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    24 Stunden Angst
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    24 Stunden Angst
    Von Johannes Pietsch

    Die sukzessive Zerstörung eines scheinbar narrensicheren Planes, das Durchkreuzen eines vermeintlich perfekten Verbrechens, dessen Konzeption Stück für Stück in Trümmer geht, gehört zur Riege besonders gern wiederverwendeter Motive des Thriller-, Action- und Krimikinos. Fast alle Mordfälle des Trenchcoat-Kommissars Columbo bauten darauf auf, dass dem Täter einige wenige, aber entscheidende Nachlässigkeiten bei seiner Tat zum Verhängnis wurden, und wer erinnert sich nicht gerne an Bruce Willis, wie er 1988 als John McClane in John McTiernans „Die Hard“ den Plan einer Bande von Schwerverbrechern zum „Hochhaus-Hijacking“ inklusive Millionenraubs etappenweise vereitelte. Zuletzt scheiterten in David Finchers „Panic Room" drei Einbrecher bei ihrem Versuch, die Millionenbeute eines lange zurückliegenden Deliktes aus einer Mietwohnung zu entwenden, an der unverhofft dort angetroffenen Jodie Foster. Auch Luis Mandoki verfolgt mit seinem Thriller „24 Stunden Angst“ ("Trapped") die Linie eines scheinbar perfekten Verbrechens, welches in Folge unglückseliger Fügung sowie nicht erwarteter Gegenwehr der Opfer zum Desaster ausartet.

    Nicht nur das äußerst unpopuläre Sujet der Kindesentführung dürfte dazu beigetragen haben, dass Mandokis sehr konventionellem und auch nicht sonderlich intelligentem, dafür aber recht straff inszenierten Streifen der kommerzielle Erfolg in Amerika versagt bliebt. Der Raub des eigenen Fleisch und Blutes und dessen geplante, kalkulierte Bedrohung mit dem Tod durch den Entführer rührt sicherlich an tiefsitzendsten Urängsten der Menschen, was Unterhaltungsfilmen dieses Themas – abgesehen von einigen wenigen Klassikern wie der Dürrenmatt-Verfilmung „Es geschah am hellichten Tage“ – den Boden breiteren Zuschauerzuspruches weitestgehend entziehen dürfte.

    Auch inhaltlich hat „Trapped“ nicht viel Neues zu erzählen: Die Idealisierung der Familie als wertvollstes und höchstes zu schützendes Gut, der Einbruch des brutalen Verbrechens von Außen in diese Idylle und der verzweifelte Abwehrkampf der Betroffenen rekapitulieren außerordentlich abgenutzte und stellenweise erzkonservativ und unangenehm spießig müffelnde Klischeevorlagen der Thriller-Historie. Charlize Theron und Stuart Townsend stellen als Karen und Will Jennings das Idealbild des jungen, blendend aussehenden und beruflich wie privat umwerfend erfolgreichen Yuppie-Ehepaares dar: Sie eine ehemalige Krankenschwester, die mit ihren Einkünften dem Göttergatten die Promotion finanzierte und damit den Weg zur Weltkarriere als Forscher auf dem Sektor der Anästhesie ebnete, er als adretter Jungmediziner mit Lizenz zum Nobelpreis-Gewinner der feuchte Traum einer jeglichen OP-Schwesternschülerin.

    In diese perfekte Idylle der Schönen, Reichen und Erfolgreichen bricht das Verbrechen in Gestalt des rücksichtslosen, abgebrühten Joe Hickey, seiner Ehefrau Cheryl und seines Cousins Marvin, die nach mehreren exakt gleich durchgeführten Verbrechen die perfekte Entführung planen. Nach einem zeitlich genau abgestimmten Plan sollen Will, Karen und ihre achtjährige Tochter Abby gekidnappt, 24 Stunden lang an drei verschiedenen Orten gefangengehalten und von den drei Bandenmitgliedern bewacht werden, die wiederum sich per Handy regelmäßig vom Wohlergehen der jeweils anderen Mittäter überzeugen. Nach Ablauf der Eintagesfrist winkt mit Zahlung eines enorm hohen Lösegelds allen drei Familienmitgliedern die Freiheit, immer vorausgesetzt, sie halten sich akribisch an die Spielregeln, die ihnen ihre Entführer diktieren. Doch je wasserdichter solche Pläne auch gestrickt sein mögen, desto anfälliger sind sie gegenüber kleinsten Unwägbarkeiten: Nicht einkalkuliert haben die Verbrecher nämlich, dass die achtjährige Abby an schwerem Asthma leidet und regelmäßig Medikamente benötigt, um nicht bei einem schweren Anfall der Atemwegserkrankung zu sterben. Außerdem verhalten sich Karen, die von dem abgründig psychopathisch angehauchten Joe in ihrem Wohnhaus gefangengehalten wird, und Will, auf den Gangsterbraut Cheryl in seinem Hotel Acht geben soll, wesentlich unkooperativer als erwartet.

