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    Public Enemy No. 1 - Todestrieb
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Public Enemy No. 1 - Todestrieb
    Von Carsten Baumgardt

    In Public Enemy No. 1 - Mordinstinkt legte Regisseur Jean-Francois Richet den Grundstein seines zweiteiligen Crime-Biopics über den legendären französischen Gangster Jacques Mesrine und erzählte vom Aufstieg eines Kleinkriminellen zum Profi. Im zweiten Teil „Public Enemy No. 1 – Todestrieb“ wechselt der Filmemacher nicht nur die Gangart, sondern auch gleich noch das Genre – weg von der Mafia-Chronik, hin zum knackigen Action-Thriller. Die Handlung setzt direkt am Ende von „Mordinstinkt“ an und schildert Mesrines Leben zwischen 1973 und 1979: sechs Jahre, in denen Mesrine zunehmend abhob und immer gewalttätiger wurde. Obwohl beide Filme unterschiedliche Schwerpunkte setzen, ergibt sich am Ende trotzdem ein packendes episches Werk wie aus einem Guss.

    Nach dem Ausbruch aus dem berüchtigten kanadischen Gefängnis St.-Vincent-de-Paul inklusive schmerzhaft missglückter Befreiungsaktion der Mithäftlinge erschießen Jacques Mesrine (Vincent Cassel) und sein Partner in Crime Jean-Paul Mercier (Roy Dupuis) zwei Parkranger. Mesrine muss erneut fliehen. Zurück in Frankreich raubt er weiter fleißig Banken aus. Der ehrgeizige Kommissar Broussard (Olivier Gourmet) macht es sich zur persönlichen Lebensaufgabe, den dreisten Räuber zur Strecke zu bringen. Und tatsächlich gelingt es dem Polizisten, Mesrine zu schnappen und vor Gericht zu bringen, doch dem Gangster glückt eine haarsträubende Flucht direkt aus dem Sitzungssaal. Der Flüchtige gilt von nun an nicht mehr nur in Kanada, sondern auch in Frankreich als Staatsfeind Nummer eins und steigt zum Medien-Superstar auf. In der Prostituierten Sylvie Jeanjaquot (Ludivine Sagnier) findet er zudem eine neue Gefährtin, mit der er bis zum bitteren Ende zusammenbleibt…

    „Im Verbrechen gibt es keine Helden.“ – Jacques Mesrine

    Die politisch bis zum Bersten aufgeladenen Siebzigerjahre, in denen die RAF und die Roten Brigaden Europa mit Terror überzogen, nutzt Jacques Mesrine, um in deren Windschatten mitzusegeln. Er bezieht sich sogar direkt auf die RAF-Terroristen um Andreas Baader und Ulrike Meinhof. Mesrine kokettiert damit, sich ebenfalls politische Motive auf die Fahne zu schreiben, was sich jedoch als substanzlos herausstellt. An einer Stelle von „Todestrieb“ bringt Mesrines Kompagnion Francois Besse dies auf den Punkt: „Wir sind bloß Ganoven, keine Intellektuellen.“ Vielmehr als politische Visionen ist eine unstillbare Profilierungssucht und Mediengeilheit die Triebfeder des Handelns. Das Aufspielen als moderner Robin Hood entlarvt der Film als bloße Fassade, die Mesrine sich nur zugelegt hat, um Aufmerksamkeit zu erhaschen und die eigene Legende zu nähren. Mesrine selbst bleibt diese Erkenntnis lange verborgen und er bildet sich ein, tatsächlich ein Revoluzzer und Ehrenganove zu sein.

    Filmstarts.de-Starporträt: Vincent Cassel

    Einbrechen - Einsitzen – Ausbrechen: In diesem Rhythmus hat sich Mesrine eingerichtet. Kein Gefängnis ist vor seinen gefürchteten Ausbrüchen sicher. War „Mordinstinkt“ noch eine gesetzte Crime-Saga der alten Schule, passt Jean-Francois Richet (Das Ende) seine Inszenierung in der Fortsetzung konsequent dem veränderten Klima an. Der Regisseur flankiert die im Vergleich zu Teil 1 aufgepeppten Actionszenen mit vitalen Handkameraeinstellungen, die Dynamik vermitteln, aber nicht durch zu wilde Schwenks die Übersicht nehmen. Im Vorbeigehen zitiert Richet weiter und liefert eine feine Hommage an die legendäre U-Bahn-Verfolgungsjagd aus William Friedkins French Connection. Überhaupt orientiert sich der Franzose stilistisch vornehmlich am amerikanischen Genrekino.

    „Zu viele Menschen ziehen den Schwanz ein.“ – Jacques Mesrine

    Ein gelungener Winkelzug ist die Konsequenz, mit der Richet Mesrine als Meister der Verkleidung inszeniert und das Katz-und-Maus-Spiel mit der gehörnten Polizei auf die Spitze treibt. Ist die „Verwechslung“ zumeist ein Element der Komödie, sind die Ereignisse in „Mordinstinkt“ aber eben gar nicht witzig, sondern todernst. Menschleben werden ausgelöscht und die Spirale der Gewalt dreht sich immer weiter, bis das Ende unausweichlich ist.

    „Wenn man im Schatten lebt, kommt man der Sonne niemals nahe.“ – Jacques Mesrine

    Auch wenn „Public Enemy No. 1“ in zwei Filme gesplittet in die Kinos kommt, ist das Werk unbedingt als Ganzes zu sehen. Dennoch ist zwischen den Teilen eine deutliche Zäsur nicht nur bei der Inszenierung, sondern auch bei den Schauspielern wahrzunehmen. Die einzige Konstante ist der weiterhin großartige Vincent Cassel (Tödliche Versprechen, Die purpurnen Flüsse, Hass – La Haine), der seinen Mesrine verwegen, charismatisch, brutal und dennoch nicht ohne Charme anlegt. An seiner Seite zieht, nachdem Gérard Depardieu das Zeitliche gesegnet und Cécile de France sich von Cassel losgesagt hat, nun die nächste Topriege französischer Filmstars in die Manege ein. Bond-Bösewicht Mathieu Amalric (Ein Quantum Trost, München) gefällt als Mesrines Ausbrecher-Kumpane Francois Besse, Ludivine Sagnier (Swimming Pool, Die zweigeteilte Frau, 8 Frauen) ist als Femme Fatale ebenso famos wie Cécile de France zuvor und Olivier Gourmet (Lornas Schweigen, Madonnen, Wenn die Flut kommt), der den Kommissar charmant, aber hartnäckig gibt, erweist sich für Mesrine als würdiger Gegenspieler.

    „Der Tod ist eine treue Geliebte, die ihre Liebhaber niemals allein lässt.“ – Jacques Mesrine

    Fazit: In gut vier Stunden Spielzeit wirft Jean-Francois Richet alles in den Ring, was in Frankreich Rang und Namen hat. Und auch sonst hat er alles richtig gemacht. „Public Enemy No. 1“ ist ein ambitioniertes, atmosphärisch dichtes Crime-Biopic, bei dem die Teile trotz einer klaren Zäsur zwischen „Mordinstinkt“ und „Todestrieb“ dank Richets stilsicherer Hand zu einer Einheit verschmelzen.

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