auch die nächsten siebzig Jahre noch empfehlenswert bleiben.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top