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    Ferris macht blau
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Ferris macht blau
    Von Carsten Baumgardt

    John Hughes („The Breakfast Club", „L.I.S.A. – Der helle Wahnsinn", „Curley Sue"), von Haus aus ein Spezialist für seichten Humor, gelang 1986 mit „Ferris macht blau" ein komödiantisches Kleinod, das hinter seiner unscheinbar-harmlosen Fassade spielend zeitlose Lebensweisheiten offenbart, dabei den Zeitgeist der Achtziger bloßlegt und somit von bleibender Relevanz ist.

    Ferris Bueller (Matthew Broderick) hat es schwer erwischt. Der 16 Jahre alte Schüler liegt mit gequältem Gesichtsausdruck und schweißnassen Händen in seinem Bett in einem Chicagoer Vorort und versetzt seine Eltern Katie (Cindy Pickett) und Tom (Lyman Ward) in Besorgnis. An Schule ist nicht zu denken. Ferris hat sein erstes Ziel erreicht, die Täuschung funktioniert. Bei schönstem Sommerwetter hat er Besseres zu tun, als in einer langweiligen Lehranstalt Zeit abzusitzen. Ferris macht blau. Er überredet seinen besten Freund Cameron (Alan Ruck), der tatsächlich krank wirkt, seine Lethargie abzulegen und mit ihm einen tollen Tag in Chicago zu verbringen. Mit einem getürkten Anruf bei der Schule befreien sie auch noch Ferris‘ Freundin Sloane (Mia Sara) aus dem Unterricht und schon kann es losgehen – im 1961er Ferrari von Camerons Vater. Doch Ferris, der von seinen Mitschülern wie ein Gott verehrt wird, zieht sich mit seinem neunten Fehltag den Unmut des Direktors Ed Rooney (Jeffrey Jones) zu. Der will sich nicht länger auf der Nase herumtanzen lassen und spürt Ferris nach, ob dieser wirklich krank zuhause im Bett liegt...

    „Not that I condone fascism, or any -ism for that matter. -Ism's in my opinion are not good. A person should not believe in an -ism, he should believe in himself. I quote John Lennon: ‘I don't believe in The Beatles, I just believe in me.' Good point there. After all, he was the walrus. I could be the walrus. I'd still have to bum rides off people." - Ferris Bueller philosophiert über -Ismen.

    Wer hat als Pennäler nicht öfter mal daran gedacht, einen Tag freizumachen, während sich die anderen mit den Lästigkeiten des Lebens herumschlagen oder ein wichtiger Test ansteht? Komödien-Regisseur John Hughes lässt diesen Traum in Reinform auf der Leinwand Wirklichkeit werden – und zwar im großen Stil. Held Ferris Bueller zelebriert diesen Akt als die ganz große Nummer, degradiert im Laufe des Tages die Erwachsenen zu albernen Randfiguren, triumphiert über das System des Verantwortung-Übernehmens, in das er schon bald selbst eintreten soll. Den Antik-Ferrari des Vaters seines besten Freundes „ausleihen"? Einen snobistischen Kellner in einem Nobelrestaurant lächerlich machen? Den Schuldirektor nach Strich und Faden verarschen? Oder im Baseball-Stadion abhängen, während die Mitschüler schwitzen? Und dabei gleichzeitig die coolste Sau der Schule sein? Kein Problem für Ferris. Regisseur Hughes inszeniert dies zwar mit leichter Hand, erreicht aber durch die konsequente Überhöhung des Szenarios auch einen satirischen Effekt, der seinem Film Größe und universelle Relevanz weit über die Achtzigerjahre hinaus verleiht.

    „Oh, he's very popular, Ed. The sportos, the motorheads, geeks, sluts, bloods, waistoids, dweebies, dickheads - they all adore him. They think he's a righteous dude." – Grace, die Assistentin des Direktors, über Ferris.

    Ein Baustein des Erfolgs sind die klugen Dialoge, die neben Unverfänglichkeiten immer wieder die ein oder andere Weisheit offenbaren, auch wenn es vordergründig nur komödiantisch seicht zugeht, was „Ferris macht blau" einen gewissen Kultstatus eingebracht hat. Die Schule ist als monotoner Ort vorhöllengleich stilisiert, die Lehrer werden als konturlose Idioten [1] verdammt und dem Erwachsenenestablishment wird einmal so richtig mit Anlauf in den Hintern getreten, ohne dabei übermäßig bösartig zu sein. Beiläufig zementiert Hughes auf urkomische Weise die seit Urzeiten bestehenden Missverständnisse zwischen Eltern und Kindern.

    Matthew Broderick („Godzilla", Die Frauen von Stepford, The Producers), der sich mit „Ferris macht blau" die bisher einzige Golden-Globe-Nominierung seiner Karriere erspielte, war tatsächlich nie besser. Er hievt seinen Ferris Bueller auf den Sockel einer Kultfigur, verkörpert eine Leichtigkeit und Überlegenheit, die ihn zum Helden macht. Grandios: Brodericks Sturm auf einen Paradewagen, wo er unter dem Jubel der Massen „Twist And Shout" von den Beatles schmettert. Alan Ruck (Speed, The Happening) gibt mit seiner Wehleidigkeit genau den richtigen Gegenpol, an dem Broderick sich profilieren kann. Mia Sara, die anschließend im Kinogeschäft keine Rolle mehr spielte, steuert Eye-Candy-Qualitäten bei. Ihr Charakter ist von den drei zentralen am wenigstens ausgearbeitet. Aber selbst die kleinen Figuren sind mit Jennifer Grey (Dirty Dancing) und Jeffrey Jones (Im Auftrag des Teufels, Heartbreakers, Sleepy Hollow) gut besetzt. Während Grey als gehässige Schwester nur für einige Gags herhalten muss, kommt Jones eine wichtigere Aufgabe zu. Er symbolisiert gleichzeitig das verhasste System der Schule und des Erwachsen-Seins und reizt die Rolle dabei bis an die Grenzen des Klamauks aus, ohne bei diesem schwierigen Drahtseilakt abzustürzen. Dazu hat Charlie Sheen (Wall Street, Platoon, Die rote Flut) zum Ende hin noch ein lustiges Cameo, für das er 48 Stunden vor Dreh (sichtbar) auf Schlaf verzichtete.

    Fazit: „Ferris macht blau" ist nicht nur ein formidabler Gute-Laune-Film mit dem Herz am rechten Fleck, sondern erinnert vor allem an eines: die Vergänglichkeit der Jugend. Und so ordnet sich alles Ferris‘ Einstellung unter: „Life goes by so fast, that if you don't stop and look around, you might miss it."

    [1] Wirtschaftslehrer: „In 1930, the Republican-controlled House of Representatives, in an effort to alleviate the effects of the... Anyone? Anyone?... the Great Depression, passed the... Anyone? Anyone? The tariff bill? The Hawley-Smoot Tariff Act? Which, anyone? Raised or lowered?... raised tariffs, in an effort to collect more revenue for the federal government. Did it work? Anyone? Anyone know the effects? It did not work, and the United States sank deeper into the Great Depression. Today we have a similar debate over this. Anyone know what this is? Class? Anyone? Anyone? Anyone seen this before? The Laffer Curve. Anyone know what this says? It says that at this point on the revenue curve, you will get exactly the same amount of revenue as at this point. This is very controversial. Does anyone know what Vice President Bush called this in 1980? Anyone? Something-d-o-o economics. ‚Voodoo‘ economics."

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