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    Tödlicher Segen
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Tödlicher Segen
    Von Christoph Petersen

    Der junge Regisseur Wes Craven hatte sich mit seinen ersten Filmen bereits einen beachtlichen Ruf als Horrorfilmer erarbeitet. Die Underground-Streifen „Mondo brutale“ („The Last House On The Left“, 1972) und Hügel der blutigen Augen („The Hills Have Eyes”, 1977) waren in Fankreisen eingeschlagen wie eine Bombe und auch der TV-Thriller „Night Kill – Eine tödliche Bedrohung“ („Stranger In Our House“, 1978) mit Der Exorzist-Star Linda Blair konnte überzeugen. So kam den Produzenten Jon Peters und Peter Guber der Gedanke, Craven seinen ersten Film innerhalb des Studiosystems drehen zu lassen – den Südstaaten-Horror „Tödlicher Segen – Deadly Blessing“. Craven gefiel die Idee eines Killers, der in den Reihen einer den Amischen ähnlichen Sekte sein Unwesen treibt. Allerdings hatten Regisseur und Produzenten komplett gegensätzliche Vorstellungen davon, wie eine solche Thematik anzugehen sei. Die Streitereien führten unter anderem zu einem vollständig neuen Ende, das Craven bis heute nicht mag. Doch an den wichtigsten Stellen konnte sich der Filmemacher gegen seine Geldgeber durchsetzen und so ist aus „Tödlicher Segen“ trotz Hindernissen ein ungemein effektiver, dicht inszenierter Slasher geworden.

    Die schwangere Farmerin Martha (Maren Jensen) wird an ihrem ersten Hochzeitstag zur Witwe. Ihr Mann Jim (Douglas Barr, der Howie aus der Kult-TV-Serie „Ein Colt für alle Fälle“) wird von seinem eigenen Traktor überrollt. Es ist nicht eindeutig, ob Jims Tod wirklich ein Unfall war. Auf jeden Fall scheint die benachbarte, christlich-fundamentalistische Glaubensgemeinschaft irgendetwas mit der Sache zu tun zu haben. Marthas beste Freundinnen Lana (Sharon Stone) und Vicky (Susan Buckner, Grease) kommen aus der Stadt, um der Trauernden in dieser schwierigen Zeit beizustehen. Auch die Nachbarin Louisa (Lois Nettleton) und ihre malende Tochter Faith (Lisa Hartman) sind sehr zuvorkommend. Doch dann wird William (Genre-Kultstar Michael Berryman, The Devil´s Rejects), ein geistig zurückgebliebenes Mitglied der Sekte, ermordet aufgefunden. Ein Killer geht unter den Gläubigen um. Oder hat ihr Vorsteher Isaiah (Ernest Borgnine, der Mechaniker aus der Heli-Serie „Air Wolf“) gar ein Pakt mit dem Teufel geschlossen?

    Obwohl es erst sein vierter Film war, stellte Wes Craven schon in „Tödlicher Segen“ jenes Talent für dramaturgisch ausgereifte Slasher-Szenen unter Beweis, das auch in späteren Werken wie Nightmare – Mörderische Träume, „Shocker“, Scream und Scream 2 immer wieder zum Tragen kam. Gerade der zwar sparsame, aber effektive Einsatz der subjektiven Kamera und die Szene im roten Sportwagen mit den beschlagenen Scheiben sind große Slasherkunst. Was die Inszenierung der Horrorsequenzen angeht, gehört der Film also eindeutig zu den stärkeren seiner Zeit. Dennoch gab es Streit mit den Produzenten. Diese wollten unbedingt, dass sich die Glaubensgemeinschaft schlussendlich als Teufelssekte – sprich: das absolut Böse – entpuppt. Craven hingegen war diese Sichtweise zu platt. Für ihn waren die Gläubigen eine Gruppe von verängstigten Menschen, die sich vor der äußeren Welt hinter einem Wall aus fundamentalistischen Geboten verstecken. Was diesen Punkt angeht, konnte sich Craven schließlich durchsetzen - und das ist auch gut so! Die psychologische, entlarvende Herangehensweise ist viel interessanter, als einfach nur auf die Sekte draufzudreschen, wie es die meisten anderen Horrorfilme mit ähnlicher Thematik gerne tun.

    An anderer Stelle hatte Craven nicht ganz soviel Glück. Im Gegensatz zu seinen Geldgebern wollte er eine vollständig rationale Auflösung – genau wie dies später bei seiner „Scream“-Trilogie ja auch stets der Fall war. Doch Peters und Gruber verlangten für ihre Moneten keinen Thriller, sie wollten einen waschechten Horrorfilm. Und sie setzten sich mit ihren Vorstellungen zumindest zur Hälfte auch durch. Spoiler! Als Mörderin entpuppt sich schließlich die Nachbarstochter Faith. In Wahrheit ist Faith gar kein Mädchen, sondern ein Zwitter, der mit seiner Andersartigkeit nicht klar kommt. Außerdem hat sich Faith in Martha verliebt, ohne die Möglichkeit zu haben, ihr diese Gefühle zu gestehen. Dies ist das Ende, wie Craven es haben wollte. Doch die Financiers kannten kein Erbarmen und zwangen ihren Regisseur zu einem vertraglich zugesicherten Nachdreh. So entstand nachträglich die letzte Sequenz des Films, in der Martha von einem plötzlich aus dem Boden auffahrenden Dämon in die Hölle gerissen wird. Natürlich ist Cravens Ende das bessere. Wie er mit den Erwartungen des Publikums spielt, das zwingend einen religiösen Hintergrund und die Verstrickung der Sekte in die Morde erwartet, ist schlicht genial. Allerdings stört auch das „zweite Ende“ nicht sonderlich. Das dämonische Finale ist stark inszeniert, bietet so zusätzliches Eye Candy und wirkt so offensichtlich angehängt, dass es den vorherigen Film kaum noch negativ berührt.Spoiler Ende!

    Fazit: „Tödlicher Segen“ ist ein extrem wirkungsvoller Südstaaten-Slasher von Horror-Altmeister Wes Craven (Scream 3, Verflucht, Red Eye), der die fundamentalistischen Ansichten der Glaubensgemeinschaft effektiv in seine Story einflechtet. Als Dreingabe gibt es den ersten größeren Kinoauftritt des späteren Hollywood-Superstars Sharon Stone (Basic Instinct, Casino, Bobby).

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