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    Midnight Run
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Midnight Run
    Von Carsten Baumgardt

    Eine Action-Komödie, deren Charakterzeichnung das formidable Spektakel locker in den Schatten stellt? Eine ernsthafte Schauspiellegende, die unterschwellig komisch sein kann? Ein Buddy Movie, das Klischees zu benutzen scheint, aber im Laufe der Handlung tatsächlich etwas Einzigartiges darstellt? Ja, so etwas gibt es tatsächlich. Die Rede ist von Martin Brests „Midnight Run“, der in der historischen Filmbetrachtung immer noch sträflich unterschätzt ist - eine Schande.

    Der Ex-Cop Jack Walsh (Robert De Niro) schlägt sich als Kopfgeldjäger durchs Leben. Selbiges ist ein Chaos, seine Ehe mit Gail (Wendy Phillips) längst Geschichte, seine Tochter Denise (Danielle DuClos) hat er seit Jahren nicht gesehen und das Geld ist immer knapp, so dass der Traum vom Ausstieg aus dem Business vorerst einer bleibt. Mit seinem neuesten Auftrag will Walsh den Absprung schaffen. Sein Auftraggeber Eddie Moscone (Joe Pantoliano, Memento) verspricht ihm 100.000 Dollar, wenn er den flüchtigen Mafiabuchhalter Jonathan Mardukas (Charles Grodin) innerhalb von fünf Tagen in Los Angeles abliefert, um nicht für die horrende Kaution, die er gestellt hat, gerade stehen zu müssen. Doch aus dem simplen Job entwickelt sich eine wilde Hetzjagd, nachdem Walsh den Verurteilten in New York aufgespürt hat. Mafiaboss Jimmy Serrano (Dennis Farina, „Get Shorty“) will Mardukas umbringen lassen, weil dieser ihm 15 Millionen Dollar gestohlen hat, um sie für wohltätige Zwecke zu verwenden. Dazu klebt das FBI dem Duo unter Führung von Agent Alonzo Mosely (Yaphet Kotto) an den Hacken und Schlitzohr Moscone hat mit Marvin Dorfler (John Ashton) einen zweiten Kopfgeldjäger ins Rennen geschickt...

    Den großen Hit seiner Karriere landete Martin Brest (Rendezvous mit Joe Black, „Der Duft der Frauen“) mit Beverly Hills Cop, doch seinen besten Film lieferte der Regisseur mit „Midnight Run“, dem Nachfolgeprojekt, ab. Auf dem Papier liest sich das Werk wie eine gewöhnliche Action-Komödie im Buddy-Movie-Stil, aber durch die äußerst stimmige, feinfühlige Zeichnung der beiden Hauptcharaktere übertrumpft die Entwicklung der Beziehung von Walsh und Mardukas plötzlich alles andere. Die vielbeschworene Chemie zwischen Robert De Niro und Charles Grodin funktioniert sensationell. Das smarte Drehbuch von George Gallo („Bad Boys“) legt nach und nach mehr Facetten frei und bringt das drohende moralische Dilemma immer näher. Die beiden ungleichen Typen mögen und respektieren sich im Grunde, was sie nicht davon abhält, den anderen möglichst trickreich auszustechen, um ihre Ziele (Geld bzw. Überleben) verwirklichen zu können.

    De Niro zeigte zum ersten Mal komisches Talent, doch fördert er dieses auf einer unterschwelligen Basis hervor, ohne auf die offensichtlichen Gags zu gehen. Diese Kunstfertigkeit verfolgte er später noch in Reine Nervensache und Mein Braut, ihr Vater und ich sowie den jeweiligen Sequels („Reine Nervensache 2“, Meine Frau, ihre Schwiegereltern und ich). Grodin wird als moderner Robin Hood eingeführt, doch seine Qualitäten als Nervensäge mit philosophischem Einschlag sind nicht zu unterschätzen. Grodin entlockt seinem Charakter Aspekte, die für ein Action-Road-Movie ungewöhnlich tiefsinnig ausfallen, was die ein oder andere kleinere Plattheit des Plots ausgleicht.

    Ganz klassisch bietet „Midnight Run“ eine Reihe von ausgezeichneten Actionszenen der alten Schule, die nicht im Bombast ersticken, aber dem Zuschauer doch immer etwas fürs Auge servieren. Brests Timing ist so exakt, dass alles zusammenpasst und gar als Lehrbeispiel dienen darf. Er holt alles und noch viel mehr aus dem Material heraus, fährt Wendung nach Wendung auf, bis er „Midnight Run“ mit einem wunderbaren, innovativen Ende das Sahnehäubchen aufsetzt. Stilistisch gegen den Strich gebürstet, kommt der rastlose Actionexpress plötzlich zum Stillstand und verharrt. „Midnight Run“ ist ein Glanzlicht des Genres und zählt zu den besten und raffiniertesten Action-Komödien überhaupt. Einen kleinen Makel hat Regisseur Brest nicht wirklich zu verantworten: Der Film ist ein Kind seiner Zeit... und die heißt 80er Jahre. Dementsprechend gewöhnungsbedürftig und trashig fällt auch der Score aus...

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