    Darstellerisch bietet „Trapped“ vor allem mit dem Rockband-kompatiblen Gangstertrio einige Schauwerte. Kevin Bacon scheint nach „Hollow man“ Gefallen am Rollentypus des unberechenbaren, schizoiden Gewalttäters gefunden zu haben, der neben der eiskalt kalkulierenden und berechnenden Ader auch einen Hang zu unkontrollierten Triebdurchbrüchen aufweist. So muss die attraktive Karen, während sie dem ebenso zynischen wie charismatischen Kidnapper in ihrem einsamen Domizil ausgeliefert ist, nicht nur um das Leben ihrer Tochter fürchten, sondern sich auch der Vergewaltigungsversuche des Eindringlings erwehren. Das ideale Gegenstück zum dämonischen Gangsterchef Hickey bildet die auf den Punkt besetzte Kurt-Cobain-Witwe Courtney Love als verruchte, abgetakelte, aber im hintersten Seelenwinkel noch zur Menschlichkeit fähigen Verbrecherbraut. Die altbekannte Rollenverteilung Marke „the good, the bad and the ugly“ komplettiert Pruitt Taylor Vince als gutmütiger, aber folgsam ergebener und ohne die Anleitung seines Cousins Joe völlig hilfloser Trottel Marvin. Auf der anderen Seite darf Charlize Theron mit der Metamorphose vom liebenden Hausblondchen zur aufopferungsvoll kämpfenden Löwenmutter überzeugen, während Stuart Townsend zwar sympathisch, aber als Charakter ähnlich blass wirkt wie als anämischer Vampir-Rockstar in „Queen of the damned“. Sehr konzentriert agiert die achtjährige Dakota Fanning in der Rolle der Asthma-kranken Tochter Abby.

    Auch mit der Logik krächzt und ächzt es bei „Trapped“ im Gebälk. Stellenweise agiert das Gangstertriumvirat derartig chaotisch, unüberlegt und kopflos, dass der geneigte Zuschauer kaum glauben mag, dass dem flotten Dreier mit der gleichen Masche bereits sage und schreibe vier Entführungen gelungen sein mögen. Da zeigen sich alle drei Entführer gegenüber ihren Opfern permanent ohne Maske, hinterlassen überall Fingerabdrücke und benutzen sogar eigene Fahrzeuge, so dass die Entführten keine Probleme haben dürften, sich die Nummernschilder zu merken. Ein so stümperhaft geplantes Kidnapping soll bereits vier mal funktioniert haben? Nicht wirklich.

    Seinen Reiz gewinnt der Film aus dem klaustrophobischen Kammerspiel, zu welchem sich das Entführungsdrama an den drei verschiedenen Schauplätzen entwickelt. Während zwischen der eingeschüchterten, aber alles andere als wehrlosen Karen und dem schillernden Gangster-Chef Joe die erotischen Funken sprühen, liefern sich Will und Cheryl viele Kilometer entfernt einen gnadenlosen Sitzkrieg bis hin zum Beinahe-Mord. Cousin Marvin wiederum zeigt sich bereits bei den ersten Anzeichen eines Asthma-Anfalles bei seiner achtjährigen Geisel mit den elementarsten medizinischen Verhaltensregeln überfordert, was die Situation unaufhaltsam außer Kontrolle geraten lässt. Immer häufiger sehen sich die Gangster auf einmal mit ebenso unerwarteten wie unwillkommenen Hindernissen konfrontiert, müssen umdisponieren und einer neuen Situation mit improvisierter Taktik begegnen. Diese Konstellation hätte Luis Mandoki zweifelsohne zu einem fesselnden wenn nicht sogar furiosen Thrillerfinale führen und verdichten können. Dummerweise gibt der Regisseur von „Angel Eyes“ im letzten Drittel des Films alle bisherigen Trümpfe aus der Hand, indem er die voneinander separierten Schauplätze des bisherigen Kammerspiels verlässt, endgültig auf jeglichen Versuch eines halbwegs logischen und durchschaubaren Plots pfeift und im letzten Atemzug auch noch auf haarsträubend unrealistische und dümmliche Weise versucht, großformatiges Actionkino mit Verfolgungsjagden zu Lande, zu Wasser und in der Luft zu inszenieren. Spätestens mit dem dramaturgisch grenzdebil inszenierten Aussetzen eines Wasserflugzeugmotors stürzt „Trapped“ in die endgültige Lächerlichkeit. Platsch!

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