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    Honey
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,0
    schlecht
    Honey
    Von Carsten Baumgardt

    Bille Woodruff gilt in der Musikszene als versierter Videoclip-Regisseur. Was lag da näher, als ihm die Regie zu der Tanz-Romanze „Honey“ anzuvertrauen. Das Aufsteiger-Märchen gab schließlich genügend Möglichkeiten, seine Fähigkeiten auf die Leinwand zu bringen. Dazu bekam er mit „Dark Angel“-Star Jessica Alba eine sexy Hauptdarstellerin an die Seite gestellt – so sollte es keine Frage sein, dass „Honey“ ein Kassenerfolg wird. Dumm nur, dass die Produzenten vergessen hatten, dem Reißbrett-Unternehmen ein Kino-würdiges Drehbuch mit auf den Weg zu geben. „Honey“ strotzt nur so vor dümmlicher Klischees und Künstlichkeit.

    Die 22-jährige Honey Daniels (Jessica Alba) hat einen großen Traum. Im unterprivilegierten New York aufgewachsenen, möchte sie durch ihr außergewöhnliches Tanztalent den Sprung auf die Showbühne schaffen. Nachts arbeitet sie in Nachtclubs an der Bar, tagsüber jobbt sie in einem Plattenladen. Schon bald bekommt die umwerfende Schönheit ihre große Chance. Videoclip-Regisseur- und Produzent Michael Ellis (David Moscow) will sie für eines seiner Videos als Background-Tänzerin engagieren. Honey ist außer sich vor Freude und erweist sich schnell als Naturtalent. Innerhalb kürzester Zeit steigt sie zur Choreographin auf. In ihrer Freizeit kümmert sie sich rührend um die Ghetto-Kids aus der Nachbarschaft, versucht ihnen eine Perspektive zu geben. Sie schließt Freundschaft mit dem kleinen Raymond (Zachary Williams) und gewinnt auch das Vertrauen seines Bruders Benny (Lil’ Romeo), der dabei ist, auf die schiefe Bahn zu geraten. Zudem verliebt sie sich in den netten Friseur Chaz (Mekhi Phifer). Das wird allerdings zum Problem. Als ihr Arbeitgeber Michael mehr von Honey will als berufliche Zusammenarbeit, stößt sie ihn vor den Kopf. Aus Rache schmeißt er Honey raus und sorgt dafür, dass sie in der Branche keinen Auftrag mehr bekommt. Dabei hatte sie doch gerade Geld für ein Tanzstudio angezahlt, in dem die Ghetto-Kids eine sichere Zuflucht im Alltag finden sollten...

    Als Adrian Lyne 1983 mit „Flashdance“ einen weltweiten Blockbuster landete, moserten Kritiker über die dünne, belanglose Story. Das tat dem Erfolg des Films keinerlei Abbruch. Die Zuschauer begnügten sich mit den Schauwerten und der Emotionalität, die der Stoff hergab. Ähnliches müssen auch die Produzenten Marc Platt und Andre Harrell im Sinn gehabt haben, als sie die Drehbuchautoren Alonzo Brown und Kim Watson ans Reißbrett schickten. Dort konnten sie noch nicht ahnen, dass sie ihrem Film „Honey“ damit bereits den Gnadenstoß gegeben hatten. Aber spätestens nach Durchsicht des Skripts hätte ihnen ein Licht aufgehen müssen. Doch dieser Geistesblitz blieb aus. Das Resultat müssen die Zuschauer nun über 94 Minuten auf der Leinwand ertragen.

    Positiv fällt zunächst einmal auf, dass die Choreographie durchweg ansehnlich ist, ohne allerdings mitzureißen. Dazu haben Stars wie Missy Elliott, Ginuwine, Tweed, Jadakiss & Sheek Cameoauftritte. Über die Hälfte der Spielzeit ist die herzerweichende Geschichte der jungen Tänzerin, die das Showbiz erobern will durchaus verdaubar, weil noch nicht ganz klar ist, ob Regisseur Bille Woodruff (drehte Clips für Usher und Britney Spears) wirklich alle Klischees, die sich andeuten auch ausspielen wird. Vielleicht überrascht er ja doch durch eine geschickte Wendung der Geschichte. Weit gefehlt. Sobald sich Regisseur- und Musikproduzent Michael (solide: David Moscow) als Arschloch zu erkennen gibt, läuft die Klischee-Mühle auf Hochtouren. Das Folgende ist dann nur schwer erträglich - es weiß sowieso jeder, was noch alles passieren wird. Das Ganze ist dermaßen einfallslos, dass es weh tut. Die Produzenten zweifeln scheinbar an der Zurechnungsfähigkeit des Publikums. Wahrscheinlich haben sie sich gedacht, sie geben den Zuschauern das, was sie sehen wollen: ein zuckersüßes, seichtes Tanz-Märchen mit rührender Sozial-Romantik. Was scheren einen da absehbar schlechte Kritiken. Doch nicht einmal diese Rechnung ging auf. In den USA floppte der Film nach passablem Start und fiel von Platz zwei auf acht in der zweiten Woche. Am Ende spielte er knapp 30 Millionen Dollar ein – weit weniger als erhofft.

    An der bezaubernden Jessica Alba liegt das sicherlich nicht. Sie macht ihre Sache ordentlich, ist aber mit zunehmender Dauer den Peinlichkeiten des Drehbuchs ausgeliefert. Passend dazu wirken sämtliche Figuren wenig authentisch – alles sieht eher aus wie ein überlanger Videoclip, als dass echtes Streetfeeling aufkommt. Die Darsteller sind dermaßen overdressed, dass man glaubt, in einem Ghetto-Kostümfilm zu sitzen.

    Wenn überhaupt ein wenig Freude im zweiten Filmabschnitt aufkommt, dann für Anhänger des Trashfilms (daraus bezog schließlich auch Paul Verhoevens „Showgirls“ seinen bizarren Reiz). Denn nichts anderes ist „Honey“. Eine haarsträubende Story, Klischees am laufenden Band und eine Rührseligkeit, die einem die Tränen in den Augen treibt – leider vor Lachen. Regisseur Bille Woodruff sollte sich lieber wieder seinen Videoclips zuwenden und nicht versuchen, einen eben solchen auf Spielfilmlänge auszudehnen und damit die Geduld des Publikums auf eine harte Nagel zu stellen. Für eine Zielgruppe könnte der Film dennoch funktionieren. Wer sich zur Anhängerschaft von Jessica Alba zählt, kann die Schönheit immerhin mehr als anderthalb Stunden in knappen Outfits auf der Leinwand posieren sehen. Das ist doch auch schon etwas. Nur fraglich, ob das zum Kauf einer Kinokarte reicht...

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