Mein Konto
    Predator
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Predator
    Von Jonas Reinartz

    „If it bleeds, we can kill it." (Major Dutch Schaefer)

    Mitte der 80er Jahre in Los Angeles. In einem luxuriös ausgestatteten Fitnessstudio rackert und schwitzt einer der bekanntesten Mimen der Welt. Es ist Arnold Schwarzenegger. Mit einem schier unglaublichen, muskelbepackten Körper und einer, gelinde gesagt, übersichtlichen Anzahl an verfügbaren Gesichtsausdrücken, die allerdings enorm zu seinem eigenwilligen Charme beiträgt, hat er bis nach ganz oben geschafft. Im Klima der Ronald-Reagan-Ära, das von einer allgegenwärtigen, kontinuierlichen Angst geprägt war, kam er genau richtig, um das amerikanische Publikum in angenehmer Sicherheit zu wiegen. Wie auch sein schärfster Konkurrent, Sylvester Stallone („Rocky", „Rambo"), spielt er eher Archetypen als Charaktere, schmerzresistente Machos, die ihre Aufgabe unerschütterlich zu Ende führen. Da kann der Kinozuschauer nur seinen Hut ziehen, sich für einige Zeit mit dem machtvollen Helden identifizieren und zudem Muskelpartien bewundern, von denen er zuvor nicht einmal wusste, dass sie überhaupt existieren. Doch daran denkt Schwarzenegger gerade nicht. Ihn beschäftigt die Frage, gegen welchen übermächtigen Gegner er denn als nächstes antreten könne. Langsam hat er sie alle durch – das übliche Fantasy-Inventar an allerlei finsteren Monstern („Conan - Der Barbar", 1982; „Conan - Der Zerstörer",1984), südamerikanische Söldner („Das Phantom Kommando", 1985) und selbst die Schergen der Russen-Mafia („Red Heat", 1986), um nur einige zu nennen. Da kann eigentlich nicht mehr viel kommen, das weiß auch der Grazer Bub. Plötzlich kommt ihm der rettende Gedanke: Ein Alien muss her! Auf der Stelle ruft er seinen Agenten an, der Rest ist (Actionfilm-)Geschichte. Ob es sich wirklich so zugetragen hat, wird sich eventuell erst nach der Lektüre der (erwartungsgemäß in den nächsten Jahren erscheinenden) Autobiographie Schwarzeneggers klären lassen. Garantiert nicht fiktiv und unbestritten ist jedoch der Kultstatus des Testosteron-durchtränkten Sci-Fi-Action-Spektakels namens „Predator" von Regisseur John McTiernan. Dessen beispielhafte, virtuose Inszenierung, Stan Winstons originelles Creature-Design und nicht zuletzt ein bestens aufgelegter Hauptdarsteller machen aus der wenig originellen Mär um einen Trupp US-Soldaten, der ins Visier eines extraterristischen Killers gerät, trotz eines stumpfsinnigen Beginns und dünner Handlung, perfektes Hochglanz-Entertainment. Zarten Gemütern sei allerdings aufgrund einiger Splattereinlagen vom Besuch im Macho-Erlebnispark abgeraten.

    Mitten im südamerikanischen Dschungel wurde von Guerillas ein Helikopter beschossen, was in einem folgenschweren Absturz resultierte, denn anschließend wurden die überlebenden Passagiere, darunter ein hochrangiger Politiker, als Geiseln genommen. Folglich sieht sich die CIA zu baldigem Handeln gezwungen; Major Dutch Schaefer (Arnold Schwarzenegger) und seine Elite-Einheit, bestehend aus Blain (Jesse Ventura), Poncho (Richard Chaves), Billy (Sonny Landham), Hawkins (Shane Black) und Mac (Bill Duke), werden eingeflogen. Vor Ort befindet sich auch Dillon (Carl Weathers), ein Freund und ehemaliger Weggefährte Schaefers, der sich eigentlich für eine ruhige Schreibtischkarriere entschieden hatte, jetzt allerdings darauf besteht, den Einsatz zu leiten und sich ebenfalls ins Risiko zu begeben. Endlich im Einsatzgebiet angekommen, sieht man sich mit drei gehäuteten Leichen konfrontiert, die kopfüber an einem Baum befestigt sind. Überdies handelt es sich bei den grässlich entstellten Leichen um Mitglieder der Green Barrets. Daher herrscht allerhöchste Alarmbereitschaft und jeder stellt sich die Frage, aus welchem Grund zwei Gruppen mit der gleichen Mission beauftragt wurden. Die in Kürze auftauchenden Revolutionäre sind jedoch nur das geringste Problem. Tief im Dickicht der Blätter wartet eine unsichtbare Bestie auf ihre Opfer...

