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    Der Fall Paradin
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Der Fall Paradin
    Von Ulrich Behrens

    Alfred Hitchcock selbst hielt Gregory Peck und Louis Jourdan, letztlich auch Alida Valli für Fehlbesetzungen in dem 1947 gedrehten Film über die Verquickung von Liebe und Mord. Peck spielt in dem Gerichts-Thriller „Der Fall Paradin“ einen noblen englischen Anwalt, doch das Noble liegt dem Amerikaner überhaupt nicht. Laurence Olivier und Ingrid Bergman wären wohl Hitchcocks Favoriten für die Hauptrollen gewesen. Und tatsächlich will sich das Mysteriöse um die Mörderin nicht richtig entfalten, wenn man es in Bezug setzt (und aufgrund der Fallkonstellation der Geschichte setzen muss) zur Leidenschaft, die Pecks Anwalt Keane für die des Mordes bezichtigte Frau entwickelt.

    Anthony Keane (Gregory Peck), ein aus besten Kreisen stammender Londoner Anwalt, Mitglied der Kanzlei von Sir Simon Flaquer (Charles Coburn), verheiratet mit Gay (Ann Todd), wird beauftragt, Maddalena Anna Paradine (Alida Valli) zu verteidigen, die ihren wesentlich älteren blinden Mann ermordet haben soll. Mrs. Paradine, von be(d)rückender Schönheit, erweist sich als nymphomanisch und durchtrieben. Aber bevor Keane hinter ihr Geheimnis kommt, verliebt er sich in die Angeklagte, was seine Verteidigung zunehmend erschwert. Als er entdeckt, dass seine Mandantin ein Verhältnis mit dem Stallknecht ihres Mannes Andre Latour (Louis Jourdan) hatte, und Keane Latour zur Rede stellt, kommt es im Prozess zu einem Eklat. Als Keane Latour in die Ecke treibt und ihn des Mordes beschuldigt, bezichtigt der Maddalena und nimmt sich selbst das Leben. Keane muss erkennen, dass ihn die Liebe zu seiner Mandantin nicht nur blind gemacht hat, sondern dass er dadurch einen Unschuldigen in den Tod getrieben hat...

    Die Ausgangskonstellation des Falls Paradine allerdings ist etwas verwickelter. Denn nicht nur Keane treibt sich selbst in eine „blinde Ecke“. Der Richter Thomas Horfield, wieder einmal grandios gespielt von Charles Laughton, verachtet Keane, nicht zuletzt, weil er bei dessen Frau Gay nicht landen konnte. Während eines Empfangs hatte sich Horfield vor den Augen der anwesenden Gäste an die blonde Schönheit herangemacht – und war abgeblitzt. Horfield hat zudem – im Gegensatz zu seiner Frau Lady Sophie (Ethel Barrymore) – nicht den Funken Mitleid mit der später zum Tode verurteilten Mrs. Paradine. Schlechte Ausgangsvoraussetzungen für eine Verteidigung.

    Schlechte Ausgangsbedingungen hat aber auch der Film selbst. Während Barrymore und Laughton hervorragende Leistungen zeigen, wirkt Gregory Peck zu offensichtlich wie ein Amerikaner, der in einen englischen Frack gesteckt wurde. Ann Todd als seine Frau bleibt blass, wirkt oft kalt. Hitchcock erkannte dies durchaus treffend. Louis Jourdan strapaziert die Rolle des psychisch angeschlagenen, unglücklich verliebten Diener seines ermordeten Herrn in allzu theatralischer Tendenz. Alida Valli als aus armen Verhältnissen stammende Schönheit ist allerdings keine wirkliche Fehlbesetzung. Eher wurde die Schauspielerin in dieser Rolle unterbeschäftigt. Sie vermag es durchaus, das Geheimnisvolle dieser zurückhaltenden, mehr schweigenden, denn redenden Frau auf den Punkt zu bringen. Da jedoch die Leidenschaft Keanes der Paradine gegenüber mehr äußerlich, an ihrer Schönheit verhaftet bleibt, als sich auf das Geheimnisvolle wirklich fühlbar zu erstrecken, bleibt auch dieses Mysteriöse in seiner möglichen Wirkung sozusagen auf der Hälfte stecken.

    Die Gerichtsszene, die ungefähr die Hälfte des Films einnimmt, ist im Großen und Ganzen stimmig inszeniert und entbehrt sicherlich nicht einem hohen Maß an Tragik und Spannung. Trotzdem spielt Gregory Peck Keane allzu sehr als einen verliebten Trottel, der der Realität nicht ins Auge schauen will. Im Vergleich etwa zu Billy Wilders Zeugin der Anklage (1957, mit Marlene Dietrich, Tyrone Power, Charles Laughton) zieht „Der Fall Paradin“ eindeutig den Kürzeren.

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