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    Die Vorsehung
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Die Vorsehung
    Von Carsten Baumgardt

    „Ich genoss seine Leber mit ein paar Fava-Bohnen, dazu einen ausgezeichneten Chianti“: Jeder Filmfan kennt diese Worte des menschenverspeisenden Psychiaters Dr. Hannibal Lecter aus „Das Schweigen der Lämmer“ und hat dazu gleich Anthony Hopkins‘ beängstigend-faszinierende Darstellung des monströsen Genies vor Augen - der oscargekrönte Auftritt ist längst in die Filmgeschichte eingegangen. Eine solche Jahrhundertrolle kann einen Schauspieler allerdings nicht nur weltberühmt machen, sondern sich auch als künstlerischer Bumerang erweisen. Doch die Gefahr, dass Lecter seine Karriere allzu sehr bestimmt und er auf den Psychopathen-Part festgelegt wird, hat Hopkins offenbar nie geschreckt. Er schlüpfte zwei weitere Male in seine Paraderolle (in „Roter Drache“ und in „Hannibal“) und spielt auch in anderen Filmen immer wieder gern und gekonnt mit den Manierismen und Spleens der Kultfigur. So wechselt der Brite in Afonso Poyarts Mystery-Thriller „Die Vorsehung“ zwar auf die Seite des Guten, lässt aber als Psychiater mit übernatürlichen Talenten trotzdem etwas von der Aura Lecters spüren. Es ist vor allem Hopkins, aber auch seinen Schauspielkollegen Abbie Cornish, Jeffrey Dean Morgan und Colin Farrell zu verdanken, dass der Film, der Regisseur Poyart dann und wann aus der Hand zu gleiten droht, insgesamt immer noch annehmbare Unterhaltung bietet.

    Eine unheimliche Mordserie ruft das FBI auf den Plan: Die Opfer werden stets nach demselben Muster mit einem zwölf Zentimeter langen Schnitt in den Nacken getötet. Die Agenten Joe Merriwether (Jeffrey Dean Morgan) und Katherine Cowles (Abbie Cornish) tappen bei ihren Ermittlungen zu den rituell anmutenden Taten im Dunkeln und kontaktieren in ihrer Not den ehemaligen FBI-Psychoanalytiker Dr. Clancy (Anthony Hopkins), der über rätselhafte hellseherische Fähigkeiten verfügt. Nur widerwillig lässt sich Clancy, der sich in den Ruhestand zurückgezogen hat, nachdem seine Tochter auf tragische Weise umgekommen ist, auf den Fall ein, denn seine übernatürlichen Talente sind für ihn persönlich eine Last. Aber er kann den Ex-Kollegen bald helfen: Als David Raymond (Kenny Johnson) nach dem vermeintlichen Mord an seiner Frau Victoria (Luisa Moraes) verhaftet wird, merkt Clancy schnell, dass der verdächtigte Gatte nicht der Täter ist.

    Der brasilianische Regisseur Afonso Poyart („2 Coelhos“) gibt mit „Die Vorsehung“ ein durchwachsenes internationales Debüt. Das Drehbuch von Sean Bailey (Produzent von „Tron: Legacy“) und Ted Griffin („Ocean’s Eleven“) schlummerte 15 Jahre lang in der Schublade, bevor es Produzent Beau Flynn („Requiem For A Dream“, „San Andreas“) dort rausholte. „Die Vorsehung“ verlangt von den Zuschauern einen Vertrauensvorschuss, man muss gewillt sein, sich auf die im Grunde hanebüchene Prämisse der visionären Vorahnungen einzulassen. Wer dies tut, bekommt vor allem dann einiges geboten, wenn die Schauspieler sich in düsterer Atmosphäre entfalten dürfen. Ihre Figuren entsprechen allesamt altbekannten Genremustern, aber es gelingt ihnen durchaus, dem oft Gesehenen eine eigene Note zu geben. So harmonieren Jeffrey Dean Morgan („Watchmen“) und Abbie Cornish („Bright Star“) als ungleiches Agentenduo hervorragend, die Hauptattraktion ist jedoch der charismatische Szenendieb Anthony Hopkins, der einerseits mit seiner glorreichen Hannibal-Lecter-Vergangenheit kokettiert und den paranormal begabten undurchsichtig-mürrischen Psychiater-Kauz Clancy andererseits glaubhaft mit Skrupeln und Verantwortungsgefühl ausstattet.

    Clancy hat einiges durchgemacht, fühlt sich aber verpflichtet zu helfen. Schnell ist klar, dass in „Die Vorsehung“ auch alte Wunden aufgerissen werden, doch die tatsächliche Begegnung des Psychiaters mit seiner Nemesis kommt überraschend. Urplötzlich erscheint der Mann nach etwa einer Filmstunde auf der Bildfläche und die Karten werden noch einmal ganz neu gemischt. Seine Motivation trägt der Unhold dabei prahlerisch vor sich her, sein unerwarteter Auftritt ist nur einer von mehreren kruden Twists, die hier aneinandergereiht werden und dem Film etwas von einem sorglos zusammengezimmerten B-Movie geben. Immerhin darf der Mörder bedenkenswerte ethische Fragen aufwerfen, die das Handeln mehrerer Figuren in ein neues Licht tauchen, nur leider ist die Inszenierung von Afonso Poyart nicht auf der Höhe dieser Gedankenanstöße: Viele Szenen sind unübersichtlich, der Schnitt wirkt oft hektisch, der ganze mit düster-stylishen Bildern und wirren Zooms garnierte Film hat etwas ungewollt Unruhiges an sich. Von offensichtlichen Vorbildern wie dem David Fincher von „Sieben“ ist Poyart meilenweit entfernt.

    Fazit: Die charismatische Star-Besetzung ist für Afonso Poyart ein Segen. Was er selbst in seiner Inszenierung des kruden Mystery-Thrillers „Die Vorsehung“ nicht in den Griff bekommt, machen seine Schauspieler mit Ausstrahlung wieder wett.

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