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    Stalag 17
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Stalag 17
    Von Stefan Ludwig

    Auch Kammerspiele können ihr Publikum fesseln. Die häufig auf einen einzigen Schauplatz reduzierten Filme haben eine lange Tradition: Mit Das Fenster zum Hof schuf Alfred Hitchcock einen zeitlosen Klassiker, der erst kürzlich mit Disturbia einer Frischzellenkur unterzogen wurde. In The Hole versauerten vier Teenager in einem Luftschutzbunker. Und auch Kultfilmer David Fincher nahm sich mit Panic Room des Genres an. Auch „Stalag 17“ ist so ein Kammerspiel. Billy Wilder erzählt hierin die Geschichte eines Spitzels in einem deutschen Kriegsgefangenenlager in Österreich. Sein spannendes Drama würzt der Meister-Regisseur mit einer ordentlichen Portion Humor.

    Als ein Fluchtversuch aus dem Gefangenenlager Stalag 17 missglückt, verdächtigen die Insassen einer der Baracken den Einzelgänger Sefton (William Holden) der Spionage für die Deutschen. Dieser hatte zuvor bereits durch seinen schwunghaften Handel mit deutschen Wachen das Misstrauen seiner Mithäftlinge auf sich gezogen. Um seine Unschuld zu beweisen, macht sich Sefton auf die Suche nach dem tatsächlichen Spitzel und entdeckt bald zumindest den Weg, den die geheimen Nachrichten nehmen. Allerdings dauert es noch, bis er herausfindet, wer die ausgehöhlte Schachfigur regelmäßig mit Botschaften füllt…

    Billy Wilder (Boulevard der Dämmerung, Zeugin der Anklage, Das Appartement, Eins, zwei, drei, Küss mich, Dummkopf) drehte mit „Stalag 17“ 1953 den ersten amerikanischen Kriegsfilm, in dem nicht gekämpft wurde. Stattdessen nahm er sich einer Geschichte an, die von Donald Bevan und Edmund Trzcinski bereits am Broadway mit Erfolg inszeniert worden war. Der österreichische Jude Wilder emigrierte wegen des Nationalsozialismus nach Amerika und avancierte dort zu einem der bedeutendsten Hollywood-Regisseure seiner Zeit. Obwohl er fast seine gesamte Familie im Holocaust verlor, sieht man seinem Film die persönliche Trauer nicht an. Mit einer üppigen Portion Humor nähert er sich dem eigentlich traurigen Thema auf spannende Weise. Er installiert zwei Witzbolde in der Baracke Nummer vier, die dort trotz angespannter Atmosphäre immer wieder für Lacher sorgen.

    Weil er den Fokus in einem Lager mit 600 inhaftierten amerikanischen Sergeants auf eine einzige Baracke legt, zieht Wilder den Zuschauer in Rekordzeit in seinen Bann. Die wichtigsten Personen, die im Laufe des Films allesamt interessante Charakterentwicklungen durchmachen, sind schnell eingeführt. Besonders William Holden (Die Brücke am Kwai, The Wild Bunch, Network) dreht als Soften voll auf. Dafür wurde er zu Recht mit einem Acadamy Award als Bester Hauptdarsteller belohnt. Bei der Verleihung hielt Holden die bis dato kürzeste Dankesrede der Oscar-Geschichte. Er sagte schlicht „Thank you!“ „Stalag 17“ war darüber hinaus auch in den Kategorien Beste Regie und Bester Nebendarsteller (Robert Strauss) nominiert. Heraus sticht auch die Leistung von Otto Preminger, der den Lagerkommandanten von Scherbach verkörpert. Mit einem unnachahmlichen Zynismus nimmt er die Willkür der Nationalsozialisten auf die Schippe. Er spielt das herrische Oberhaupt, das auf eigens für ihn platzierten Brettern über den Lagermatsch marschiert.

    In Sachen Inszenierung waren Billy Wilder aufgrund der Beschränkung auf einen einzigen Schauplatz praktische Grenzen gesetzt. Gerade die Kamera genießt nur eine sehr eingeschränkte Bewegungsfreiheit. Allerdings bedeutet dies eine umso größere Freiheit für die Schauspieler. Zwar ist „Stalag 17“ seine Theaterherkunft letztlich anzumerken, dennoch funktioniert die reduzierte Story genauso als Kinofilm. Die verzwickte Suche nach dem Maulwurf ist gleichermaßen spannend und unterhaltsam. Während der Zuschauer zunächst lange Zeit im Dunkeln tappt, wer den Fluchtversuch denn nun verraten haben könnte, geht auch nach der Auflösung die Spannung nicht verloren.

    Die Einordnung in ein Genre fällt im Fall von „Stalag 17“ schwer: Ein Kriegsdrama mit lustigen Einlagen? Oder doch eine Komödie mit dramatischen Untertönen? Immerhin sorgt das aus Betty-Grable-Verehrer Robert Strauss und seinem besten Freund Harvey Lembeck bestehende Duo nicht nur mit diversen Tanzeinlagen für Lacher. Auch mit ihren amüsanten Geschichten über Softens Handelsgeschick, der Mäusewettrennen veranstaltet und ein Fernrohr vermietet, mit dem man in die vernebelten Waschräume der russischen Nachbarinnen schauen kann, strapazieren sie die Lachmuskeln des Publikums.

    Aus „Stalag 17“ resultierte ein Streit zwischen Paramount und Billy Wilder. Der Verleih wollte aus dem deutschen Verräter einen Polen machen, als der Film 1960 in den Kinos der Bundesrepublik Deutschland gezeigt werden sollte. Wilder wehrte sich mit allen Mitteln gegen diese Entscheidung und setzte sich am Ende durch. Trotz dieses Erfolgs drehte er anschließend nie wieder für Paramount.

    „Stalag 17“ ist ein starkes Kriegsdrama, als dessen größte Stärke sich das hervorragende Drehbuch von Billy Wilder und Edwin Blum erweist, die gemeinsam die Broadway-Version des Stoffes von 1951 adaptierten. In ihren genialen Dialogen greift das Autorenduo einen spannenden Aspekt der Kriegsgefangenschaft auf, der sonst meist nur im Hintergrund mitläuft: das Misstrauen der Inhaftierten untereinander. Dass „Stalag 17“ an manchen Stellen als schwächerer Billy-Wilder-Film gehandelt wird, ist deshalb nur schwer nachzuvollziehen.

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