    Sieht man einmal vom Anfang der Titelsequenz ab, die zeigt, wie ein Raumschiff eine Kapsel in Richtung Erde absondert und den Betrachter Unheilvolles ahnen lässt (optisch im Übrigen eine charmante Reminiszenz an John Carpenters „Das Ding aus einer anderen Welt" (1982), ist die erste Hälfte von „Predator" eine relativ uninspirierte Angelegenheit. Muskeln und garantiert sinnfreie Machosprüche dominieren, bevor den Guerillas der Garaus bereitet wird. Diese Sequenz ist zweifellos technisch perfekt realisiert und von hohem Schauwert, Spannung oder ein Gefühl der Gefahr kommt dennoch zu keinem Zeitpunkt auf. Es ist eher so, dass Schaefers Männer völlig gefahrlos auf alles ihr Feuer richten, was sich bewegt, daher kann lediglich uninteressanter Action-Bombast die Folge sein - irgendwo zwischen unausweichlichem Sam-Peckinpah-Zitat, Shoot'em up, ausgelassener Kirmesballerei und dem Fiebertraum eines Pyrotechnikers. Nur noch Klaus Kinski müsste um die Ecke lugen, dann käme das lupenreine Feeling des italienischen Söldnerfilms auf. Kurz darauf wandelt sich der Film jedoch übergangslos in einen nervenzerrenden Horrorfilm, dessen konstant hohes Tempo die rudimentäre Geschichte rasch vergessen lässt. Dabei werden auch vereinzelt recht harte Splattereffekte eingesetzt, die zwar nie Überhand nehmen, aber dennoch nichts für Kinderaugen sind. Sehr reizvoll ist nach wie vor die Titelfigur. Auch wenn er erst recht spät in seiner Gänze zu sehen ist, wurde dem Predator aufgrund seines erinnerungswürdigen Äußeren sofort ein dauerhafter Platz in der Hall of Fame der schaurigen Leinwandungetüme beschert. Zusammen mit seinem Gegner Schwarzenegger, der wie immer im Grunde nicht wirklich schauspielert, dieses Manko aber mit viel Charisma mehr als wieder wettmacht, enstand gewissermaßen eines der „Traumpaare des 80er-Jahre-Kinos". Da konnten Patrick Swayze und Jennifer Grey („Dirty Dancing") nur staunen.

    Auch wenn sich Regisseurs John McTiernans Karriere mittlerweile in einem tiefen Jammertal befindet - sein durch „Last Action Hero" (1993), ebenfalls mit Schwarzenegger, eingeläuterter Karriereknick wurde mit dem desaströsen „Rollerball"-Remake (2002) nur noch verschlimmert, der Comebackversuch „Basic" (2003) scheiterte ebenfalls und auch aus der angekündigten Regie bei „Stirb langsam 4.0" (2006) wurde nichts – mit „Predator" und „Stirb langsam" (1987) legte er zwei Arbeiten vor, deren visuelle Gestaltung die den meisten zeitgenössischen Beiträgen des Action-Genres um Längen voraus ist. Man kann nicht umhin, ihn als eine Art neuen Don Siegel zu betrachten, es handelt sich demnach bei ihm um einen immens talentierten Handwerker, der innerhalb der eigenen Beschränkungen hervorragend gestaltete Resultate erzielt. Detaillierte Charakterisierungen sind nicht sein Metier, vor allem sind für McTiernan Bewegungen von Interesse, die von seinen Charakteren und der enorm mobilen Kamera in ausgiebigst erkundeten Räumen vollzogen werden. Sowohl John McClane als auch Dutch Schaefer sehen sich mit einer bedrohlichen und doch auf eigentümliche Weise faszinierenden Umgebung konfrontiert, die durchaus als eigenständiger Charakter des jeweiligen Films betrachtet werden kann, ganz gleich ob sich um ein Ungetüm aus Stahl und Glas handelt oder einen für seine sämtlichen tödlichen Gefahren stellvertretend erscheinenden Urwald handelt. Über letzteren äußerte sich Roger Ebert folgendermaßen: „I've rarely seen a jungle look more beautiful, or more convincing; the location effect is on a par with 'Fitzcarraldo' and ‘The Emerald Forest'."

