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    Behind The Mask: The Rise Of Leslie Vernon
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Behind The Mask: The Rise Of Leslie Vernon
    Von Jonas Reinartz

    „We see movies for a lot of reasons. Sometimes we want to be amused. Sometimes we want to escape. Sometimes we want to laugh, or cry, or see sunsets. And sometimes we want to be scared.“ (Roger Ebert, in seiner „Halloween”-Rezension vom 31.10.1979).

    Die Idee, einen Killer zu präsentieren, der in bester „Mockumentary“-Manier vor laufender Kamera seine obskuren Lebensweisheiten äußert und seine Mitmenschen dezimiert, ist alles andere als neu. Bereits der Belgier Rémy Belvaux ließ in seiner 1992 entstandenen rabenschwarzen Komödie „Mann beißt Hund“ seinen Protagonisten Ben mordend durch die Straßen der Stadt Namur schlendern, stets einen flotten Spruch auf den Lippen und die Involvierung des Kamerateams betreibend, das seine Taten dokumentiert. Nun hat sich Scott Glosserman in seinem Regiedebüt eines ähnlichen Themas angenommen, jedoch mit einer faszinierenden Variation. Sein Werk „Behind The Mask: The Rise of Leslie Vernon“ spielt in einer rein fiktionalen Welt, in der die Morde einiger der berühmtesten Serienkiller der Filmgeschichte wirklich geschehen sind, etwa die Mordserie in der Elm Street, daher will sein Protagonist diesen Vorbildern aufs Verbissenste nachfolgen. Dieses originelle Konzept, etliche humorvolle Anspielungen auf vergangene Filme, ein hervorragender Hauptdarsteller und das Funktionieren als Parodie und echter Horrorfilm zugleich machen ihn trotz eines vorhersehbaren dritten Aktes zum Pflichtprogramm eines jeden Horror-Fans, allerdings mögen viele Zuschauer, die sich nicht zu dieser Zielgruppe zählen, vermutlich irritiert den Kopf schütteln.

    Leslie Vernon (Nathan Baesel) scheint ein sympathischer junger Mann zu sein. Sein äußeres Erscheinungsbild ist gepflegt, er hat gute Manieren und verfügt über einen exzellenten Sinn für Humor. Allein seine große Leidenschaft ist recht ungewöhnlich: Leslie ist passionierter Serienkiller. Doch diese Tätigkeit ist nicht so simpel, wie man meinen könnte, schließlich sind für eine schockierende Mordserie intensive Vorbereitungen vonnöten. Dass absolute körperliche Fitness die Basis für jede gelungene Teenager-Treibjagd ist, versteht sich in Fachkreisen von selbst. Zudem müssen potentielle Opfer, bevorzugt blonde dralle Jungfrauen, observiert, Türen manipuliert und geeignete Schauplätze ausgewählt werden, nicht fehlen darf selbstverständlich eine selbst gestrickte „Urban Legend“, die die zukünftigen Opfer schon einige Zeit vor ihrer Konfrontation mit dem Schlitzer in Angst und Schrecken versetzt; da orientiert sich Leslie ganz gezielt an seinen großen Idolen, Jason Vorhees („Freitag der 13.“; wohlgemerkt erst ab dem zweiten Teil, zuvor hatte seine nicht minder rabiate Mutter für hohen Blutzoll gesorgt), Michael Myers („Halloween“) und Freddy Kruger („Nightmare On Elm Street“), denn was ihnen gelang, muss doch für ihn möglich sein, so denkt er. Falls dennoch dringende Fragen anstehen, ist da ja immer noch der sich im „Ruhestand“ befindliche Mörder Eugene (Scott Wilson) zur Stelle, der mit seiner attraktiven Frau Jamie (Bridgett Newton) in der Nähe haust und stets hilfreiche Tipps beiträgt. Um seinen Ruhm schon früh zu zementieren, lädt die Horror-Legende in spe die drei Studenten Taylor (Angela Goethals), Todd (Britain Spellings) und Doug (Ben Pace) ein, die sein Treiben und vor allem seine Mühen dokumentieren sollen, die Welt habe doch nicht die geringste Ahnung davon, wie anstrengend seine Profession sei. Das studentische Filmteam begleitet ihn bei seinen gesamten Vorbereitungen, erst spät schleichen sich Skrupel ein, speziell bei der als Moderatorin fungierenden Taylor...

    Aufgrund seiner standardisierten Handlungen und immergleicher Protagonisten-Inventare bietet der Slasher-Film, der frühestens 1979 mit John Carpenters Genre-Klassiker „Halloween“ und endgültig ein Jahr später mit „Freitag der 13.“ seinen Siegeszug begann, um fortan Teenagern das Fürchten beizubringen und sie um einen Großteil ihres Taschengeld zu erleichtern, ein ideales Ziel für Hohn und Spott. Mit „Scary Movie“ (1999) versuchten sich die Wayans-Brüder an einer reinen Parodie in „ZAZ“-Manier (Zucker-Abrahams-Zucker), mit wenig lustigem Resultat, was jedoch Dimension Films nicht davon abhielt, die Reihe bis zum Letzten auszuschlachten, Teil 5 wird momentan vorbereitet. Vorher produzierte die Produktionsfirma Dimension Films – im Grunde ein geniales Geschäftsprinzip, erst viel Geld mit einem Film einzuspielen und anschließend mit der Persiflage den Profit noch zu vergrößern - die sowohl als Parodie als auch waschechter Slasher konzipierte Scream-Trilogie (1996 bis 2000).

