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    Burlesque
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Burlesque
    Von Christoph Petersen

    Wenn zum Jahresausklang ein Musical in den amerikanischen Kinos anläuft, dann ist es fast schon Tradition, dass es vorab ganz weit oben auf den Favoritenlisten der Oscar-Experten auftaucht. Doch ähnlich wie im vergangenen Jahr bei „Nine" hat es auch nach den ersten Vorführungen von „Burlesque" nicht lange gedauert, bis die Award-Rufe (mit Ausnahme der Kategorien „Beste Musik" und „Beste Kostüme") wieder verstummten. Dafür ist das Musical von Steven Antin, dem Bruder von Pussycat-Dolls-Gründerin Robin Antin, viel zu wenig ambitioniertes Kunsthandwerk à la „Chicago" und zu sehr wie der titelgebende Tanzstil: ungeheuer trashig und überbordend kitschig. Damit katapultiert sich der Film trotz von Schauspieldebütantin Christina Aguilera erwartungsgemäß grandios geschmetterten Musical-Nummern zwar aus dem Oscar-Rennen, aber dafür verbreitet „Burlesque" im Gegensatz zum furchtbar leblosen „Nine" zumindest ordentlich Laune.

    Ohne Hoffnung, sich in ihrem Provinzstädtchen verwirklichen zu können, kauft sich Kellnerin Ali (Christina Aguilera) ein One-Way-Ticket von Iowa nach Los Angeles, wo sie der Zufall in die Burlesque Lounge der Revue-Legende Tess (Cher) verschlägt. Sie ist sofort fasziniert von den Tänzerinnen um Sängerin Nikki (Kristen Bell), dem unangefochtenen Star der Show. Zunächst ergattert Ali nur einen Job als Kellnerin an der Seite des hilfsbereiten Barkeepers Jack (Cam Gigandet), doch dann kann sie bei einem Vortanzen alle überzeugen und landet schließlich selbst auf der Bühne. Doch der Traum droht bald wieder zu zerplatzen. Tess ist hoffnungslos überschuldet und ihr einziger Ausweg scheint darin zu bestehen, die Burlesque Lounge an den charismatischen Investor Marcus (Eric Dane) zu verkaufen, der zudem auch noch ein Auge auf Ali geworfen hat...

    Steven Antin ist weder ein guter Regisseur noch ein guter Autor: Seine bisher einzige Regiearbeit war das vernachlässigungswürdige Direct-to-DVD-Sequel „The Glass House 2" und sein Skript zu Sidney Lumets gescheitertem Neuaufguss von „Gloria" brachte Sharon Stone eine Nominierung für die Goldene Himbeere ein. In „Burlesque" kleistert er nun jede Einstellung mit einem übertriebenen Weichzeichner zu und die Geschichte ist kaum mehr als ein lose zusammengeschustertes Best of klassischer Landei-wird-zum-Star-Storys. Christina Aguilera wiederum ist auch keine gute Schauspielerin. Zwar macht sie sich hier nicht wie Mariah Carey in „Glitter" zum Gespött Hollywoods, aber bleibenden Eindruck hinterlassen ihre Auftritte als schlagfertiges Kleinstadt-Girly auch nicht gerade. Allerdings sind beide schlau genug, sich nicht allzu sehr auf den jeweils anderen zu verlassen.

    Statt darauf zu hoffen, dass sie der Regisseur schon irgendwie ins rechte Licht rücken wird, hat Christina Aguilera deshalb einen Soundtrack produziert, mit dem sie genau da weitermacht, wo sie mit ihrer „Moulin Rouge"-Kollaboration „Lady Marmalade" vor fast einem Jahrzehnt aufgehört hat. Gerade an dem von ihr mitgeschriebenen, den Abspann einläutenden „Show Me How To Burlesque" werden die Oscar-Wähler wohl doch nicht ganz vorbeikommen. Und gegen ihre Auftritte als Burlesque-Tänzerin in verrucht-sexy, dabei aber immer stilvollen Outfits lässt sich sowieso nur schwer etwas sagen. Dafür ist die „Genie in a Bottle"-Sängerin zu sehr Pop-Profi, um auf der Bühne nicht vollends zu überzeugen.

    Regisseur Antin hat sich auf der anderen Seite eine Nebendarstellerriege zusammengesucht, welche die schauspielerischen Limitierungen seines Stars mehr als wett macht. Oscar-Preisträgerin Cher (ausgezeichnet für ihre Rolle in „Mondsüchtig", zudem nominiert für „Silkwood") verzieht nach einigen Gesichtsstraffungen mit ihren 64 Jahren zwar keine Miene mehr, aber trotz dessen besitzt sie noch immer eine beeindruckende Leinwandpräsenz, die sie auch in ihren beiden Gesangsnummern voll ausspielt. Fanboy-Traum Kristen Bell („Veronica Mars", „Nie wieder Sex mit der Ex") muss zwar eine nicht gerade sexy brünette Perücke tragen, damit auch jeder gleich sieht, dass Christina Aguilera hier die heißere von den beiden ist, macht sich ansonsten in der ungewohnten Rolle als Bad Girl aber ausgesprochen gut. Und der sowieso über jeden Zweifel erhabene Stanley Tucci fügt seiner Filmographie nach „Julie & Julia" und „Einfach zu haben" einen weiteren grandiosen Sidekick-Auftritt hinzu, weshalb er langsam ehrlich aufpassen sollte, nicht nur noch in solchen schnippisch-amüsanten Nebenrollen besetzt zu werden.

    Fazit: „Burlesque" macht bedeutend mehr Spaß, als es die Qualität von Drehbuch und Inszenierung eigentlich vermuten ließen. Also ein echtes Guilty Pleasure, genau wie es die klassischen Burlesque-Shows zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch schon waren.

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