    Dabei erweist es sich als ungemein kluge Entscheidung, den Predator erst zu sehr spätem Zeitpunkt zu enthüllen. Anfänglich ist ausschließlich die Perspektive des außerirdischen Jägers zu sehen, die, aufgenommen mit einer Thermokamera, für regelrecht psychedelisch anmutende Eindrücke sorgt. Zudem sind dessen Gliedmaßen ebenfalls nicht zu sehen, so dass sich der bösartige Geist des Dschungels in einer unsichtbaren Macht manifestiert zu haben scheint. Erst wenn die Hand des Ungetüms in den Bildausschnitt gerät, wird die Bedrohung, in der die Protagonisten schweben, konkret spürbar. Noch etwas Weiteres ist in dieser Einstellung zu entdecken, nämlich zwei der Vorbilder des Films. Besagtes Körperteil erinnert nicht von ungefähr an die unzähligen bizarren Wesen aus den B-Movie-Perlen der 50er Jahre, am nachhaltigsten ist sicherlich die Titelfigur aus Jack Arnolds „The Creature From The Black Lagoon" (1954) und die subjektive Kamera stellt eine direkte Anspielung auf die Plansequenzen des Slasherkinos, begründet durch Carpenters „Halloween" (1978) und die „Freitag der 13."-Reihe, dar. Anscheinend ist es zudem ein anthropologisches Bedürfnis, mit einem innerhalb einer Fiktion vorhandenen Bösen konfrontiert zu werden und dessen Niederlage erleben zu können. Dies gibt Sicherheit und lässt eine Ordnung und Sicherheit verspüren, die im wirklichen Leben nicht gegeben ist. So wie Siegfried und Wigalois, Held des gleichnamigen Artusromans, sich mit hartnäckigen Drachen herumzuschlagen haben, trifft auch Schaefer auf seinen Nemesis, den Predator. Von aller modernen Technik verlassen, muss er sich ihm stellen und in Namen der Menschheit siegen. Dabei ist diese Auseinandersetzung so archaisch, dass sie genauso gut am Anbeginn der Zeit spielen könnte, eine kleiner Hinweis auf uralten Tradition der Alienrasse, zu fernen Planeten zu reisen und aus reinem Vergnügen Leben auszulöschen. In der zu Unrecht verschmähten Fortsetzung von Stephen Hopkins, „Predator 2" (1990), wurde der Mythos weitergesponnen, um dann in „Alien vs. Predator" (2004) und „Aliens Vs. Predator 2" an Reiz zu verlieren.

    Ah-nuld versus den abgrundtief hässlichen Bruder von E.T. – das ist der Stoff, aus dem die (Männer-)Träume sind. Dass dabei rotes und auch grünes Blut fließt, versteht sich von selbst. Wer eher empfindlich gegenüber expliziten Gewaltdarstellungen reagiert, sollte daher einen weiten Bogen um „Predator" machen. Freunde des Horror-und Actionkinos hingegen können sich auf einen puren Adrenalinschub freuen, der spätestens dann eintritt, wenn schließlich der extraterristische Antagonist aus den Weiten des Alls seiner Freizeitaktivität nachgeht. Dass dabei weitgehend auf Logik und Glaubwürdigkeit verzichtet wird, sollte niemanden überraschen und gehört einfach dazu. Selten war der Begriff „Popcorn-Kino" so passend wie in diesem Fall.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top