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    Tricks
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Tricks
    Von Ulrich Behrens

    Zwischen seinem heiß diskutierten Kriegsfilm „Black Hawk Down" (2001) und dem für 2005 geplanten „Tripoli“, einer Geschichte (in der ein Amerikaner den Erben des Throns von Tripoli Anfang des 18. Jahrhunderts im Kampf gegen einen korrupten Regenten unterstützt – mit Russell Crowe und Ben Kingsley in den Hauptrollen) platziert Ridley Scott die Adaption eines Romans von Eric Garcia unter dem Titel „Matchstick Men“ (Strichmännchen), eine Mischung aus Komödie, Drama und Kriminalstückchen (für den man hierzulande wieder einmal eine unsäglichen deutschen Titel erfand: Tricks). Erzählt wird die Geschichte eines von Neurosen geschüttelten Betrügers namens Roy Waller (Nicolas Cage) und seines Kompagnons Frank Mercer (Sam Rockwell), eine Geschichte mit drei Hauptaspekten: dem Kampf Wallers gegen seine Neurosen, den Betrügereien des Gaunerpaares und einer Vater-Tochter-Geschichte.

    Roy Waller ist ein Reinlichkeitsfanatiker. Jedes Staubkorn ist ihm zuwider, er ist Thunfisch en masse, und zwar nur aus der Dose (um keine Teller schmutzig zu machen). Roy schließt jede Tür dreimal, bevor er hindurchgeht oder sie abschließt – um später auch ganz sicher zu gehen, dass sie geschlossen ist. Roy hält sich nicht gern im Freien auf. Die Türen zum Swimmingpool vor seinem Haus müssen stets geschlossen bleibe; ansonsten bekommt er Panik. Keine guten Voraussetzungen für die Betrügereien? Bis jetzt schon, denn als Trickbetrüger ist Roy in seinem Element und scheint seine Neurosen vergessen zu haben. Roy und sein abgebrühter, nichtsdestotrotz aber sympathischer Partner Frank legen per Telefon Leute übers Kreuz, bieten ihnen angebliche Schnäppchen zu völlig überhöhten Preisen an oder nehmen andere mit fingierten Gewinnspielen aus. Dem Ehepaar Schaffer etwa (Steve Eastin, Jenny O’Hara) preisen sie einen Gewinn an und versprechen, die beiden würden die üblicherweise zu zahlende Steuer sparen, wenn sie schnell zugreifen. Der Scheck ist ihnen sicher. Dann tauchen sie als Finanzbeamte bei dem nichts ahnenden Ehepaar auf und erzählen, die seien einem Betrug zum Opfer gefallen. Um zu verhindern, dass die Betrüger den inzwischen in ihrem Besitz befindlichen Scheck einlösen, benötigten sie eine Vollmacht für das Konto der Schaffers ...

    Eines Tages jedoch wird es kritisch für das Gaunerpärchen. Roys Neurosen scheinen immer mehr die Oberhand zu gewinnen und damit die Arbeit des Duos zu beeinträchtigen. Frank hat eine Idee: Er kennt einen Psychiater, der Roy helfen soll. Dr. Klein (Bruce Altman) scheint sofort zu begreifen, was mit Roy los ist, der allerdings von Klein nur eines will: Pillen, um mit seinen Macken einigermaßen umgehen zu können, so dass seine Berufsausübung nicht beeinträchtigt wird. Dr. Klein ist es auch, der Roy bewusst macht, dass er sich mit seinem Lebenslauf auseinander setzen muss. 14 Jahre zuvor hatte ihn seine Frau verlassen, die damals schwanger war. Dr. Klein meint, Roy solle versuchen, mit einem möglicherweise vorhandenen Kind von ihm Kontakt aufzunehmen.

