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    Quiet Earth - Das letzte Experiment
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Quiet Earth - Das letzte Experiment
    Von Sven Maier

    „Quiet Earth“ basiert auf dem gleichnamigen Roman des neuseeländischen Schriftstellers Craig Harrison. 1987 wurde das atmosphärisch berauschend dichte Endzeit-Drama auf dem Festival des Phantastischen Films in München mit dem Publikums- und dem Jurypreis ausgezeichnet – und das zurecht. Ein Mann entdeckt, dass er der letzte Mensch der Welt ist. Im Gegensatz zu dem Apokalypse-Actioner „Der Omega-Mann“ mit Charlton Heston ist „Quiet Earth“ eine Rätselgeschichte, die es mit dem Protagonisten zu erkunden gilt.

    Für den Wissenschaftler Zac Hobson (Bruno Lawrence) geht ein weiteres Mal die Sonne auf. Eigentlich verwunderlich, hat er doch in der Nacht versucht, sich mit einer Überdosis Tabletten umzubringen. Auf dem Weg zur Arbeit wird ihm erst bewusst, dass er an diesem Tag vollkommen allein ist. Die Menschheit wurde ausgelöscht und er scheint der letzte Überlebende der Apokalypse zu sein. Aber bald findet er weitere, die hübsche Joanne (Alison Routledge) und Api (Pete Smith), einen Stammesangehörigen der Maori. Zusammen versuchen sie herauszufinden, wie es zu dieser Katastrophe kommen konnte, bis zwischen den Männern der Streit um Joanne ausbricht...

    „God blinked and the whole world disappeared?” [Joanne]

    Zac weiß noch nichts von seinem Unglück, als er eines Morgens aufsteht und zur Arbeit gehen möchte. Die Menschen haben den Wasserhahn laufen lassen, der Kaffee verbrennt in der Kanne und sogar Flugzeuge stürzen ab, weil niemand mehr da ist, um sie zu fliegen.

    Das Außergewöhnliche an „Quiet Earth” ist, dass der Film nach der Katastrophe spielt und das Geschehene zu rekapitulieren versucht. Im Vergleich zu Stoffen wie The Terminator, in denen es um das Aufhalten des Weltuntergangs geht, hat die Weltvernichtungsmaschine hier bereits gezündet. Überlebt hat nur ein Wissenschaftler, eine Frau und ein Kämpfer, was man metaphorisch mit analytischem Verstand, Gefühl und Instinkt umschreiben kann. Drei wesentliche Eigenschaften des Menschen, die zusammenarbeiten. Die drei schlagen sich durch die Welt, wie sich die drei Gefährten in Stalker durch die Zone schlagen müssen, auf der Suche nach deren Sinn.

    Die atemberaubende Atmosphäre, die Geoff Murphy (Second-Unit-Regisseur in Peter Jacksons „Herr der Ringe“-Trilogie) durch die ruhige Inszenierung aufbaut sowie das Konzept des Endzeitfilms wird in 28 Days Later zitiert. Während Danny Boyle im Verlauf seines Horror-Thrillers immer mehr auf Schocker setzt, kann Murhphy die Spannung jedoch geschickt steigern, ohne das Ziel aus den Augen zu verlieren. Gespannt verfolgen wir Zacs Versuche, andere Menschen zu finden, bis er es schließlich aufgibt und scheinbar dem Wahnsinn verfällt. Schnell wird dem Publikum der Schrecken dieser Vision bewusst, die sich vielleicht mancher im Zorn schon einmal herbeigewünscht haben mag. Denn was bedeutet es wirklich: Alleine zu sein, für immer? Zac beschreibt es als Hölle auf Erden: „I've been condemned to live.”

    Nun kann er alles tun, was er will und was er schon immer wollte. Aber was ist das schon wert, wenn niemand da ist, um davon Notitz zu nehmen oder um es mit ihm zu teilen? Er glaubt jedenfalls zu wissen, was das Verschwinden der Menschen verursacht hat: Die „Operation Flashlight“, an der er gearbeitet hat, muss für den „Effekt“, wie er es nennt, verantwortlich sein. Die Aufgabe des Projekts war es, eine für den Menschen unerschöpfliche Energiequelle zu schaffen, doch es sollte das letzte Experiment der Menschheit gewesen sein.

    „I have dedicated all my scientific knowledge and skill to projects which I knew could be put to evil purposes ... for the common good, they said.

    How easy to believe in the common good, when that belief is rewarded with status, wealth ... and power! How hard to believe in the common good ... when every fibre of my being tells me, that the awesome forces I helped to create ... have been put into the hands of madmen!” [Zac]

    Gäbe es wirklich keine anderen Menschen mehr, dann wäre die Geschichte schon zu Ende. In der zweiten Hälfte ändert sich deshalb mit den Neuankömmlingen die Richtung des Films. Die Erleichterung, endlich jemanden gefunden zu haben, schafft eine glaubhafte Intimität zwischen den Charakteren. Nur diejenigen konnten überleben, die zu dem Zeitpunkt, als der Effekt eintrat, starben. Das ist die Erinnerung, die alle drei verbindet. Bruno Lawrence spielt hervorragend und kann vor allem in der ersten Hälfte seinem Charakter eine besondere Tiefe verleihen. Alison Routledge und Pete Smith machen ihre Sache gut, gehen aber in der Dreiecksbeziehung, die sich gegen Ende etwas schleppt, nicht ganz auf. Außer dem Versuch den Effekt zu verhindern, streiten sich Api und Zac gezwungenerweise um Joanne.

    „The Quiet Earth“ kommt über große Strecken ohne Spezialeffekte aus. Wenn sie jedoch angewendet werden, wirkt alles stimmig. Auch die musikalische Untermalung von John Charles trägt ihren Teil zur einzigartigen Atmosphäre bei. Die Vermutung die Zac äußert, sie könnten sich in einem anderen Universum befinden, wird letztendlich durch die grandiose Schlussszene untermauert. Die Science Fiction bildet den Rahmen, um eine an der Verzweiflung treibende Geschichte, vom Verlieren und dem Wiedergewinnen der Menschlichkeit. Von Tragik und Ironie. Die Maschine sollte den Menschen unbegrenzte Energie liefern. Stattdessen lieferte sie ihren Untergang. Zac wollte seinen Freunden keine Last sein, er wollte sie retten und wurde damit der - diesmal endgültig - letzte Mensch auf der Erde.

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