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    Masters Of Horror: Cigarette Burns
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Masters Of Horror: Cigarette Burns
    Von Christoph Petersen

    Von „Assault - Anschlag bei Nacht” über „Halloween” bis hin zu „Jagd auf einen Unsichtbaren“ - und ganz nebenbei auch noch Horror- und Actionklassiker wie „The Fog“, „Die Klapperschlange“ und „Big Trouble In Little China“: Die Filmographie von Genre-Altmeister John Carpenter sticht selbst aus der Gruppe der großen 70er-Jahre-Regisseure um Joe Dante, George A. Romero, Tobe Hooper und Stuart Gordon noch positiv heraus. Und wenn man dies im Hinterkopf behält, mutet es nur noch beeindruckender an, dass sein erster „Masters Of Horror“-Beitrag, der atmosphärisch dichte Gore-Thriller „Cigarette Burns“, trotz seiner nur 58 Minuten wahrlich nicht zu seinen schwächeren Werken zählt – selbst die von vielen vertretene These, „Cigarette Burns“ wäre sogar der beste Carpenter-Film seit Das Ding aus einer anderen Welt (1982), mag man nicht von vorneherein von der Hand weisen.

    Da Kinobesitzer Kirby Sweetman (Norman Reedus) gerade in finanziellen Schwierigkeiten steckt, kommt ihm der Auftrag des reichen, aber geheimnisvollen Filmsammlers Mr. Bellinger (Udo Kier) gerade recht. Für 200.000 Dollar soll Kirby eine Kopie des legendären Films „La Fin Absolue Du Monde“ beschaffen, dessen Uraufführung zu einer brutalen Gewaltorgie im Zuschauersaal ausgeartet war und der seit diesem Tag als verschollen gilt. Zunächst verläuft Kirbys Suche noch in geordneten Bahnen, er befragt einen Mitarbeiter des französischen Filmarchivs und einen Kritiker, der bei der fraglichen Vorstellung selbst anwesend war. Doch dann beginnt Kirby, immer wieder feurige Kreise – wie man sie auch auf bestimmten Bildern einer Filmrolle findet und die in der Fachsprache „Cigarette Burns“ genannt werden – zu sehen und seine unerwartet gefährliche Reise nimmt immer surrealere, absurdere und blutigere Züge an…

    Nach einer für einen einstündigen Fernsehfilm fast schon ausufernden Einführung der beiden wichtigsten Charaktere und der ersten Hintergründe rund um „La Fin Absolue Du Monde“ beginnt Sweetmans die halbe Welt umspannende Odyssee. Dabei erinnert die erste, noch nicht gänzlich surreale Hälfte seiner Suche stark an die europäischen Agentenfilme aus den 60er und 70er Jahren – mehr Zufall und Altbauten als Bondsche High-Tech-Präzision. Und dann folgt aus dem Nichts der erste Paukenschlag – noch ohne übersinnliche Einwirkung verliert eine Frau ihren Kopf (die deutsche Fassung ist leider um einige Gore-Szenen erleichtert), was der bis hierhin nur faszinierenden Reise auch eine erschreckende Komponente verpasst. Von nun an werden Sweetmans Entdeckungen und Gespräche immer unwirklicher, es scheint fast, als hätte sich um diese eine Kopie eines einzigen Films ein weltweites Netzwerk aus Intrigen und rivalisierenden Gruppierungen gespannt – und trotzdem erzählt uns Carpenter im Endeffekt eigentlich nichts über die wahren Hintergründe, lässt den Zuschauer genauso hilflos und unwissend wie seinen Protagonisten von einem absurden Setting ins nächste tappen.

    Was „Cigarette Burns“ vor allem von ähnlich gelagerten Horrorfilmen positiv abhebt, ist die unglaubliche Ernsthaftigkeit, mit der Carpenter seine surreale Geschichte zu inszenieren versteht. Selbst den Splatter-Showdown mit philosophischem Einschlag, der mit einigen superharten und komplett abgehobenen Gore-Sequenzen aufwartet, setzt er so in Szene, dass er bestenfalls noch ein befreiendes Lachen zulässt. Das Übrige tut ein Carpenter–typischer Hochspannungs-Elektro-Score, den John aber diesmal ausnahmsweise nicht selbst komponiert, sondern die Arbeit seinem Sohn Cody überlassen hat – mit Sicherheit keine dumme Entscheidung. So bleibt als einzige kleinere Schwäche Hauptdarsteller Norman Reedus (Der blutige Pfad Gottes), der insgesamt etwas zu blass erscheint. Aber dafür wird man wiederum mit einem wunderbaren Auftritt von Udo Kier (Bloodrayne, Dancer In The Dark), der hier seine Paraderolle als geheimnisvoller, intellektueller Geschäftsmann noch ein wenig mehr als sonst Over-The-Top spielt, ausreichend entschädigt.

    ”Film is Magic. And in the right hands, it can be a weapon!”

    Solch ein Zitat mit seinen Händen und Waffen hat wohl jeder schon etliche Male in ideenlosen Action-Feuerwerken über sich ergehen lassen müssen. Aber Carpenter wäre nicht Carpenter, würde er nicht durch das Abändern eines Wortes – richtig statt falsch – einen ganz eigenen, viel mutigeren und schlussendlich genialen Weg beschreiten. So bekennt er sich nämlich voll und ganz zur Magie des Kinos, die sowohl die guten und schlechten Seiten, die schönen und traurigen Gefühle aus uns – seinem Publikum – herausholen kann. In „Cigarette Burns“ mag diese totale Hingabe fatal enden, aber im Endeffekt bedarf es dieser, um Film in all seinen Facetten voll genießen zu können. Auch wenn es sicherlich etwas merkwürdig anmutet, dass John Carpenter seinen selbstrefferenziellsten Film über die Macht des Kinos ausgerechnet mit einer TV-Produktion abliefert, sollte man sich mit dieser Frage auf keinen Fall zu lange aufhalten, sondern sich für die eine Stunde richtig guten Horror einfach nur begeistern.

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