    Und dann steht sie da, eine Tochter mitten in der Pubertät, die bildhübsche, aufgeschlossene und bereits ihre eigenen Wege gehende Angela (Alison Lohman). Roy ist fasziniert und erschrocken zugleich. Er hat eine Tochter, er, der nicht besonders viel in seinem Leben zustande gebracht hat, außer Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen. Angela wiederum scheint ebenso fasziniert von ihrem Dad, nistet sich ein paar Tage bei ihm ein und bringt Roys gewohntes Leben ordentlich durcheinander. Dr. Klein legt Roy ans Herz, seiner Tochter nichts zu verheimlichen. Und Roy überwindet sich, Angela über sein „berufliches“ Treiben zu informieren. Die wiederum ist begeistert und will unbedingt „mitten mang“, sprich: wissen, wie Daddy das zu Wege bringt. Gesagt, getan. Roy lässt Angela an einer Betrügerei mitmachen. Dann aber sei Schluss, ermahnt er seine Tochter. Opfer ist eine Dame in einem Waschsalon, Lockmittel ein Lotterielos. Inzwischen denkt Frank über den großen Coup nach. Er will mit Roy den wohlhabenden Chuck Frechette (Bruce McGill) kräftig übers Ohr hauen. Obwohl der Betrug scheinbar glatt über die Bühne geht, sieht am Ende dann doch alles anders aus, als es zunächst schien ...

    Was Ridley Scott und seine beiden Drehbuchautoren Nicholas und Ted Griffin hier in Szene setzten, gehört zu den sympathischsten, effektivsten, komischsten und best inszeniertesten Komödien des Genres, vor allem auch dank eines Nicholas Cage, der für seine Rolle des Roy Wallers sicherlich für einen Oscar gut ist. Aber nicht nur Cage, auch Rockwell und die 24-jährige Alison Lohman, die schon vor kurzem in „Weißer Oleander" (2002) überzeugen konnte, tragen zum Gelingen von „Matchstick Men“ erheblich bei.

    Cage versteht es auf eine sensible und zugleich natürlich und komisch wirkende Art, einen Neurotiker darzustellen, dessen zwanghaftes Verhalten er derart präzise und glaubwürdig umzusetzen weiß, dass diese Rolle wohl zum besten gehört, was in den letzten Jahren geboten wurde. Wenn Cage durch seine Wohnung hetzt und alles penibel säubert, die Türklinken abwischt, wenn irgend jemand sie angefasst hat, die Türen dreimal schließt (genau dreimal!), in Panik gerät, wenn auch nur ein Blatt seinen Swimmingpool „verunreinigt“ hat, oder im Freien, wenn er nicht gerade seinem Beruf nachgeht, Schwindelanfälle bekommt, dann wirkt dies nie aufgesetzt, übertrieben oder albern. Man kann sich diesen Menschen Roy Waller lebhaft vorstellen. Alison Lohman spielt eine pubertierende Göre, die es faustdick hinter den Ohren hat, einen überaus sympathischen Teenager, und Sam Rockwell überzeugt als gerissener Betrüger, dessen Einfallsreichtum weit über das hinausgeht, was man sich zunächst darunter vorstellt. Rockwell spielt den Kumpel, der Roy zwar immer wieder angesichts seiner Neurosen auf den Arm nimmt, andererseits ihm aber nicht nur Partner, sondern auch guter Freund zu sein scheint. Bruce Altman bringt Ruhe in die Geschichte als offenbar erfahrener Psychiater, der die Kontrolle nie verliert.

    Scott tauchte seinen Film in ein freundliches, warmes und sanftes Blau, untermalt von der hervorragend eingespielten Musik Hans Zimmers, ergänzt durch einige Songs Frank Sinatras, die der Atmosphäre des Films sehr dienlich sind. Manchmal erinnerten mich Stil und Look ein bisschen an Spielbergs „Catch Me If You Can" (2002). Die Verzahnung von eigentlich drei Geschichten (Neurotiker / Vater-Tochter / Gaunerpaar) in einen Plot gelang Scott auf überzeugende Weise. Zudem hält die Geschichte ein überraschendes Ende parat, das dem Ganzen einen zusätzlichen Pluspunkt verleiht. Star der ganzen Chose allerdings bleibt Nicholas Cage. Ob seine komischen und intelligenten Dialoge mit Rockwell, seine heimliche Zuneigung zu einer Kassiererin im Supermarkt (Sheila Kelley), seine zwischen Überforderung und Zuneigung schwankende Beziehung zu Tochter Angela, wenn sich väterliche Verantwortung und Störung seiner Gewohnheiten die Klinke in die Hand geben – all das realisiert Cage, wie gesagt, in einer preisverdächtigen Art und Weise. Ein humorvoller, warmer, sympathischer Film, den Scott da produzierte, ein Streifen, der Spaß bereitet und von Nähe zu den Figuren gekennzeichnet ist. Bravourös!

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