    Glossermans Film beginnt zwar wie ein beliebiger Horrorfilm von der Stange - ein junges Mädchen wirft in einem finsteren Hinterhof Abfälle weg und wird von einem maskierten Killer beobachtet-, wechselt doch dann auf eine andere Realitätsebene, von denen insgesamt zwei existieren. Die Aufnahmen der Studenten sind betont naturalistisch gehalten, zwei DV-Kameras filmen unprätentiös das Geschehen, ohne Rücksichtnahme auf verwackelte Bilder oder Unschärfen, Probleme, die des öfteren auftreten, jedoch zu verschmerzen sind, da trotz oder gerade aufgrund einfachster Mittel ein formal-realistischer Eindruck erzeugt wird. Zusätzlich entsteht ein leiser Kommentar über die heutige Medienerfahrung, denn, durch das tägliche Bombardement von Bildern, sei es durch das Fernsehen oder das Internet, sind wir so konditioniert, dass einer unruhige Kameraführung automatisch das Sigel der Glaubwürdigkeit anhaftet, ein Effekt, den sich auch die inzwischen wieder abschwellende, aber dennoch gleich bleibend geschmacklose Welle von Reality-TV-Formaten zu nutzen machte. „Behind The Mask“ ist betreibt beleibe keine scharfe Medienkritik, jedoch ist dieser Ansatz, der nie explizit wird, für einen Horrorfilm bemerkenswert. Die andere Ebene ist jene, die das blutige Treiben Vernons zeigt, der völlig besessen vom Töten ist. Hier wechselt Glosserman in den typischen Inszenierungsstil des Slasherfilms, inklusive brutaler Tötungsszenen, einer agilen Kamera, geschickter Bildstaffelung und Surround Sound mit nervenaufreibender Musik des unbekannten Komponisten Gordy Haab, die sich anstelle der Vorreiter des Genres eher an neueren Beiträgen des Genres wie „Scream“ (Musik: Marco Beltrami) oder „Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast“ (1997; Musik: John Debney) orientiert, allzu aufdringlichen Bombast jedoch geschickt vermeidet.

    War ein Film wie „Mann beißt Hund“ noch relativ realistisch ausgerichtet, stürzt sich das Autorenteam, bestehend aus Glosserman und David J. Stieve, genüsslich auf sämtliche Klischees vergangener Schlitzer-Streifen. Urplötzlich zufallende Türen, Autos, die nicht anspringen, perfekt getimte Stromausfälle – das ganze Arsenal wird aufgefahren. Das Witzige hieran ist, dass der Zuschauer zwar auch in normalen Horrorfilmen den Protagonisten stets einen Schritt voraus ist, so lautet ja das Grundprinzip der „Suspense“, in die Planungen des Killers wird er jedoch nie einbezogen, was hingegen einen Großteil des Fun-Faktors von „Behind The Mask“ ausmacht. Wie Vernon Fitnessübungen macht, um dafür zu sorgen, dass das „Verfolgen seiner Opfer leichtfüßig aussieht“, wie er stundenlang Räume und Stromschalter präpariert und ausufernd über die Mechanismen des Genres philosophiert, Freudsche Symbolik, in der ein Messer phallisch konnotiert wird, inklusive, das ist unglaublich komisch. Mit einer verblüffenden Nonchalance erzählt der Killer von seinen Taten und gerät regelrecht in Ekstase, wenn er sich das grausame Ergebnis seines Treibens ausmalt. Er verhält sich wie ein Kind im Schlaraffenland, das endlich das machen kann, was es immer schon tun wollte, nur in diesem Fall sind es eben etwas gewalttätigere Wünsche. Würde der Film in unserer Welt spielen, könnte man sich zu der Aussage hinreißen lassen, Vernon hätte schlicht sich zu viele brutale Filme angeschaut und in Folge einer massiven moralischen Abstufung beschlossen, selbst Serienkiller zu werden, die Grundausstattung, bestehend aus Gruselmaske, Overall und Küchenmesser, ist doch nicht allzu teuer. Die „professionellere“ Machart des Films in den Suspense-Sequenzen entspricht genau den Vorstellungen, die man selbst und auch Vernon von einem derartigen Film hat, was Sean Presants präzise Montage bestens unterstreicht. So wird der Bericht des Protagonisten, wie er sich seine Mordserie vorstellt, mit der visualisierten Ausführung kombiniert, gewissermaßen handelt es sich dabei um Flashforwards, zukünftige Momente, wie sie geschehen könnten, allesamt in der stylischen Ästhetik modernen Horrors. „Behind The Mask“ bedient, wie bereits erwähnt, gezielt Zuschauervorstellungen, und macht sich parallel über diese lustig. Dekonstruktion und Parodie wird hier in einem betrieben.

