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    Rocky V
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Rocky V
    Von Carsten Baumgardt

    Das Kapitel „Rocky V” ist sicherlich das unrühmlichste in der Geschichte der Erfolgsreihe. Doch eine weise Entscheidung traf Drehbuchautor Sylvester Stallone immerhin: Er schrieb das ursprüngliche Ende, in dem Rocky sterben sollte, wieder um – und ermöglichte sich so im Jahr 2007 mit dem sechsten Teil Rocky Balboa ein Comeback in der Erfolgsspur. Aber wer konnte schon ahnen, dass Stallones große Karriere keine fünf Jahre nach „Rocky V“ beendet sein sollte? Das Boxer-Action-Drama enttäuscht auf allen Ebenen, „Sly“ findet unter der Regie von John G. Avildsen (Rocky) keinen vernünftigen Ansatz für die Weiterführung des Mythos und verzettelt sich zudem mit einer strunzdummen Story.

    Rocky Balboa (Sylvester Stallone) ist nach seinem Schaukampf-Sieg gegen den schlaggewaltigen Russen Ivan Drago (Dolph Lundgren) in Moskau körperlich schwer angeschlagen und leidet unter einem Hirnschaden. Seine Frau Adrian (Talia Shire) drängt ihn dazu, als Weltmeister von der Bühne des Boxsports abzutreten, obwohl er sich Herausforderungen jüngerer Boxer gegenüber sieht. Schweren Herzens hängt Rocky seine Karriere an den Nagel und zieht sich ins Privatleben zurück. Doch dann trifft ihn das Schicksal hart. Sein Schwager Paulie (Burt Young) erteilte Rockys Steuerberater versehentlich eine Generalvollmacht über die Geschäfte des Boxers. Es kommt, wie es kommen muss, der Finanzhai verspekuliert sich und Rockys Millionen sind weg. Er ist wieder arm und muss mit seiner Familie zurück in den Ghettovorort von Philadelphia ziehen. Seinen pubertierenden Sohn Rocky Jr. (Sage Stallone) begeistert das wenig, er muss in der Schule einiges einstecken. Er wendet sich von seinem Vater ab. Rocky ist noch eine alte, marode Boxhalle geblieben, dort trainiert er junge Talente. Der hungrige Schwergewichtler Tommy Gunn (Tommy Morrison) bettelt Rocky an, ihn zu managen. Nach einigem Zögern willigt er ein und führt das Talent von Sieg zu Sieg. Das macht die Konkurrenz aufmerksam...

    So ändern sich die Zeiten. Mit Rocky feierte Hauptdarsteller und Drehbuchautor Sylvester Stallone seinen Durchbruch, 14 Jahre später leitete der fünfte Teil der Boxer-Saga seinen Niedergang ein. Das Original heimste zehn Oscarsnominierungen ein (Auszeichnungen für bester Film, beste Regie, bester Schnitt), „Rocky V“ kassierte stattdessen sieben Nominierungen für die Goldene Himbeere. Unter anderem auch für das katastrophale Drehbuch Stallones. Natürlich waren schon die Teile drei und vier Trashkino, aber auf hohem Niveau und mit einem großen Spaßfaktor. Dieser geht dem fünften Teil völlig ab. Die hanebüchene Wendung, die Rocky um sein Geld bringt und zurück in die Slums drängt, ist derart schwachsinnig, dass man eigentlich nur darüber lachen kann. Dies setzt Regisseur Avildsen auch noch schlampig in lediglich einem kurzen Dialog um, die dramatische Dimension dieses Verlusts findet einfach nicht statt.

    Der Versuch, zurück zu den Wurzeln zu gehen, scheitert. Vielmehr ist „Rocky V“ ein Back-To-The-Roots-Imitat. Der Ton stimmt einfach nicht. Sinnbildlich dafür steht auch der Soundtrack, der mit Rap-Stücken durchsetzt ist. Das passt nicht zur Identität der „Rocky“-Reihe. Bitter: Die Story hakt an allen Ecken und Enden. Anstatt sich mit Werbung zu sanieren oder als amtierender Weltmeister Geschäfte zu machen, fügt sich Rocky dem Niedergang ins Ghetto, wo seine Familie vor die Hunde geht. Aber nur in dieser Konstellation kann er als Boxcoach die Jungs aus dem Viertel trainieren und wieder die Atmosphäre des heruntergekommenen Philadelphias schnuppern - vom schlichten, tumben Straßenschläger (Rocky, Rocky II) zum Weltmann (Rocky III, Rocky IV) und zurück. Da geht selbst der letzte Funke Glaubwürdigkeit verloren. Der aufgesetzte Vater-Sohn-Konflikt funktioniert auch nicht, weil Stallone sein Drehbuch wohl mit dem Dampfhammer getippt hat, was sich in hölzernen Dialogen und der mehr als holprigen Rest-Dramaturgie manifestiert. Zudem kann Stallones leiblicher Sohn Sage leider nicht schauspielern, jedenfalls nicht in dieser Rolle. Der Ehrgeiz, seinen Spross in die Produktion zu pressen, zahlt sich nicht aus und fällt negativ auf.

    Stallones Schlüsselfigur Tommy Morrison, der den ehrgeizigen Boxer Tommy Gunn spielt, ist kein großer Vorwurf zu machen. Der Mann ist Profi-Boxer und kein Schauspieler, was ihm deutlich anzumerken ist. Der Schwergewichtler mit der feschen Pornomatte auf dem Kopf holte sich übrigens 1993 den WBO-WM-Titel von George Foreman und sorgte 1996 für Aussehen, als er nach der Bekanntgabe seiner HIV-Infektion vom Box-Verband Berufsverbot erteilt bekam. Die Figur Gunns ist nicht stimmig, seine Charakterwandlung in ihrer Rasanz und ohne großen Anlass nur schwer nachzuvollziehen. Stallone selbst gibt sich alle Mühe, kann aber auch nicht viel ausrichten. Schmerzlich vermisst werden die berühmt-berüchtigten Kampfszenen Rockys im Ring. Die Auftritte seines Schützlings Gunn sind nur ein müder Ersatz, weil dieser Charakter beim Publikum nichts auslöst. Die Idee des finalen Straßenkampfes ist dagegen nicht übel, schließlich bringt sie Rocky noch einmal zum Prügeln, aber zu diesem Zeitpunkt war die Schlacht schon längst verloren.

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