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    Ein Zuhause am Ende der Welt
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Ein Zuhause am Ende der Welt
    Von Carsten Baumgardt

    Der Ire Colin Farrell galt nach „Minority Report“, „Nicht auflegen!“ und „Der Einsatz“ in Hollywood als neuester Hot Shot. Mit „Daredevil“ und „S.W.A.T.“ kam sein steiler Aufstieg ins Stocken, aber mit der Hauptrolle in Oliver Stones Epos „Alexander“ steht er vor dem großen Durchbruch zum Superstar. Wer hätte aber gedacht, dass der Bad Guy, der gern mit Frauen- und Sauf-Geschichten von sich reden macht, auch im Programmkino überzeugen kann? In Michael Mayers sensiblem, aber erfrischendem Drama „Ein Zuhause am Ende der Welt“ glänzt Farrell in einem exzellenten Ensemble als richtig guter Schauspieler und nicht nur als Star.

    Der bisexuelle Koch Bobby (Colin Farrell), der schwule Journalist Jonathan (Dallas Roberts) und die heterosexuelle Claire leben in New York in einer ganz speziellen Wohngemeinschaft. Obwohl Claire und Jonathan in einer platonischen Beziehung leben, verliebt sie sich in den unerfahrenen Bobby, der als Kind erste sexuelle Experimente mit seinem besten Freund Jonathan gemacht hat. Das neue Paar bekommt ein Kind und zieht auf’s Land, während Jonathan sich in der Blütezeit der 80er Jahre mit verschiedenen Lovern vergnügt. Der Kontakt zu Bobby und Claire reißt aber nicht ab, später kommt das skurrile Trio sogar wieder zusammen...

    Autor Michael Cunningham gewann mit seinem Roman „The Hours“ den Pulitzerpreis. Für „A Home At The End World“ von Debüt-Regisseur Michael Mayer schrieb er nicht nur die Buchvorlage, sondern auch das Drehbuch. Im Gegensatz zum großen Starkino von „The Hours“ ist „Ein Zuhause am Ende der Welt“ als kleines, intensives Independent-Kino mit einem minimalen Budget von 6,5 Millionen Dollar angelegt. Der Qualität tut dies allerdings keinen Abbruch. Fernab der Konventionen Hollywoods entfaltet Mayer eine sympathisch-erfrischende Dreiecksgeschichte als Ode an das Leben, die Liebe und die Familie.

    Die Story beginnt bereits in den späten 60er Jahren mit einem Rückblick auf die Kindheit von Bobby und Jonathan. Erik Smith und Harris Allan geben in geschmackvoll-geschmacklosen Outfits entwaffnend offene Vorstellungen in der 70er-Jahre-Phase. Ihren Hang zur Homosexualität zeigt Regisseur Mayer völlig unverkrampft und unkompliziert. Daneben glänzt Sissy Spacek als Jonathans Mutter mit einer eindrucksvollen Leistung als freier Geist, der auch einmal einen Joint mit seinen Kindern- und Ziehkindern raucht. Eine besondere Szene zu Beginn des Films dokumentiert hervorragend die Qualität von „Ein Zuhause am Ende der Welt“: Durch einen tragischen Unfall, den Bobby ohne Absicht auslöst, verliert er seinen über alles geliebten Bruder. Diese Einstellung erzeugt eine extreme Emotionalität, die abseits der üblichen Klischees tief berührt. Dieses Prinzip gilt für den ganzen Film. Die Geschichte entzieht sich clever der Vorhersehbarkeit, ist witzig, tragisch, dramatisch und immer intensiv, sympathisch, menschlich und berührend.

    Einen großen Anteil daran hat auch das famose Hauptdarsteller-Trio. Colin Farrell überzeugt wider aller Erwartung mit ein höchst sensiblen Vorstellung als sexuell orientierungsloser, schüchterner Koch, der zwischen der unkonventionellen Claire und dem schwulen Macho Jonathan hin- und hergerissen ist. Eine Nacktszene Farrells, in dem sein bestes Stück zu sehen war, ist übrigens nach US-Testvorführungen rausgeschnitten worden, weil sich die Testbesucher daran störten. Bei einem Einspiel von einer Million Dollar hätte dies im Grunde keine Rolle gespielt, da der Film sowieso gefloppt ist – auch wenn er nur in sehr wenigen Kinos lief.

    Der weitgehend unbekannte Dallas Roberts ist seinen etablierten Partnern ebenbürtig. Er bekommt von Autor Cunningham sogar die größte Portion charakterliche Tiefe ab. Sein Jonathan ist die tragische Figur des Films. Er hat nie aufgehört, Bobby zu lieben und scheitert deswegen dabei, ein glückliches Leben zu führen. Erst als es zu spät ist, soll er sein Glück bekommen. Diese Zerrissenheit zwischen Freundschaft und Liebe zu Bobby und Claire sowie seine machohaften Allüren als Homomacker meistert Roberts hervorragend. Robin Wright Penn („Weißer Oleander“, „Message In A Bottle“) ist die Rolle der hippen Claire auf den Leib geschrieben. Die Ehefrau von Sean Penn sichert sich mühelos Sympathiewerte. Sie ist die einzige, die wirklich weiß, was sie will und im richtigen Moment das tut, was für alle am besten scheint.

    Michael Mayer ist mit „Ein Zuhause am Ende der Welt“ ein beachtliches Debüt gelungen, das durch exzellente Schauspielleistungen, viel Atmosphäre und eine packende Geschichte überzeugt. Home is, where your heart is: Das Kunststück und der Verdienst des Films ist es, dieses abgedroschene Motto nicht peinlich und beliebig erscheinen zu lassen, sondern es mit viel Leben und Ehrlichkeit zu füllen. Am Ende beweist Mayer auch noch die richtige Portion Mut und Konsequenz und schüttet sein Publikum nicht mit Weichspüler zu.

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