    Für Fans des Genres sind zudem sicherlich die zahlreichen Anspielungen und Zitate eine wahre Freude. Allein die Drehorte der beliebten Horrorklassiker als reale Tatorte präsentiert zu bekommen, erheitert ungemein. Ein Clou stellt definitiv die Entscheidung dar, Robert „Freddy“ Englund als Doc Holloran zu besetzen. Mit dem inzwischen legendären Englund ist nicht nur der Darsteller eines der Vorbilder Vernons zu sehen, er nimmt auch die Funktion des von seiner Aufgabe besessenen Dr. Sam Loomis ein, der, gespielt von Genre-Veteran Donald Pleasance, in insgesamt fünf „Halloween“-Folgen auftrat und Michael Myers das Leben schwer machte. Der Name der Figur Loomis ist eine Anspielung auf einen anderen Sam Loomis (John Gavin), der einen kurzen Auftritt in Alfred Hitchcocks Psycho (1960) hatte, einem Film, der unübersehbar Carpenter und damit indirekt auch „Behind The Mask“ beeinflusste. In Stanley Kubricks Shining gibt es wiederum einen Dick Halloran (Scatman Crothers), zudem ertönt in der Sequenz, in der sich Vernon vor dem Spiegel auf seinen großen Auftritt vorbereitet, das von Al Bowlly interpretierte Lied „Midnight, the Stars and You“, das Kubrick in der Ballsequenz und im Abspann verwendete. Das ist gewiss keine innovative Neuerung, erst recht nicht seit dem Jahr 1992, dem Jahr, in dem Quentin Tarantino mit seinem Debüt Reservoir Dogs in Sundance auf der Bildfläche erschien. Seitdem ist die von ihm praktizierte Intertextualität fast schon zum Klischee mutiert, selbst in ansonsten simpelsten Serien ist sie zu finden. Dennoch macht es Spaß, nach Querverbindungen zu suchen.

    Allein für einen gelungenen Film würde dies nicht genügen, doch auch die Schauspieler können überzeugen. Hauptdarsteller Nathan Baesel spielt wahrlich herausragend, sein Leslie Vernon scheint vordergründig ein relativ normaler Mann Anfang dreißig zu sein, doch zunehmend fügt er kurze Momente des Wahns hinzu; dieses Changieren zwischen Normalität und Psychose gelingt ihm sehr eindrucksvoll. Auch Angela Goethals macht ihre Sache gut, die Wandlung vom sensationsgeilen Mädchen zur Frau mit Skrupeln macht sie gut deutlich, ihre Partner, Britain Spellings und Ben Pace sind zwar aufgrund der Tatsache, dass sie die beiden Kameramänner spielen, kaum zu sehen, fallen aber nicht negativ auf. Treffend sind auch die Teenager besetzt, hervor sticht Kate Lang Johnson als All-American-Girl, das sich am Ende doch nicht als so keusch heraus stellt, wie angenommen wurde. So gut dies auch alles klingen mag, leider gibt es auch Anlass zur Kritik. Die Tatsache, dass die wohl (zumindest ursprünglich) originellste, typische formale Eigenschaft des Slasherfilms, der Blick des Täters, illustriert durch ausgeklügelte Plansequenzen, fehlt, dies ist zwar zu verschmerzen, aber dennoch bedauerlich. Schwerer wiegt hingegen ein relativ schwacher dritter Akt, der bis auf wenige Ausnahmen überraschungsarm bleibt, was zwar im Grunde unvermeidlich war, aber gerade im Vergleich zur ersten Stunde, die zum größten Teil im „Mockumentary“-Stil gehalten ist, kann er nur abfallen. Richtig spannend ist dieser „seriösere“ Teil auch nicht wirklich, Peinlichkeiten vieler anderer, gewöhnlicher Horrorfilme werden aber vermieden, etwa handwerkliche Unzulänglichkeiten oder nerviges Overacting. Glosserman beweist insgesamt eine sichere Hand in allen Aspekten des Filmemachens, auf seine zukünftigen Werke darf man gespannt sein.

    Für Freunde des Genres ein absolutes Highlight, trotz schwächelndem letzten Drittels, handelt es sich bei „Behind The Mask: The Rise of Leslie Vernon“ um einen idealen Weg, einen unterhaltsamen Abend zu verbringen. Wer also Jason, Michael und Freddy nicht für den missratenen Sprössling eines Talkshow-Gastes, den Partner von Volksmusik-Star Marianne und einen singenden Leichtmatrosen hält, dem sei dieser Film wärmstens empfohlen, der leider weder in den USA noch in Deutschland bisher einen Verleih gefunden hat, vermutlich ändert sich dies bald, zumindest in den Staaten. Mit den genannten Filmen nicht vertraute Filmfreunde sollten, falls sie Interesse geschöpft haben, vorher einen Gang in die Videothek nicht scheuen, sonst geht nahezu der komplette Witz verloren.

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