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    Ghettogangz - Die Hölle vor Paris
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Ghettogangz - Die Hölle vor Paris
    Von Deike Stagge

    Schon im Jahr 2004 wurde in Frankreich der Film „Banlieue 13“ abgedreht. Ganze zwei Jahre brauchte diese Action-Verfilmung, um in deutschen Videotheken unter dem leicht angepassten Titel „Ghetto Gangz“ im Regal zu landen.

    Was passiert, wenn sich der fantasievolle Drehbuchautor Luc Besson (Das fünfte Element, „Wasabi“) mit dem Stunt-Choreografen der The Transporter-Filme und dem Erfinder der extremen Trendsportart Parkour zusammentun? Der actionaffine Teil des Publikums möchte das Ergebnis dieser Zusammenarbeit wohl kaum missen, besonders, wenn Pierre Morel, der Regisseur des ersten The Transporter-Teils und ein erfahrener Kameramann, hier die Regie übernimmt. Herausgekommen ist ein neues Stück französischer Actiongeschichte, das seine Schauwerte aus der schnellen Bewegung und den unglaublichen sportlichen Fähigkeiten seiner Hauptdarsteller zieht.

    Paris im Jahre 2010. Die problematischen Außenbezirke der Großstadt sind wegen ihrer hohen Kriminalität durch eine hohe, dem israelischen Grenzzaun erstaunlich gleichende Mauer vom Rest der Stadt abgetrennt. Innerhalb dieses Territoriums versucht Leito (David Belle) nicht nur selbst sauber zu bleiben, sondern auch seine Umgebung von den Drogen des Gangsterbosses Taha (Bibi Naceri) freizuhalten. Dessen Handlanger K2 (Tony D’Amario) kidnappt im Gegenzug Leitos Schwester Lola (Dany Verissimo). Schließlich landet Leito im Knast, weil die korrupte Polizei mit Taha zusammenarbeitet. Da bleibt er allerdings nicht lange, denn der Bilderbuch-Polizist Damien (Cyril Raffaelli) braucht seine Hilfe als Führer in das Ghetto von Taha. Dorthin ist nämlich eine gestohlene Bombe gebracht worden, die bei ihrer Detonation alles Leben im Umkreis mehrerer Kilometer bedroht. Äußerst widerwillig macht sich das ungleiche Duo Infernale auf den Weg und hinterlässt eine Spur der (teilweise unfreiwilligen) Verwüstung und Zerstörung…

    Bombe, Schwester, Prügelei - alles klar? Digitale Tricks und aufwendig geschnittene Computersequenzen sind in Pierre Morels Produktion eindeutig Mangelware. In den vier großen Actionstücken von „Ghetto Gangz“ übernehmen die Schauspieler mit ihren außergewöhnlichen Skills die Bühne. Gut, dass sich Morel auf die Künste des erfahrenen Choreografen und Stuntman Cyril Raffaelli (Pakt der Wölfe, „Wasabi“) in der Rolle des Damien verlassen kann, der zuletzt auch die Stuntszenen der übermenschlichen Mönche in Die purpurnen Flüsse 2 ausführte. Die langjährige Erfahrung und Routine merkt man Raffaelli an, der nicht nur die zweite männliche Hauptrolle übernahm, sondern wiederum die gesamten Stunts plante. Neben ihm gibt David Belle sein Spielfilm-Debüt. Insidern der Trendsportszene ist Belle als Erfinder des Extrem-Hindernislaufs Parkour bekannt. Im Parkour geht es darum, die Stadt als große Hindernisstrecke mit den einfachsten Mitteln wie Sprüngen und Kletterbewegungen zu durchqueren. Schon in der zweiten Szene von „Ghetto Gangz“ bekommt der Zuschauer dann die ausführliche grafische Erläuterung des Sportprogramms. Um K2s Männern zu entkommen, schwingt sich Leito durch einen Oberlichtschacht, tanzt die Gegner im Treppenhaus aus und springt über mehrere Balkone in die Freiheit als gäbe es nichts Leichteres auf der Welt. Das Imposante daran ist vor allem die Eleganz seiner Bewegungen. Die Rolle des Leito ist Belle von Luc Besson eindeutig auf den Leib geschrieben. Denn Besson hat bereits Erfahrung mit Parkour und auch für den ersten Film des Genres „Yamakasi“ das Drehbuch geschrieben. Da war es nur logisch, für eine derart extreme Rolle einen absoluten Profi an Bord zu holen.

    Leider wirken diese beiden Action-Profis auch nur in dieser Umgebung so richtig glaubhaft und sind nur dann in ihrem Element, wenn sie Kugeln ausweichen oder böse Jungs erledigen. Ihre schauspielerische Leistungsfähigkeit ist hingegen begrenzt, wobei Frischling Belle Leito seiner Rolle doch etwas mehr Farbe verleiht, während Raffaelli seine Figur die Textzeilen recht hohl wiederkäuen lässt. Fairerweise muss man allerdings sagen, dass das Drehbuch den beiden in dieser Hinsicht überhaupt nicht entgegen kommt. Die Dialoge sind lahm, klischeehaft und setzen sich in plattester Weise mit moralischen Themen wie Freiheitsrechten und sozialen Unterschieden auseinander. Dazu kommt, dass der Plot um die gestohlene Bombe einige fragwürdige Lücken in Sachen Plausibilität und Aufklärung aufweist.

    Die Story steht hier jedoch nicht im Mittelpunkt. Als aufwendige Action-Buddy-Komödie hält „Ghetto Gangz“ seine Verkaufsversprechen ein. Denn die grandios inszenierten Actionszenen stehen klar im Zentrum des Films und warten mit einigen guten Einfällen auf, wenn man von den lächerlich durchsiebt-zerschossenen Autos mal absieht. Besonderer optischer Leckerbissen ist die Verfolgungsjagd Leitos aus seiner Wohnung, in der Belle sein Können in für einen Actionfilm erstaunlich langen Einstellungen vorstellen darf. Alles wird getan, um die Authentizität zu unterstützen. Denn manchmal wird der Zuschauer misstrauisch, ob die Bilder nicht etwas beschleunigt abgespielt werden. Das Bonusmaterial der DVD gibt hier stellenweise Aufschluss: in einem ausführlich gemachten, fast einstündigem Making-of gibt es einen sehenswerten Einblick in die Proben der Stuntleute. Und siehe da: vieles wird doch in dem Tempo eingeübt, in dem es nachher sichtbar ist. Kurz vor Schluss ufert das Special jedoch in einen lästigen „Ich danke meinen Kollegen“-Abgesang aus, in dem sich die Akteure gegenseitig in den Himmel heben. Bis zu dem Zeitpunkt gibt es aber einen lohnenden Bericht über die Entstehungsgeschichte von „Ghetto Gangz“. Ansonsten wartet die DVD nur mit den Basics auf: Sprachwahl französisch oder deutsch und einer Trailershow. Nebenbei gibt es noch die Extended Version einer Actionszene und einen Videoclip. Wem die Transporter-Filme gefallen haben, der wird auch bei diesem französischen Action-Event vor Freude auf der Stuhlkante hin- und herrutschen und einen Blick in das Bonus-Material der DVD riskieren.

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