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    Hellraiser - Das Tor zur Hölle
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Hellraiser - Das Tor zur Hölle
    Von Björn Helbig

    Nachdem seine ersten beiden Ausflüge als Drehbuchautor ins Filmbusiness „Underworld“ (1985) und „Rawhead Rex“ (1986) total floppten, beschloss der Autor, Maler, Theaterregisseur und -schauspieler Clive Barker, selbst auf dem Regiestuhl Platz zu nehmen und seine Kurzgeschichte „The Hellbound Heart“ (die wiederum auf dem schwarzweißen Kurzfilm „The Forbidden“ beruht, den er als Student zwischen 1975 und 1978 fertig stellte) zu verfilmen. Das Resultat, ein düster-erotisches Drama, bekam den Namen „Hellraiser“ und gilt zu Recht als Klassiker des Horrorgenres.

    Zur Story: Abenteurer Frank (Sean Chapman) erwirbt eine Puzzelbox, der nachgesagt wird, sie könne Türen öffnen. Und das ist genau das, was Frank will. Gelangweilt vom Leben und seinem alltäglichen Vergnügungen ist er auf der Suche nach etwas Besonderem. Deswegen zieht er sich auf den Dachboden seines Hauses zurück, um mit dem magischen Würfel zu experimentieren. Tatsächlich schafft es Frank, die Pforten zu einer anderen Dimension aufzustoßen. Unbestimmte Zeit später: Da Frank verschwunden scheint, ziehen sein Halbbruder Larry (Andrew Robinson) und seine Frau Julia (Clare Higgins) in das Haus. Um Frank, das schwarze Schaf der Familie, macht sich Larry wenig Gedanken. Anders Julia, die mit dem Bruder ihres Mannes vor der Hochzeit eine heimliche Affäre hatte. Wer hätte ahnen können, dass Frank gar nicht fort ist. Als untotes Geschöpf vegetiert er zwischen den Sphären. Erst als Larry sich bei den Renovierarbeiten verletzt und sein Blut auf die Dielen des Dachbodens tropft, gibt das Frank die Kraft, wieder in die normale Welt zurück zu kommen. Anfangs hält er sich versteckt und offenbart sich nur Julia, die er dazu überredet, ihm zu helfen.

    Barker (*1952) studierte in Liverpool Englische Literatur und Philosophie. Später gründete er mit seinen beiden Freunden Peter Atkins und Doug Bradley, der in diesem und den folgenden „Hellraiser“-Filmen die Rolle des Ober-Zenobiten „Pinhead“ innehat, die Theatergruppe „The Dog Company“. Mit der Veröffentlichung seiner Kurzgeschichtensammlung „Books Of Blood“ (dt.: „Die Bücher des Blutes“) zwischen 1984 und 1985 machte Barkers Karriere einen Satz nach vorne. 1985 erschien auch sein erster Roman „The Damnation Game“ (dt.: „Spiel des Verderbens“). Der internationale Durchbruch gelang ihm aber erst mit „Hellraiser“.

    Obwohl Barkers Film zweifelsohne als ein Klassiker im Horrorgenre anzusehen ist, wäre es doch verfehlt, ihn auf dieses zu reduzieren. Barker hat mittlerweile in seinen zahlreichen Romanen gezeigt, dass es ihm um wesentlich mehr geht, als einfach zu schocken – obwohl es „Hellraiser“ an drastischen Szenen keinesfalls mangelt. Einige Momente wird gesplattert was das Zeug hält, wobei man schon mal seiner Haut verlustig gehen kann. Und auch die Zenobiten „Explorers in the further regions of Experience“ bieten einen fantastischen, wenn auch nicht für Kinder geeigneten Anblick. Doch eigentlich erzählt Barker in seinem dunklen Drama die Geschichte eines klassischen Märchens, in dem die böse Stiefmutter ihr Eigeninteresse über das der Familie stellt. „Hellraiser“ handelt von menschlichen Eigenschaften, von Liebe und Leid, Gier, Lust, Sehnsucht und der Suche nach Erfüllung.

