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    Die nackte Kanone
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Die nackte Kanone
    Von Martin Soyka

    Schauspieler, die erst im fortgeschrittenen Alter zu echten Stars werden, gibt es nicht viele. Da fällt einem zunächst natürlich Anthony Hopkins ein, der nach Jahrzehnten des Schaffens mit netto 16 Minuten als Hannibal Lecter in Das Schweigen der Lämmer unsterblich wurde. Oder Jessic Tandy, die im Seniorenalter mit Miss Daisy und ihr Chauffeur nicht nur zu Ruhm, sondern auch zu Oscar-Ehren kam. Aber es gibt noch einen, der nicht vergessen werden soll: Leslie Nielsen, eigentlich ein ewiger Neben- und TV-Darsteller, der bereits seit den 1950er Jahren tätig gewesen ist. Mit dem Erfolg der ersten Nonsens-Filme der Zucker-Abrahams-Zucker-Schmiede („Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug“) begann langsam seine eigentliche Karriere, die mit den drei „Die nackte Kanone“-Filmen um den chaotischen Polizisten Frank Drebin ihren Höhepunkt fand. Bereits weißhaarig wurde Leslie Nieslen zum Synonym für Klamauk.

    Frank Drebin (Nieslen) ist Angehöriger einer Spezialeinheit der US-Polizei (wobei nicht so richtig klar wird, wofür diese Einheit speziell sein soll). Sein Job ist es, überall für Gerechtigkeit zu sorgen und Schurken dingfest zu machen. Der angekündigte Besuch von Queen Elisabeth II. versetzt nicht nur die Bürgermeisterin, sondern auch die Polizei in erhöhte Alarmbereitschaft. Dies ist auch dringend nötig, denn der Schurke Vincent Ludiwg (Ricardo Montalban, Star Trek – Der Zorn des Khan) hat vor, ein Attentat auf die Königin ausführen zu lassen. Als Drebin ihm mehr aus Zufall als geplant auf die Pelle rückt, setzt Ludwig kurz entschlossen seine sexy Mitarbeiterin Jane Spencer (Priscilla Presley) auf ihn an. Wie zu erwarten funkt es mächtig zwischen den beiden. Trotzdem bleibt Drebin, durch und durch Polizist, auf Kurs....

    Das liest sich jetzt alles in allem wenig spektakulär, die Handlung des Films (wie auch seiner Nachfolger) ist aber ohnehin Nebensache. Sie dient nur dazu, Drebin in immer neue chaotische Situationen zu befördern, die meist mit einer Zerlegung des Mobiliars oder sonstigen Sach- und Körperschäden enden. Drebin ist nämlich die amerikanische Antwort auf Inspektor Clouseau (Peter Sellers) und wirkt wie ein Cousin des Meisters der Zerstörung. Allerdings werden die Gags mit einer bisher nicht dagewesenen Geschwindigkeit abgefeuert. Mindestens drei Lacher pro Minute sollen angeblich Ziel der Macher gewesen sein. Mission erfüllt.

    Das Kürzel ZAZ (David Zucker, Jim Abrahams und Jerry Zucker) steht seit den frühen 1980er Jahren für Klamauk auf höchstem Niveau. Den ersten Beweis hierfür erbrachten die Regisseure/Produzenten/Autoren mit „Airplane“, in dem die Welle der „Airport“- und Katastrophenfilme der damaligen Zeit gnadenlos durch den Wolf gedreht wurden. Nielsen hatte hier bereits eine Nebenrolle als Bordarzt, die er ebenso trocken und damit lustig anlegte wie seinen Frank Drebin. Später entschloss man sich zu einer Verhohnepiepelung von Krimis im Rahmen einer Fernsehserie. So geschah es, abermals mit Nielsen in der Hauptrolle. „Police Squad!“ (deutsch: „Die nackte Pistole“) brachte es aber nur auf eine Handvoll Folgen, die sich im Bezug auf die Gagdichte nicht hinter den Kinofilmen verstecken müssen. Was immer ZAZ dazu bewogen haben mag, aus einer gefloppten Fernsehserie einen Kinofilm zu machen, mag dahinstehen. Das Ergebnis ist jedenfalls legendär komisch.

    Der Humor, den „Die Nackte Kanone“ präsentiert, ist alles andere als politisch korrekt oder gar niveauvoll, funktioniert aber gleichwohl auf mehreren Ebenen gleichzeitig. Formal ist der Film in erster Linie eine Parodie auf alle Klischees, die Polizeifilme im Lauf der Jahrzehnte hervorgebracht haben. Dabei wirkt von Vorteil, dass der Hauptdarsteller dem Publikum seit vielen Jahren insbesondere aus genau solchen Filmen und Fernsehserien bekannt ist. Die sattsam bekannten Versatzstücke (getrennt lebender Held, verwundeter Partner, undurchsichtige Blondine usw.) werden genommen, verwurstet und wieder zusammengepappt und so als das entlarvt, was sie sind: schematische Konstrukte ohne inhaltliche Substanz.

    Auf der zweiten Ebene kommt Slapstick hinzu: Was Drebin anpackt, endet im größtmöglichen Chaos. Dies gepaart mit dem mimischen Minimalismus Drebins, der die absurdesten Situationen stoisch zu Kenntnis nimmt („Gehen sie weiter, es gibt nichts zu sehen!“) und nur ab und zu einen selten dämlichen Gesichtsausdruck an den Tag legt (Aquariumszene), wirkt zum Schreien komisch. Doch damit nicht genug: Auch andere bekannte Filme werden nebenbei karikiert, sei es zitatweise, etwa wenn der bekannte Dirty Harry-Dialog um einen erschossenen Sexualstraftäter zum versehentlichen Abschuss der Schauspieler einer Shakespeare-Aufführung verkommt, sei es, dass bekannte Bilder aus anderen Filmen in die Handlung integriert und konsequent verarscht werden. Daraus kann man sich mit seinen Freunden einen launigen Spaß machen: Wer die meisten Zitate erkennt, hat gewonnen.

    Garniert wird dies mit allerlei Unsinn, der in die Filmkulissen eingearbeitet ist und ohne besondere Erwähnung im Hintergrund abläuft. Es ist völlig unmöglich, sämtliche Gags bereits beim ersten Ansehen zu erfassen. Zusammen gehalten wird das ganze durch den obligatorischen Voice-Over-Kommentar Drebins, der markig das Geschehen kommentiert und die Handlung vorantreibt, während dies durch die optisch wahrnehmbaren Katastrophen konterkariert wird, die Drebin bei seinen Ermittlungen anrichtet. Dies und der Dialogwitz machen „Die nackte Kanone“ zu einem Vergnügen, das man sich in unregelmäßigen Abständen immer wieder gönnen kann.

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