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    Strafpark
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Strafpark
    Von Robert Cherkowski

    Peter Watkins dystopischer Science-Fiction-Alptraum "Strafpark" löste im Jahre 1971 eine geradezu panische Reaktion hervor. Die Vision eines faschistischen US-Staates wurde im Entstehungsland mit Gift und Galle besprüht, während manche Europäer das pseudodokumentarisch gedrehte Pamphlet für eine echte Dokumentation amerikanischer Zustände hielten. Jahrelang wurde "Strafpark" mit Ignoranz und Vergessenheit gestraft. Doch da die DVD-Edition "Kino Kontrovers" sich nun ein Herz fasste und den Film wiederveröffentlichte, kann man sich nun endlich ein eigenes Bild von diesem Klassiker der Counter-Culture machen.

    Der kalte Krieg ist eskaliert und scheint sich langsam aber sicher gegen die USA zu wenden. Der Vietnamkrieg entwickelt sich mehr und mehr zu einem Fiasko, Südkorea scheint verloren und wird von US-Bombern unter Beschuss genommen und auch die Kuba-Krise erlebt ein Revival, als russische U-Boote erneut in Stellung gehen, um ihren kleinen sozialistischen Bruder in Schutz zu nehmen. Auch im Inneren brodelt es: Die eigene Jugend hat keine Lust mehr, sich in sinnlosen Kriegen verheizen zu lassen und probt den Aufstand. Um eine Revolution zu vermeiden, werden Tribunale eingerichtet, die sich den subversiven Elementen mit absoluter Voreingenommenheit widmen. Statt von einem solch parteiischen Gericht verurteilt zu werden, lässt man den Häftlingen jedoch die Wahl, den "Strafpark" zu durchqueren. Der Strafpark ist ein unwirtlicher, mörderisch heißer Wüstenstreifen, der von den Sträflingen durchlaufen werden muss. Wer überlebt, dem ist die Amnestie versprochen. Falls überhaupt einer überlebt.

    Was Strafpark zu einer wirklich schockierenden Filmerfahrung macht, sind keinesfalls drastische Bilder. Obwohl das Szenario beklemmende Dimensionen besitzt, ist der Look sehr zweckdienlich dokumentarisch geraten und eher darauf ausgerichtet, das Geschehen möglichst realistisch wirken zu lassen. Der Schock den "Strafpark" heute auslöst, ist denn auch eher darauf zurückzuführen, dass viele der einstige Schreckensvisionen in dieser oder ähnlicher Form längst eingetreten ist. Der "McCarran Internal Security Act" etwa, der hier eine wichtige Rolle spielt und die Methoden des Staatsterrors erst ermöglicht, ist beispielsweise kein Produkt der Fantasie – sondern bittere Realität.

    So stark die inhaltliche Sprengkraft der Materie auch sein mag, so sollte man darüber nicht übersehen, mit welcher Originalität und Intelligenz Watkins inszenierte. Grobkörnige Bilder einer scheinbar unendlichen Wüstenhölle werden mit der Tonspur einer Verhörsituation überlappt, und Watkins griff, wie es später zu seinem Markenzeichen wurde, ausschließlich auf Laiendarsteller zurück. So erreichte er nicht nur eine nahezu perfekte Illusion von Realismus, sondern entwickelte auch einen ausweglosen erzählerischen Sog. "Strafpark" ist großes Kino in jeder Hinsicht. Gutes Politkino erkennt man daran, dass es weh tut, den Betrachter herausfordert und ihn zur Auseinandersetzung zwingt. Gute Science-Fiction erkennt man daran, dass sie die Entwicklungen der Gegenwart weiterdenkt. Watkins betreibt beides in vollkommener Perfektion und lieferte hier einen Klassiker ab, der keinen Deut seiner Aktualität und Dringlichkeit eingebüßt hat.

    Fazit: "Strafpark" mag vierzig Jahre auf dem Buckel haben und fühlt sich doch immer noch erschreckend real an. Es ist an der Zeit, diesen Klassiker wieder zu entdecken – gerade weil der Blick, den Watkins einst in die Zukunft warf, heute der Blick auf eine bittere Realität ist.

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