    Neben den großen Themen, die Barker in seinem Buch/Film anschneidet, ist es vor allem auch das meisterhafte Drehbuch, das „Hellraiser“ zu etwas Besonderem macht. Die Charaktere agieren untypisch aber äußerst glaubhaft in dem Szenario. Das gilt vor allem für Clare Higgins (Stage Beauty), die als Julia dem Zuschauer die Faszination für das Abseitige näher bringt und diese zur spannendsten Figur des Films macht. Hinter ihrer kalten Fassade lodert der Hunger nach etwas jenseits der bürgerlichen Existenz. Dieser Hunger macht sie für Frank manipulierbar und lässt sie schließlich zur Mörderin werden. Es sind solche Mehrstimmigkeiten, welche die Güte von Barkers Script als auch seine Fähigkeiten als Regisseur offenbaren. Die Figur des Frank wird übrigens von drei Schauspielern gespielt. Sean Chapman schafft es in seinen kurzen Momenten als Frank (mit Haut) den komplexen Charakter seiner Figur als Abenteurer und Mensch auf der Suche vorzustellen; genauso wie es Oliver Smith gelingt, Frank (als Monster) abgrundtief böse und verletzlich zugleich erscheinen zu lassen. Den Höhepunkt in Sachen Frank bildet aber sicher Andrew Robinsons Darstellung.

    Einige Abänderungen der Originalstory erwiesen sich als Glücksgriff. So ist Kirsty nicht mehr die in Larry – oder Rory, wie die Figur im Buch heißt – heimlich verliebte Freundin, sondern dessen Tochter, was aus dramaturgischen Gründen Sinn macht. Andere Differenzen zur Romanvorlage, wie der feurige Abgang der Lumpengestalt (dem „Initiator“), dürften Geschmackssache sein. Insgesamt muss Barker und seinem Team ein Kompliment gemacht werden, was die Gestaltung der Sets (z.B. das Hauses in Lodovico Street und dessen Räume) anbelangt. Alles wirkt sehr atmosphärisch. Auch die Masken der Zenobiten, die so herrliche Sachen sagen dürfen wie „We tear your soul apart“ oder auch „No tears, please. It's a waste of good suffering”, sind äußerst gelungen. Gleiches gilt für die Spezial-Effekte, die bis auf wenige Ausnahmen (das Monster im Krankenhaus, das Monster am Filmende) auch heute noch zu gefallen wissen. Ein paar kleinere Kontinuitätsfehler fallen nicht weiter ins Gewicht.

    Mit seinem Werk hat Clive Barker ein literarisches und filmisches Universum geschaffen, aus dem „Hellraiser“ dem Zuschauer nur kleine Teile zeigt. So wurde die Geschichte auch weitergesponnen und in nunmehr acht Filmen unterschiedlicher Qualitäten verewigt. An den Folgefilmen war Barker selbst allerdings kaum noch beteiligt. Dieser verfilmte nach „Hellraiser“ seinen Roman „Cabal“, der 1990 unter dem Titel „Nightbreed“ erschien. In diesem konnte Barker den Regisseur David Cronenberg (Rabid, Spider, A History Of Violence) für die Rolle des Bösewichts gewinnen. Danach folgte der Film „Lord Of Illusions“ mit dem sich aber nicht ganz an frühere Erfolge anknüpfen ließ. Das nächste Mal wird der viel beschäftigte Autor und Maler wohl für das Projekt „Tortured Souls: Animae Damnatae“ auf dem Regiestuhl Platz nehmen. Der Film ist für 2009 angekündigt. Man darf gespannt sein. Übrigens: Bevor „Hellraiser“ ins Kino kam, gab es unter den Machern noch Diskussionen über einen passenden Titel. Die wohl nicht ganz ernst gemeinten Vorschläge reichten von „Sadomasochists From Beyond The Grave“ bis zu „What A Women Will Do For A Good Fuck“. Im Nachhinein kann man über den faktischen Titel jedenfalls froh sein. Obwohl gegen „The Hellbound Heart“ auch nichts einzuwenden gewesen wäre...

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