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    Grabgeflüster - Liebe versetzt Särge
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Grabgeflüster - Liebe versetzt Särge
    Von Jürgen Armbruster

    Was ist die beste britische Komödie des vergangenen Jahrzehnts? „Notting Hill“? „Ganz oder gar nicht“? Alle diejenigen, die diese Frage mit „Lang lebe Ned Devine“ beantworten würden, sollten sich Nick Hurrans tiefschwarze Komödie „Grabgeflüster“ unbedingt vormerken.

    „Grabgeflüster“ entführt den Zuschauer in die verschlafene, walisische Kleinstadt Wrottin-Powrys. Vor 30 Jahren hatte der schüchterne Teenager Boris Plotz (Alfred Molina) die Chance seines Lebens. Er hätte auf dem Tanzball nur seinen ganzen Mut zusammen nehmen und seine große Liebe Betty (Brenda Blethyn) zum Tanz bitten müssen. Sein Leben hätte sicherlich einen anderen Verlauf genommen, doch nun ist er ein 50 Jahre alter, lediger Bestattungsunternehmer in einem kleinen 5.000-Seelen-Nest und nach wie vor unsterblich in Betty - welche mittlerweile mit dem Stadtrat Hugh Rhys-Jones (Robert Pugh) verheiratet ist - verliebt. Doch das Schicksal gibt ihnen eine zweite Chance. Bei der Beerdigung von Bettys Schwiegermutter verliebt sich die in ihrer Ehe totunglückliche Betty in Boris und die beiden fassen einen waghalsigen Entschluss – sie wollen in die Karibik durchbrennen. Da Betty jedoch schwere Gewissensbisse plagen, kann sie ihren Mann nicht einfach verlassen und ihn damit der Häme der ganzen Stadt aussetzten. Daher entwickeln die beiden Liebenden einen waghalsigen Plan: Sie wollen Bettys Tod vortäuschen, eine pompöse Beerdigung inszenieren und dann still und leise verschwinden. Wer jetzt meint, dies sei schon verrückt genüg für eine abendfüllende Komödie hat zwar recht, aber in diesem Fall ist nur die Spitze des Eisbergs aufgedeckt. Betty und Boris ahnen nämlich nicht, dass Hugh seine Frau schon seit einer halben Ewigkeit mit seiner hübschen Sekretärin Meredith (Naomi Watts) betrügt. Logisch, dass Betty Meredith ein Dorn im Auge ist. Ihr Ziel ist klar: Betty ausschalten und ihren Platz an der Seite von Hugh einnehmen. Verrückt? Sicherlich, aber immer noch nicht verrückt genug! Der zweite Bestattungsunternehmer von Wrottin-Powrys, der vollkommen durchgeknallte Frank Featherbed (Christopher Walken) und sein Assistent Delbert (Lee Evans) setzen alles daran, Boris vom Markt zu verdrängen. Die beiden wittern in der Beerdigung von Betty ihre große Chance.

    Was Drehuchautor Frederick Ponzlov hier auf die Beine stellte, ist eine Dreiecksgeschichte allererster Güte. Boris und Betty wollen Bettys Tod vortäuschen, Hugh und Meredith Betty tatsächlich töten und Frank und Delbert Betty begraben. Zwar lässt sich Nich Hurran in der ersten halben Stunde des Films reichlich Zeit, die Rahmenbedingungen für dieses vollkommen abgedrehte Menage à Trois zu schaffen, doch sobald die Geschichte einmal ins Rollen gekommen ist, gibt es kein Halten mehr. Jeder der Protagonisten stolpert in dermaßen viele Fettnäpfchen, dass dem Publikum kaum Zeit zu Erholung bleibt. Ein Gag jagt den nächsten. Was Frederick Ponzlov hierbei sehr hoch angerechnet werden muss, ist die Tatsache, dass er vollkommen auf jede Form des derzeit allgegenwärtigen Fäkalhumors verzichtet.

    Doch auch abseits der eigentlichen Hauptgeschichte bietet „Grabgeflüster“ jede Menge erheiternder Szenen. Frank Featherbed hat es sich beispielsweise zum Ziel gesetzt, eine neue Form der Bestattung zu erschaffen. Seiner Ansicht nach soll eine Bestattung kein Fest der Trauer sein. So bietet er Sonderrabatte an – zwei Bestattungen zum Preis von einer – oder inszeniert den Gottesdienst wie eine Broadway-Show oder eine Episode aus „Raumschiff Enterprise“. Wer diese Zeilen nun kopfschüttelnd liest, sollte sich vergegenwärtigen, dass „Grabgeflüster“ die wahrscheinlich schwärzeste Komödie seit „Very Bad Things“ ist. Grenzen kennt dieser Film keine. Wem dies zu weit geht, ist hier fehl am Platz. Um „Grabgeflüster“ genießen zu können, sollte man keine Tabuthemen kennen und über wirklich alles lachen können!

    Ein weiterer Pluspunkt ist die wunderbare Besetzung, die beweißt, dass es keinen Hugh Grant, keiner Sandra Bullock und keiner Julia Roberts bedarf, um eine lustiges Filmchen auf die Beine zu stellen. Alfred Molina und Brenda Blethyn spielen das schüchterne Liebespaar mit einer herzerwärmenden Hingabe. Sie entwickeln mehr als genug Sympathiewerte, um das Publikum auf ihre Seite zu ziehen. Naomi Watts darf nach ihren bisher äußerst ernsthaften Rollen in „Mulholland Drive" und „The Ring" ihr komödiantisches Talent zur Schau tragen und geizt obendrein nicht mir ihren weiblichen Reizen. Robert Pugh ist von der ersten Sekunde an genau das was von ihm erwartet wurde – der unsympathische Widerling des Films. Ein Stückchen über allen anderen Ragen jedoch Christopher Walken („Catch Me If You Can", „Kangaroo Jack") und Lee Evans („Verrückt nach Mary"). Beide durften sich mal so richtig austoben und hatten einen Heidenspaß daran, was sich in jeder Szene deutlich erkennen lässt. Bleibt zu hoffen, dass „Grabgeflüster“ das gleiche Schicksal widerfährt wie vor vier Jahren dem eingangs erwähnten „Lang lebe Ned Devine“ – denn der war ein echter Programmkinohit, erreichte knapp 550.000 deutsche Besucher und avancierte zum Kult.

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