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    Rebell in Turnschuhen
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Rebell in Turnschuhen
    Von Björn Helbig

    Da American Football, Baseball und Basketball filmisch beinahe abgewirtschaftet sind, ist es kein Wunder, dass man mehr und mehr versucht, auch andere Sportarten aufzubereiten und andere Publikumsschichten zu erreichen. Der erste Curling-Film ist somit nur eine Frage der Zeit. Bis dahin versucht der Buena-Vista-Verleih nach den mäßig erfolgreichen Filmen Die Eisprinzessin und dem Golferdrama Das größte Spiel seines Lebens nun aber erstmal sein Glück beim Turnen: „Rebell in Turnschuhen“ von Jessica Bendinger heißt das unbefriedigende Ergebnis.

    Haley (Missy Peregrym) ist ganz sicher eine Rebellin. Sie muss einfach eine sein. Schließlich hängt sie lieber mit ihren männlichen Kumpels rum und überbietet sich mit diesen bei waghalsigen BMX-Stunts, als mit Mädchen Mädchenspiele zu spielen. Als die 17-Jährige, die schon häufiger auffällig geworden ist, bei einem Kunststückchen beträchtlichen materiellen Schaden anrichtet, wird sie vor die Wahl gestellt: Militärschule oder Akademie für Kunstturnen. Ehe sich Haley versieht, findet sie sich in der Turnschule von Trainer Burt Vickerman (Jeff Bridges) wieder. Natürlich ist sie von ihrem neuen Umfeld alles andere als begeistert. Ebenso wenig begeistert sind allerdings die anderen Turnerinnen, denn Haleys Ruf ist alles andere als gut: Schließlich war sie schon einmal die beste Turnerin des Team America, doch sie lief am Abend vor der Weltmeisterschaft einfach weg und ließ ihre Mannschaft im Stich.

    Die „Buena Vista Motion Pictures Group“ gehört zur Walt Disney Company und ist dort für die Filmproduktion zuständig. Die Tatsache, dass Disney im Spiel ist, deutet schon darauf hin, dass mit „Rebell in Turnschuhen“ kein sonderlich kritischer Film zu erwarten sein wird. Schade eigentlich. Denn das Thema hätte in mehrfacher Hinsicht das Potenzial gehabt, Unterhaltung mit Anspruch zu verbinden. Nicht nur die teilweise grausame Praxis und die gesundheitlichen Risiken des Leistungsturnens hätten sich hier angeboten, auch die ideologischen Seiten der auf Friedrich Ludwig Jahn (dem vielzitierten Turnvater) zurückgehenden Turnbewegung wären durchaus einen Film wert gewesen. Wenn schon nicht die harten Realitäten aufgezeigt werden, darf man aber wohl wenigstens auf einen unterhaltsamen Familienfilm hoffen. Oder?

    Leider wird der Film von Regisseurin Jessica Bendinger auch dieser Erwartung nur selten gerecht. Der Familienfilm lebt ja gerade davon, dass er Jung und Alt auf eine einfache aber nette Art zu unterhalten weiß. „Rebell in Turnschuhen“ dürfte allerdings nur einen sehr begrenzten Zuschauerkreis ansprechen, zu speziell ist das Thema, zu poppig die Umsetzung. Durch aufdringliches Styling und Musik ist der Film vor allem auf jüngere MTVler ausgerichtet, die mit der Turnerwelt wohl wenig anfangen können werden. Dabei hat der Film auf den ersten Blick durchaus ein paar Pluspunkte zu bieten. Nicht nur ist sein Thema erstmal grundsätzlich ein originelles, auch Jeff Bridges (König der Fischer, The Big Lebowski), als Gymnastiktrainer Vickerman könnte den einen oder anderen zum Kinogang versuchen. Die Rolle vom harten Lehrer mit weichem Kern ist Bridges wie auf den Leib geschrieben und es wird niemanden wundern, dass er diese auch solide ausfüllt. Mehr aber auch nicht. Denn so schön es auch ist, Bridges beim Schauspielen zuzusehen, die Figur des Vickerman ist zu sehr Klischee, um vollends zu überzeugen. Völlig verständlich, warum er sich für diesen Film hergegeben hat, ist es nicht. Eine Überraschung hingegen ist die bisher nahezu unbekannte Missy Peregrym, welche die „Rebellin“ Haley spielt. Auch wenn ihre Figur keine Überraschungen bietet – dreiviertel des Films wird ihre Anti-Einstellung in allen Varianten dargeboten, um sie dann schließlich doch versöhnlich als Teamplayerin zu zeigen – schafft es die athletische Schauspielerin doch die Blicke auf sich zu ziehen. Nicht wenige Zuschauer werden sich wünschen, Peregrym einmal in einem besseren Film zu sehen.

    Leider erweist sich Jessica Bendinger, Regisseurin der Cheerleader-Komödie „Girls United“ und Drehbuchautorin von Aquamarin und First Daugther, weder als begnadete Filmemacherin noch als überdurchschnittliche Erzählerin. Nicht nur, dass die Nebenfiguren sich an Einfallslosigkeit überbieten – den Vogel schießt hier die dümmliche Wei Wei (Nikki SooHoo) ab –, auch die Beziehungen zwischen den Personen hat man schon zu oft so oder ähnlich erlebt, und wer eine spannend aufgebaute Geschichte oder auch nur gute Turnszenen erhofft, wird auch enttäuscht werden. Irgendwie ziellos schleppt sich der Film schlecht getimed von Clip zu Clip zum großen Finale, das dann aber auch seltsam blass bleibt. Das liegt vielleicht auch daran, dass sich Bendinger keine Mühe gibt, zwischen den verschiedenen Disziplinen Sprung, Stufenbarren, Schwebebalken und Boden sowie Trampolin zu differenzieren, sondern ihre Darstellerinnen mal hier mal da vor sich hin turnen lässt. Die Sportsequenzen wirken lieblos aneinander gereiht. Auch wenn die jeweiligen Turnsequenzen in ihrer Kürze recht echt wirken, schafft es Bendinger nie, die dem Turnen eigene Ästhetik einzufangen.

    Jeder Film leidet darunter, wenn die Figuren schwach sind. Besonders leidet allerdings ein Sportfilm, der darüber hinaus nicht einmal durch seine Sportszenen begeistern kann. Wenn dann noch die Geschichte nur bedingt unterhält, gibt es eigentlich keinen Grund mehr für einen Kinobesuch. So steht es zu befürchten, dass selbst Gymnastics-Fans von dem Film nicht besonders angetan sein werden. Von einem Familienfilm kann jedenfalls nicht die Rede sein. Wem es reicht, überhaupt mal einen Turnfilm oder Missy Peregrym im entsprechenden Outfit zu sehen oder wer einfach herausfinden möchte, ob Turnerinnen wirklich die vom deutschen Verleih propagierten Turnschuhe tragen, kann ja mal einen Blick riskieren.

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